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Der syrische Statthalter wünschte diese verlotterte und verwilderte Meute jedoch zurück, damit sie ihn im Kampf gegen die Parther unterstützten. Doch wie es schien, behagte ihnen das Leben in Alexandria, und sie fanden wenig Geschmack an dem Gedanken, wieder Soldaten zu sein. Ein paar von ihnen hatten sich betrunken, als die Nachricht aus Syrien zu ihnen drang, und hatten auf ihre einfältige Art beschlossen, das Problem zu lösen, indem sie die Verkünder der Nachricht ermordeten. In diesem Fall leider keine Geringeren als die Söhne von Marcus Bibulus.

Und nun darf ich mich des Problems annehmen, dachte Kleopatra.

Der Hofstaat war in seiner ganzen Pracht versammelt. Griechen in purpurnen chitons, Perser in Mantel und Hose, Judäer in langen weißen Kaftanen, Ägypter in den traditionellen kalasiris. Der oberste Minister war anwesend, mit seinen oikonomoi, in griechischen Gewändern und Lorbeerkränzen auf dem Haupt. Die Offiziere der Königlichen Wache, unverwechselbar mit den breitkrempigen Filzhüten, dem kurzen geraden Überwurf und den hochgeschnürten Stiefeln des makedonischen Landadels. Der Oberste Jäger, der Oberste der Ärzte und der Oberste Mundschenk glänzten im Schmuck ihrer Diademe und Goldspangen.

Kleopatra hatte das offizielle Staatsgewand angelegt, mit einem Brustkreuz aus Gold und Elfenbein, Lapislazuli und Karneol, einem breiten Gürtel aus massivem Gold, Armreifen und Fußspangen aus Gold und Lapislazuli. In den Händen hielt sie den Krummstab und den Dreschflegel des Großen Hauses von Ägypten, und auf dem Kopf trug sie den Doppelhut mit dem Geier und dem goldenen Uraeus für die beiden Länder.

Charmion hatte Stunden damit zugebracht, sie zu schminken, wobei sie besonderen Wert auf die Augen gelegt hatte, die mit schwarzem Khol und grünem Malachit betont worden waren. Die Lippen hatte sie mit einer Salbe aus Widderfett, versetzt mit rotem Ocker, gefärbt, und das Haar mit einer Lotion aus Öl und Wacholder zum Glänzen gebracht. Die Gestalt, die vom Thron herunterschaute, war kein achtzehnjähriges Mädchen, sondern eine Göttin.

Ein ägyptischer Schreiber im gefältelten Rock saß zu ihren Füßen, neben einem Gelehrten des Museion in griechischem Gewand. Sie führten das Protokoll in Ägyptisch und Griechisch.

Als Kleopatra die Große Säulenhalle betreten hatte, waren alle verstummt. Jetzt erhob sie ihre Stimme. »Möchte mir jemand erklären, was gestern in der Stadt vorgefallen ist?«

Nervöses Schweigen. Kleopatra hatte festgestellt, daß sie die hohen Herren allein mit ihrer Stimme beeindrucken konnte. Es war Pothinos, der sich schließlich zu Wort meldete, in den Augen den gewohnten Ausdruck der Überheblichkeit. »Majestät, den römischen Soldaten war seitens der beiden Gesandten aufgetragen worden, sie nach Syrien zu begleiten. Sie sollten dem dortigen Statthalter bei seinem Grenzkonflikt mit den Parthern beistehen. Sie haben sich geweigert.« »Und deshalb zwei wehrlose Männer ermordet?«

»Zwei Römer!« Pothinos spuckte die Worte aus. »Die Truppen haben sich mittlerweile hier niedergelassen«, setzte Theodotos erklärend hinzu. »Es sind einfache Barbaren aus Gallien oder Germanien. Sie haben sich Frauen oder Mätressen zugelegt, manche besitzen Familie. Rom ist für sie längst ohne Bedeutung.«

»Es sind dennoch römische Soldaten.« Pothinos glühte vor Schadenfreude.

Es würde mich nicht wundern, wenn er die ganze Geschichte eingefädelt hätte, dachte Kleopatra. So etwas wäre typisch für ihn. Er würde ihr die Wahl überlassen, entweder die Römer zu verärgern oder das eigene Volk gegen sich aufzubringen.

»Nun, es ist jedenfalls nicht mehr zu ändern, Majestät«, sagte er.

Sie ließ die Blicke über den Hofstaat schweifen, suchte das dritte Mitglied des Rats. »Bruder«, begann sie, getreu der Etikette. Achillas bekleidete das höchste Amt bei Hofe. »Ihr habt Eure Meinung noch nicht kundgetan.«

»Erhabene Majestät, wie Pothinos bereits anmerkte, sind es letztlich nur Römer.«

Ja, krieche nur vor ihm, dachte sie verärgert. Hat er euch denn inzwischen schon alle in der Tasche?

Sie wandte sich an ihren obersten Minister, der neben dem Thron stand. Protarchos war der Nachfolger von Hephaestion, seit dieser seine einjährige Amtszeit beendet hatte. »Was haltet Ihr von der Angelegenheit?« erkundigte sie sich. »Majestät, es sind Römer, so wie es der Hauptmann der Wache sagt. Und sie haben gegen römisches Gesetz verstoßen. Deshalb sollten sie sich nach meiner Überzeugung auch Rom gegenüber verantworten.«

Kleopatra wandte sich wieder an den Hof. »Das ist auch unsere Meinung. Wir befehlen daher, daß man die Mörder aufspürt und sie in Ketten der Gerichtsbarkeit des römischen Statthalters von Syrien überstellt.«

Achillas trat einen Schritt vor. »Majestät! Ist das gerecht? Kriechen wir neuerdings vor den Römern? Und sollten wir uns ihnen dann nicht gleich zu Füßen werfen und sie in Alexandria einmarschieren lassen?«

»Nun, sofern sie das wünschen, werdet Ihr und Eure Armee sie kaum aufhalten können!« Achillas starrte sie an. Alle Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. Wahrscheinlich, dachte Kleopatra, erschrocken ob der eigenen Unbedachtheit, habe ich nun auch noch den letzten Verbündeten im Palast verloren.

»Majestät, wollt Ihr uns wirklich derart vor den Römern demütigen?« fragte Pothinos mit Schmeichelstimme.

»Wenn ägyptische Soldaten Eure Söhne in Rom ermordeten, würdet Ihr dann nicht auch erwarten, daß man sie Eurem Richtstuhl überläßt? Obwohl das unter den gegebenen Umständen sicher nicht das beste Beispiel ist.«

So, das hatte gesessen. Pothinos' Wangen überzogen sich mit flammender Röte. Trotzdem blieb er beharrlich. »Das Volk wird sich fragen, ob es von Alexandria oder von Rom aus regiert wird.«

»Es ist nicht unsere Sache, was Menschen sich fragen, sondern nur das, was sie tun, Bruder. Findet die Männer, die die Gesandten getötet haben, und schafft sie hierher.«

Pothinos wagte einen verstohlenen Blick auf Ptolemaios. Der Junge starrte verdrossen auf den Fußboden. Es wird nicht mehr lange dauern, dachte Kleopatra. Eines Tages wird er sich gegen mich auflehnen, und zwar schon bald. Aber noch nicht heute.

Sie schaute wieder zu Pothinos. »Tut, wie Euch befohlen«, sagte sie.

4

Ägypten nannte sich das Schwarze Land, nach dem breiten Landstreifen fruchtbaren schwarzen Erdbodens, den der Nil bei den alljährlichen Überschwemmungen zurückließ, die ihre Endstufe dann erreichten, wenn Sirius am höchsten stand.

Dieser Boden war es, von dem die Menschen der chora abhingen, weil sie dort ihr Getreide anbauten.

Entlang des Flusses zogen sich kuppelförmige Lehmbauten, die man Nilometer nannte, mit unterirdischen Kammern, die speziell dazu eingerichtet waren, den Wasserstand zu messen. An den Wänden befanden sich Pegel, an denen man die Flußhöhe ablesen konnte. Schwoll der Fluß zu stark an, wurden die Dämme fortgerissen, die Felder überschwemmt, und die Ernte war vernichtet. Erreichte der Fluß die notwendige Höhe nicht, vertrockneten die Felder, dem Boden fehlte die Kraft für die nächste Saat, und eine Hungersnot war die Folge. Der Tod, so sagte man, ließ sich an den Wänden der Nilometer in Ellen ablesen.

Und nun war der Nil seit zwei Jahren unter dem Stand geblieben, den man als Todesgrenze bezeichnete. In der chora starben zuerst die Kinder, danach die Kranken. In Alexandria kam es zu Aufständen. Tausende von fellahin verließen die Dörfer. Das geeignete Klima für Verrat.

Mardian tauchte mitten in der Nacht auf. Vom Laufen über die Palastgänge war er außer Atem geraten. Das lange Gewand wehte ihm um die Knöchel.

Kleopatra hatte sich noch nicht zur Ruhe begeben. Sie saß an ihrem Arbeitstisch, jenem Stück von all ihren Schätzen, das ihr am liebsten war. Die Platte war aus einer massiven Tafel Lapislazuli gefertigt, die an den vier Ecken auf mit Gold- und Korallenintarsien verzierten Basaltsphingen ruhte. Man sagte, der Tisch habe einst Alexander dem Großen gehört.