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Aber die Ochsenwirtskinder, die ahnten es! Sie wurden mit jedem Schuß, der danebenging, lustiger. „Wunderbar!" riefen sie, „wunderbar!"

Als der letzte Schütze geschossen hatte, stupste die kleine Hexe den Thomas an: „Jetzt geh du hin!"

„Was soll ich dort?"

„Schießen!"

Der Junge verstand. Er drängte sich vor, auf den freien Platz vor der Stange.

„Ich werde den Adler herunterschießen."

„Du Knirps?" rief der Schützenhauptmann und wollte ihn wieder wegschicken. Aber da lärmten die Leute: „Nein, er soll schießen! Wir wollen es!" Sie versprachen sich einen besonderen Spaß davon.

Ärgerlich sagte der Schützenhauptmann: „Von mir aus. Er wird nicht viel Glück haben."

Thomas ergriff eine Büchse. Er legte an wie ein Alter und zielte.

Die Leute hielten den Atem an. Sie stellten sich auf die Zehenspitzen und blickten gespannt nach dem Adler.

Es blitzte, es knallte. Der Adler fiel von der Stange herunter — und Thomas war Schützenkönig!

„Juchhe!" riefen alle und schwenkten die Hüte. „Der Thomas soll leben! Der Thomas vom Ochsenwirt hat den Ochsen gewonnen!"

Sie stürmten den Festplatz und hoben den glücklichen Schützen hoch.

„Auf den Ochsen mit ihm! Auf den Ochsen!"

„Mich auch!" rief die Vroni.

„Komm "rauf!" sagte Thomas. „Es ist ja auch dein Ochse!"

Wenn es nach ihnen gegangen wäre, so hätten die beiden auch gleich noch die kleine Hexe heraufgeholt, auf den Rücken des Ochsen Korbinian. Aber die wollte nicht. Thomas und Vroni mußten allein auf dem Ochsen zur Stadt reiten.

Vorneweg zog die Schützenkapelle und blies einen lustigen Marsch nach dem anderen. Hintennach folgten mit saueren Mienen der Hauptmann und seine Schützen. Die Leute winkten begeistert und riefen: „Bravo! Hoch lebe der Schützenkönig!"

Ein Herr von der Zeitung drängte sich unterwegs an die Kinder heran. Er schlug das Notizbuch auf, zückte den Bleistift und fragte: „Wann soll nun der Ochse gebraten werden?"

„Der Ochse wird überhaupt nicht gebraten", ent- gegnete Thomas. „Der kommt in den Stall, und dort bleibt er."

Die Glocken klangen, die Böller knallten, und niemand bemerkte die kleine Hexe, die hinter dem Festzelt zufrieden auf ihren Besen stieg und davonritt.

„Das ist dir mal wieder gelungen}" lobte Abraxas. „Ich denke, du hast deine Freitagshexerei damit wettgemacht."

Der Maronimann

Es war Winter geworden. Um das Hexenhaus heulte der Schneesturm und rüttelte an den Fensterläden. Der kleinen Hexe machte das wenig aus. Sie saß nun tagaus, tagein auf der Bank vor dem Kachelofen und wärmte sich den Rücken. Ihre Füße steckten in dicken Filzpantoffeln. Von Zeit zu Zeit klatschte sie in die Hände — und jedesmal, wenn sie klatschte, sprang eines der Holzscheite, die in der Kiste neben dem Ofen lagen, von selbst in das Feuerloch. Wenn sie aber gerade einmal Appetit auf

Bratäpfel hatte, so brauchte sie nur mit den Fingern zu schnalzen. Da kamen sofort ein paar Äpfel aus der Vorratskammer gerollt und hüpften ins Bratrohr.

Dem Raben Abraxas gefiel das. Er versicherte immer wieder aufs neue: „So läßt sich der Winter ganz gut aushalten!"

Aber die kleine Hexe verlor mit der Zeit allen Spaß an dem faulen Leben. Eines Tages erklärte sie mißmutig: „Soll ich vielleicht den ganzen Winter lang auf der Ofenbank sitzen und mir den Rücken wärmen? Ich brauche mal wieder Bewegung und frische Luft um die Nase. Komm, laß uns ausreiten!"

„Was!" rief Abraxas entsetzt. „Wofür hältst du mich eigentlich? Bin ich ein Eisvogel? Nein, diese Lausekälte ist nichts für mich! Besten Dank für die Einladung! Bleiben wir lieber daheim in der warmen Stube!"

Da sagte die kleine Hexe: „Na schön, wie du willst! Von mir aus kannst du zu Hause bleiben, dann reite ich eben allein. Vor der Kälte ist mir nicht bange, ich werde mich warm genug anziehen."

Die kleine Hexe zog sieben Röcke an, immer einen über den anderen. Dann band sie das große wollene Kopftuch um, fuhr in die Winterstiefel und streifte sich zwei Paar Fäustlinge über. So ausgerüstet, schwang sie sich auf. den Besen und flitzte zum Schornstein hinaus.

Bitter kalt war es draußen! Die Bäume trugen dicke, weiße Mäntel. Moos und Steine waren unter dem

Schnee verschwunden. Hie und da führten Schlittenspuren und Fußtapfen durch den Wald.

Die kleine Hexe lenkte den Besen zum nächsten Dorf. Die Höfe waren tief eingeschneit. Der Kirchturm trug eine Pudelmütze von Schnee. Aus allen Schornsteinen stieg der Rauch auf. Die kleine Hexe hörte im Vorüberreiten, wie die Bauern und ihre Knechte in den Scheunen das Korn droschen: Rum- pum-pum, rum-pum-pum.

Auf den Hügeln hinter dem Dorf wimmelte es von Kindern, die Schlitten führen. Auch Skifahrer waren darunter. Die kleine Hexe sah ihnen zu, wie sie um die Wette bergab sausten. Kurze Zeit später kam auf der Straße ein Schneepflug gefahren. Dem folgte sie eine Weile nach; dann schloß sie sich einem Schwärm Krähen an, der zur Stadt flog.

Ich will in die Stadt hineingehen, dachte sie, um mich ein wenig warm zu laufen. Inzwischen war es ihr nämlich trotz der sieben Röcke und zwei Paar Fäustlinge jämmerlich kalt geworden.

Den Besen brauchte sie diesmal nicht zu verstek- ken, sie schulterte ihn. Nun sah sie aus wie ein ganz gewöhnliches altes Mütterchen, das zum Schneeräumen ging. Niemand, der ihr begegnete, dachte sich etwas dabei. Die Leute hatten es alle eilig und stapften mit eingezogenen Köpfen an ihr vorüber.

Gar zu gern hätte die kleine Hexe wieder einmal einen Blick in die Schaufenster der Geschäfte geworfen. Aber die Scheiben waren ganz mit Eisblumen bedeckt. Der Stadtbrunnen war zugefroren, und von den Wirtshausschildem hingen lange Eiszapfen.

Auf dem Marktplatz stand eine schmale, grün gestrichene Holzbude. Davor stand ein eisernes Öfchen; und hinter dem Öfchen stand, mit dem Rücken zur Bude, ein kleines, verhutzeltes Männlein. Das trug einen weiten Kutschermantel und Filzschuhe. Den Kragen hatte es hochgeklappt, und die Mütze hatte es tief ins Gesicht gezogen. Von Zeit zu Zeit nieste das Männlein. Die Tropfen fielen dann stets auf die glühende Ofenplatte und zischten.

„Was machst du da?" fragte die kleine Hexe das Männlein

„Siehst du das nicht? Ich — haptschi! — ich brate Maroni."

„Maroni? Was ist das?"

„Kastanien sind es", erklärte das Männlein. Dann hob es den Deckel vom Öfchen und fragte sie: „Möchtest du welche? Zehn Pfennig die kleine Tüte und zwanzig die große. Ha-a-ptschi!"

Der kleinen Hexe stieg der Duft der gerösteten Kastanien in die Nase. „Ich möchte ganz gern einmal davon kosten, aber ich habe kein Geld mit."

„Dann will ich dir ausnahmsweise ein paar umsonst geben", sagte das Männlein. „Bei dieser Bärenkälte wirst du was Warmes vertragen können. Hap- tschi, daß es wahr ist!"

Das Männlein schneuzte sich in die Finger. Dann langte es eine Handvoll Kastanien aus dem Bratrohr

und tat sie in eine Tüte von braunem Packpapier. Die gab es der kleinen Hexe und sagte:

„Da, nimm sie! Aber bevor du sie in den Mund steckst, mußt du sie abschälen."

„Danke schön", sagte die kleine Hexe und kostete. „Hm, die sind gut!" rief sie überrascht; und dann meinte sie:

„Weißt du, dich könnte man fast beneiden! Du hast eine leichte Arbeit und brauchst nicht zu frieren, weil du am warmen Ofen stehst."

„Sage das nicht!" widersprach das Männlein. „Wenn man den ganzen Tag in der Kälte steht, friert man trotzdem. Da hilft auch das eiserne Öfchen nichts. Daran verbrennt man sich höchstens die Finger, wenn man die heißen Maroni herausholt. — Haptschi! — Aber sonst? Meine Füße sind ein Paar Eiszapfen, sage ich dir! Und die Nase erst! Ist sie nicht rot wie eine Christbaumkerze? Den Schnupfen werde ich nicht mehr los. Es ist zum Verzweifeln!"