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Doch heute lief alles ganz glatt. Luet und Chveja breiteten das Mittagsmahl für die Männer aus. Huschidh hatte nichts besonderes zu tun und half ihnen dabei. Doch als Luet dann davon sprach, die anderen zum Essen rufen zu müssen, die im Schiff arbeiteten, ignorierte Huschidh geflissentlich die Andeutung und zwang Luet und Chveja auf diese Weise, die Leute selbst zu rufen.

Issib mochte ein Mann sein und mitunter Computer Kindern vorziehen, aber er war auch sehr aufmerksam. Luet und Chveja waren kaum fort, als er auch schon fragte: »Wolltest du mit mir sprechen, Schuja, oder mit Njef?«

Sie küßte ihren Mann auf die Wange. »Natürlich mit Njef. Ich weiß schon alles, was du denkst.«

»Sogar, bevor ich selbst es weiß«, sagte Issib mit spöttischer Verärgerung. »Na ja, wenn du dich allein mit ihm unterhalten willst, wirst du gehen müssen. Ich habe zu tun und werde auf keinen Fall den Raum verlassen, in dem das Essen auf mich wartet.«

Er erwähnte nicht, daß es ihm mehr Schwierigkeiten bereitete, sich zu erheben und zu bewegen. Obwohl seine Flossen in der Umgebung der Raumschiffe arbeiteten, so daß er nicht an seinen Stuhl gefesselt war, forderte jede größere körperliche Bewegung Issib eine beträchtliche Anstrengung ab.

Njef beendete seine derzeitige Arbeit — er hatte gerade irgendeinen Kode eingegeben —, erhob sich von seinem Stuhl und führte Huschidh auf den Gang hinaus. »Was gibt es?« fragte er.

Huschidh kam direkt zur Sache. »Du weißt doch, wie ich die Dinge sehe«, sagte sie.

»Du meinst die Beziehungen zwischen den Leuten? Ja, ich weiß.«

»Ich habe heute etwas sehr Beunruhigendes gesehen.«

Er wartete, daß sie fortfuhr.

»Luet ist … na ja, abgeschnitten. Nicht von dir. Nicht von Chveja. Aber von allen anderen.«

»Was bedeutet das?«

»Ich weiß es nicht«, sagte Huschidh. »Ich kann keine Gedanken lesen. Aber es macht mir Sorgen. Du bist nicht abgeschnitten. Du bist noch immer — der Himmel weiß, warum — mit Banden der Liebe und Treue sogar deinen widerwärtigen älteren Brüdern verbunden, und auch deinen Schwestern und ihren traurigen kleinen Gatten …«

»Wie ich sehe, hast auch du die höchste Achtung vor ihnen«, sagte Njef trocken.

»Ich sage ja nur, daß Luet früher etwas von demselben … was auch immer es ist … Gefühl der Verpflichtung für die ganze Gemeinschaft gehabt hat. Sie war mit allen verbunden. Nicht wie du; aber mit den Frauen vielleicht sogar noch stärker. Eindeutig stärker. Sie war praktisch die Vertreterin der Frauen. Seit man in Basilika feststellte, daß sie eine Wasserseherin ist, hatte sie diese Rolle inne. Aber das ist jetzt nicht mehr so.«

»Ist sie wieder schwanger? Das dürfte eigentlich nicht der Fall sein. Niemand sollte bei unserem Start schwanger sein.«

»Nein, so ist es nicht. Es ist nicht der Rückzug in sich selbst, wie er bei Schwangeren auftritt.« Huschidh war überrascht, daß Nafai sich tatsächlich daran erinnerte. Huschidh hatte nur einmal, vor Jahren, erwähnt, daß die Verbindungen von Schwangeren mit allen Personen in ihrer Umgebung schwächer wurden, während ihre Aufmerksamkeit sich nach innen richtete, auf das Kind. Aber so war Nafai nun mal. Tage-, wochen-, monatelang erweckte er den Eindruck, ein unbeholfener, übergroßer Heranwachsender zu sein, der dazu neigte, zur falschen Zeit das Falsche zu sagen, und den Eindruck erweckte, sich nie der Gefühle anderer bewußt zu sein. Und dann merkte man plötzlich, daß er die ganze Zeit sehr aufmerksam gewesen war; daß ihm praktisch alles auffiel, und daß er sich auch daran erinnerte. Da fragte man sich unwillkürlich, ob er dann, wenn er unhöflich war, unhöflich sein wollte. Huschidh hatte noch keine Antwort darauf gefunden.

»Wie ist es dann?«

»Ich dachte, du könntest es mir sagen«, entgegnete Huschidh. »Hat Luet irgend etwas gesagt, das darauf schließen läßt, sie könne sich von allen außer dir und euren Kindern absondern?«

Er zuckte mit den Achseln. »Vielleicht hat sie etwas gesagt, und ich habe nicht darauf geachtet. Ich achte nicht immer auf so etwas.«

Schon die Tatsache, daß er dies so leichthin dahersagte, erweckte Argwohn bei Huschidh. Nafai achtete stets darauf; also war es ihm aufgefallen. Er wollte nur nicht mit Huschidh darüber sprechen.

»Was auch immer es ist«, sagte Huschidh, »du und sie, ihr seid nicht einer Meinung darüber.«

Nafai schaute sie böse an. »Warum fragst du mich überhaupt, wenn du sowieso nicht glaubst, was ich sage?«

»Ich hoffe noch immer, daß du eines Tages zu dem Schluß kommen wirst, ich sei deiner würdig, und du könntest mir deine innersten Geheimnisse anvertrauen.«

»He, was sind wir heute aber empfindlich«, sagte Nafai.

Immer, wenn er sich wie ein kleiner Bruder aufführte, konnte Huschidh ihn am wenigsten ausstehen. »Ich muß Luet bei Gelegenheit mal sagen, daß sie einen schweren Fehler gemacht hat, als sie diese Frauen davon abhielt, dich zu töten, nachdem du in Basilika den heiligen See überquert hast.«

»Ganz meine Meinung«, sagte Nafai. »Dann wäre mir das Elend erspart geblieben, dich so sehr leiden zu sehen, weil du meine Schwägerin bist.«

»Ich würde lieber jeden Tag ein Kind zur Welt bringen, so schlimm ist das«, sagte Huschidh.

Er grinste sie an. »Ich würde mich darüber freuen«, sagte er. »Ich weiß wirklich nicht, warum Luet sich von allen anderen absondert. Aber ich halte es für gefährlich; deshalb werde ich darauf achten.«

Also nahm er sie doch ernst, wenngleich er ihr nicht verraten wollte, was er für das Problem hielt. Nun, auf mehr hatte sie auch nicht hoffen können. Nafai mochte im Augenblick zwar der Anführer ihrer Gemeinschaft sein, doch er war es nicht deshalb, weil er eine besondere Begabung dafür hatte. Elemak, Nafais ältester Bruder, war der geborene Anführer. Nafai hatte lediglich die Macht zur Herrschaft bekommen, weil er die Überseele auf seiner Seite hatte — oder besser gesagt, weil die Überseele Nafai auf ihrer Seite hatte. Die Autorität fiel ihm nicht leicht, und er wußte nicht immer genau, was er damit anfangen sollte — und was nicht. Er machte Fehler. Huschidh konnte nur hoffen, daß sein Zögern ihr gegenüber keiner dieser Fehler war.

Potja war bestimmt schon hungrig. Huschidh mußte zurück nach Hause. Weil sie sich um ein Kleinkind zu kümmern hatte, war sie von den meisten Pflichten im Zusammenhang mit den Startvorbereitungen entbunden worden. Der Starttermin war ihrer Schwangerschaft wegen sogar verschoben worden. Sie und Rasa waren als letzte Frauen schwanger geworden, bevor sie herausgefunden hatten, daß während der Reise niemand schwanger sein durfte, weil die Chemikalien und die niedrige Temperatur, die fast alle Passagiere während der Reise im Tiefschlaf hielten, mit einem Embryo schreckliche Dinge anstellen würden. Rasas Baby, ein kleines Mädchen, dem sie den allzu süßen Namen Tsennji gegeben hatte — das bedeutete »kostbar« —, war einen Monat vor Huschidhs drittem Sohn und sechstem Kind geboren worden. Schjopot hatte sie ihn genannt. »Flüstern«. Potja war der Kosename, der Schnellname, der im letzten Augenblick gekommen war, wie der Hauch einer Nachricht von der Überseele. Das letzte Flüstern in ihrem Herzen, bevor sie diese Welt für immer verließ. Issib war der Name komisch vorgekommen, aber er war besser als »kostbar«. Diesen Namen betrachteten sie beide als Anzeichen dafür, daß Rasa jedes Maß und Urteil verloren hatte. Potja wartete, Potja hatte Hunger; Huschidhs Brüste verrieten ihr dies mit einiger Dringlichkeit.