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»Nein, aber es wird etwas dauern.«

»Macht nichts.«

Während Harry wartete, plauderten die anderen. Mrs. Murphy lief gespannt zu Harry hinüber. Sie setzte sich so, dass sie Tante Tallys Antwort hören konnte. Da sie ein scharfes Gehör hatte, konnte sie lauschen, wenn sie in der Nähe des Hörers war. Sie musste ihn nicht direkt am Ohr haben.

»Ich bin wieder da«, meldete sich die gebieterische Stimme. »Ich habe zwei silberne Zuckerdosen. Dieselben, die ich von Anfang an hatte. Das ist auch gut so, denn sie sind viel zu teuer, um sie zu ersetzen. Ich habe auch eine einzige Porzellanzuckerdose, die gehört zu meinem Frühstücksservice. Hilft Ihnen das weiter?«

»Tante Tally, Sie waren einegroße Hilfe. Wir sehen uns morgen Abend auf dem Ball.«

»Ohne Roger wird es nicht wie früher. Er hat sich immer dermaßen voll laufen lassen, dass er die Maschinen gestartet, ein heilloses Durcheinander angerichtet hat und auf den Bahngleisen umgekippt ist. Alle anderen werden sich manierlich aufführen, leider.«

»Man kann nie wissen.«

Tante Tally lachte. »Harry, in Crozet ist das die absolute Wahrheit! Tschüss.«

Harry legte auf. »Die zwei silbernen Zuckerdosen sind da. Die Porzellandose ist da, aber die Porzellanzuckerdose ist kaputtgegangen. Wie konnten wir das übersehen? Das heißt, die zerbrochene Porzellandose war nicht die von Tante Tally.«

Sie schlug sich mit der Hand an die Stirn.

»Wir haben es alle übersehen«, sagte Murphy bekümmert.

»Das hilft uns bei unserem Problem nicht weiter, aber es bringt uns der Lösung näher, wie Roger vergiftet wurde.« Miranda seufzte.

»Roger ist vergiftet worden!« Brooks Stimme quiekte.

»Ja, Schätzchen, aber das behältst du für dich.« Susans Ton bürgte für Gehorsam.

»Werden Sie nach Lexington fahren? Hört sich an, als müsste man sich Bill Boojum persönlich vorknöpfen.« Tracy fand, dass jeder Vorgang eine bessere Erfolgschance hatte, wenn er Auge in Auge durchgeführt wurde.

»Nächste Woche. Wir wissen, dass die drei Morde zusammenhängen. Wir wissen, dass Boojum etwas weiß, das er nicht mitteilen will, aber wir wissen noch nicht warum. Wenn wir's nur wüssten.«

»Darauf läuft es immer hinaus.« Tracy nickte.

»Drogen. Das Umfeld passt perfekt, aber Rick schluckt es nicht. Zumindest noch nicht.« Cooper trommelte auf den Schalter. »Wir brauchen einen kleinen Schnitzer, einen winzigen Fehler. Nur einen einzigen.«

Den sollte sie bekommen.

49

Ein leichter Südwind trug den Duft von Geißblatt über Wiesen und Berge. Die Hummeln traten in voller Stärke an, ebenso die Holzbienen. Winzige Gottesanbeterinnenbabys krabbelten über die Klettertrompeten, die schon hübsch grünten, aber noch keine dunkel orangefarbenen Blüten zeigten.

Ein buckliger Hügel am Ende von Harrys Grundstück bot den idealen Platz für ein Picknick. Weil Harry der Festigkeit des Bodens noch nicht traute, war sie nicht mit dem Transporter hingefahren, sondern hatte den Korb und die Kühltasche mit den Getränken auf den John-Deere- Traktor geladen. Es war mit einer Tour getan, sie hatte die karierte Tischdecke ausgebreitet und einen mit einem Band umwundenen Thymianzweig in die Mitte gelegt. Daneben stand ein Leuchter aus klarem Glas mit einer Zierkerze.

Als Diego kam, setzte er sich auf den Traktorsitz, und Harry stellte sich vor ihn und lenkte das Gefährt.

Tucker schlenderte daneben her, weil Harry nicht schneller als im zweiten Gang fuhr. Mrs. Murphy und Pewter blieben zurück und stellten dem Blauhäher eine Falle. In ihren Mäulern trugen sie mit Melasse vermischtes Körnerfutter zum Rasen neben den Fliederbüschen. Sie öffneten die Mäuler und ließen es fallen. Dreimal hin und zurück, und sie hatten einen verlockenden Haufen geschaffen. Sie verzogen sich unter die Fliederbüsche und warteten.

Auf dem Hügel plauderten Harry und Diego drauflos; die peinliche Gesprächspause, die sich zuweilen ergibt, wenn Menschen sich gerade kennen lernen, stellte sich bei ihnen nicht ein.

»... geschwollen vom Händeschütteln.« Er schilderte, wie Lottie ihn bei dem Ehemaligen-Essen allen Leuten vorgestellt hatte.

»Sie war in ihrem Element.«

»Das war sie, und sie macht das gut. Sie hat den alten Herren Geld aus der Tasche gelockt, vielleicht sogar einigen mittelalten. Ach, warum dauert es so lange, bis man Geld verdient?« Er lachte. »Wir haben es am nötigsten, wenn wir jung sind.«

»Finden Sie?«

»O ja, solange wir noch offen sind für Abenteuer, bevor wir uns zu sehr an die leiblichen Genüsse gewöhnen, bevor die Kinder kommen.« Er überblickte die ländliche Szenerie.

»Wunderschön.«

»Das ist wahr.« Sie lehnte sich an den Ahornbaum. »Welche Abenteuer möchten Sie erleben, bevor Sie sich häuslich niederlassen?«

Seine Augen blitzten. »Auf der Westseite der Südinsel von Neuseeland Floß fahren. Im Frühling durch Patagonien reiten. In den Grand Tetons von Wyoming und in den Bighorn-Bergen wandern. An den griechischen Inseln entlang segeln, aber das könnte man auch mit Kindern machen, nehme ich an. Ah, ich würde gern Tennis in Kapstadt, Krocket in England und Polo in Argentinien spielen. Ich möchte das Nordlicht sehen und noch öfter in Crozet, Virginia picknicken. Und Sie?«

»Den Dubliner Pferdemarkt. Den würde ich gern einmal sehen. Ich möchte Südfrankreich sehen und die Toscana und das Wiener Opernhaus. Ich möchte die Ostsee sehen und dann nach Stockholm fahren und durch die schwedische Landschaft gondeln. Und ich möchte das Britische Museum sehen, aber wenn ich nichts von alledem zu sehen bekomme, kann ich darüber lesen. Im Großen und Ganzen bin ich zufrieden mit dem, was ich habe. Das ist nicht viel, gemessen am Standard der Reichen und Mächtigen, aber es macht mir Freude, und Diego, wie viel braucht der Mensch, um glücklich zu sein?«

»Für manche ist genug nicht genug. Die haben Risse in ihrer Seele, nicht?«

Harry nickte. »Hier bin ich, Posthalterin in Crozet, Virginia. Der überwiegende Teil der Menschheit hat nie von Crozet gehört und von mir erst recht nicht. Aber ich denke über die Welt nach. Ich wünsche den Menschen ein gutes Leben, und ich weiß, ich kann nicht viel tun, um ihnen zu helfen, außer auf mich Acht zu geben und anderen nicht zur Last zu fallen. Ich weiß nicht, ob der Menschheit zu helfen ist.«

»Ein sehr protestantisches Anliegen.« Er lächelte, seine weißen Zähne hoben sich von seiner gebräunten Haut ab.

»Ja, nicht wahr? Dieses entsetzliche Bedürfnis, sich selbst und die Welt zu verbessern. Man sollte meinen, nach so vielen Jahrhunderten hätten wir gelernt Gott zu danken für das, was wir haben und es dabei bewenden zu lassen.« Sie lächelte traurig.

»Glauben Sie an Bestimmung?«

Eine Honigbiene schwirrte zu der Mayonnaise, während Harry nachdachte, und schwirrte dann wieder davon. »Ja.«

»War die Antwort so schwer?«

»Ich musste darüber nachdenken. Meine Freundinnen treibt das zum Wahnsinn. Ich bin nicht sehr spontan. Ich überdenke alles, und ich weiß nicht, ob ich auf diese Weise weniger Fehler mache, aber das ist nun mal meine Art.«

»Das sehe ich. Ich bin freilich das genaue Gegenteil. Gegensätze ziehen sich an.«

»Ich weiß nicht recht.« Sie lachte; seine übersprudelnde Laune ergötzte sie. »Noch ein Sandwich?«

»Ja.« Er wusste, dass die Schinkensandwiches ihn furchtbar durstig machen würden.

Sie gab ihm eins, dann brach sie ein kleines Stück von ihrem Sandwich für Tucker ab, die es sofort verschlang. »Hab vergessen die Kerze anzuzünden.« Sie griff in ihre Jeanstasche. »O je, Streichhölzer hab ich auch vergessen.«