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Wie zur Bekräftigung nieste das Männlein schon wieder. Es nieste so herzzerreißend, daß die Holzbude wackelte und der Markt davon widerhallte.

Da dachte die kleine Hexe: Dem können wir abhelfen! Warte mal... Und sie murmelte einen Zauberspruch, aber heimlich. Dann fragte sie:

„Ist dir noch immer kalt an den Zehen?"

„Im Augenblick nicht mehr", sagte das Männlein. „Ich glaube, die Kälte hat etwas nachgelassen. Ich merke es an der Nasenspitze. Wie kommt das nur?"

„Frag mich nicht", sagte die kleine Hexe, „ich muß jetzt nach Hause reiten."

„Nach Hause — reiten?!"

„Habe ich etwas von reiten gesagt? Du wirst dich verhört haben."

„Muß wohl so sein", sprach das Männlein. — „Auf Wiedersehen!"

„Auf Wiedersehen", sagte die kleine Hexe. „Und danke schön!"

„Bitte sehr, bitte sehr, keine Ursache!"

Bald danach kamen zwei Buben über den Marktplatz gelaufen, die riefen: „Schnell, schnell, Herr

Maronimann! Jedem von uns für ein Zehnerl!"

„Jawohl, bitte schön, zweimal für ein Zehnerl!"

Der Maronimann griff in das Bratrohr.

Aber zum erstenmal in seinem ganzen langen Maronimannleben verbrannte er sich an den heißen Kastanien nicht die Finger. Er verbrannte sie sich überhaupt nie mehr. Und es fror ihn auch nie mehr an den Zehen. Und auch an der Nase nicht. Der Schnupfen war für alle Zeiten wie weggeblasen. Und wenn er doch einmal wieder niesen wollte, so mußte der gute Maronimann eine Prise Schnupftabak nehmen.

Besser als sieben Röcke

Als die kleine Hexe ums Dunkelwerden wieder nach Hause kam, wollte der Rabe Abraxas gleich wissen, wie es ihr auf dem Ausritt ergangen sei. Aber die kleine Hexe entgegnete zähneklappernd:

„D-das w-will ich dir sp-päter erzählen. Zu allererst m-muß ich mir einen T-Tee kochen, w-weil mir so k- kalt ist, d-daß ich k-kaum sp-prechen kann."

„Siehst du wohl!" krächzte Abraxas, „das hast du nun davon, daß du bei dieser Hundekälte unbedingt ausreiten mußtest! Aber du hast ja nicht auf mich hören wollen!"

Die kleine Hexe kochte sich einen großen Topf Kräutertee. Den süßte sie mit viel Zucker. Dann schlürfte sie von dem heißen Gebräu. Das tat ihr sehr wohl, und bald wurde ihr wieder wärmer. Da zog sie die sieben Röcke bis auf den untersten aus, streifte Schuhe und Strümpfe ab, fuhr in die Filzpantoffeln und sagte: „Daß ich erbärmlich gefroren habe, will ich ja nicht bestreiten. Aber ich sage dir: Schön war es trotzdem!"

Sie setzte sich auf die Ofenbank und begann zu erzählen. Der Rabe Abraxas hörte ihr schweigend zu.

Erst nach der Geschichte mit dem Maronimann unterbrach er sie und warf ein:

„Also weißt du, allmählich verstehe ich überhaupt nichts mehr! Diesem Maronimann hilfst du mit deiner Hexerei gegen die Kälte, aber dir selbst hast du nicht geholfen? Was soll man da als vernünftiger Rabe sagen?"

„Wie meinst du das?" fragte die kleine Hexe.

„Wie werde ich das schon meinen! Wenn ich du wäre und hexen könnte, dann brauchte ich ganz gewiß keinen Kräutertee, um mich aufzuwärmen! Ich würde es gar nicht erst so weit kommen lassen!"

„Aber ich habe doch alles getan, was ich tun konnte!" sagte die kleine Hexe. „Ich habe mir zwei Paar Fäustlinge angezogen, die Winter Stiefel, das wollene Kopftuch und sieben Röcke ..."

„Ach was!" rief Abraxas. „Ich wüßte ein Mittel gegen den Frost, das ist besser als sieben Röcke!"

„Besser als sieben Röcke?"

„Viel besser! So wahr ich ein Rabe bin und Abraxas heiße!"

Die kleine Hexe verstand ihn noch immer nicht. „Sage mir", bat sie ihn, „was ich nach deiner Meinung versäumt habe. Aber du mußt es schon deutlicher sagen und darfst nicht immer in Rätseln sprechen."

„Spreche ich etwa in Rätseln?" fragte Abraxas. — „Die Sache ist doch so klar wie nur was! Wenn du hexen kannst, daß der Maronimann nicht zu frieren braucht — warum kannst du dann, bitte sehr, nicht das gleiche für dich hexen?"

„Ach!" rief die kleine Hexe und faßte sich an die Stirn, „das ist wahr! Wie kommt es nur, daß mir das nicht schon früher eingefallen ist? Du hast recht! Wozu bin ich denn eigentlich eine Hexe?"

„Eben, eben", stimmte Abraxas zu. „Manchmal scheinst du es ganz zu vergessen. Nur gut, daß du

jemanden hast, der dich ab und zu wieder daran erinnert!"

Die kleine Hexe nickte zu diesen Worten eifrig und sagte:

„Ja, ja, du bist wirklich der weiseste Rabe, der jemals aus einem Ei geschlüpft ist! Selbstverständlich werde ich deinen Rat auf der Stelle befolgen. Und wenn es dir recht ist, so will ich auch dich mit dem Hexenspruch gegen die Kälte besprechen, damit du in Zukunft nicht mehr daheim bleiben mußt, wenn ich ausreite."

„Einverstanden!" sagte Abraxas, ,,du darfst ruhig auch mir einmal etwas Gutes tun!"

Da hexte die kleine Hexe, daß sie und der Rabe nicht mehr zu frieren brauchten. Von nun an konnten sie auch bei der grimmigsten Kälte spazierenreiten, ohne daß sie vom Frost etwas spürten. Sie brauchten sich weder besonders dick anzuziehen, noch hatten sie hinterher einen Kräutertee nötig.

Und Schnupfen bekamen sie auch nicht, obwohl sie von jetzt an fast jeden Tag unterwegs waren.

Schneemann, Schneemann, braver Mann!

Es war ein schöner, sonniger Wintertag. Der Himmel erstrahlte in klarem Blau. Der Schnee leuchtete weiß und rein wie ein irisch gewaschenes Leintuch. Die kleine Hexe saß mit dem Raben Abraxas am Waldrand und sonnte sich. Auf einmal vernahmen sie Kinderstimmen und fröhlichen Lärm in der Nähe. Die kleine Hexe schickte den Raben Abraxas aus, daß er nachsehe, was es da gäbe. Als er nach einer Weile zurückkehrte, sagte er:

„Ein paar Kinder sind es, so kleine Stöpsel von sechs oder sieben Jahren. Die bauen sich auf der Wiese, hinter den Hecken dort, einen Schneemann."

„Den muß ich mir ansehen!" sagte die kleine Hexe. Und weil es ja bis zu der Wiese hinter den Hecken nicht weit war, ging sie zu Fuß hin.

Der Schneemann war eben fertig geworden. Er trug im Gesicht eine lange Mohrrübennase und Augen aus Kohlenstückchen. Sein Hut war ein alter, verbeulter Kochtopf. In der rechten Hand hielt er stolz einen Reisigbesen.

Die Kinder bemerkten die kleine Hexe nicht, als sie hinter der Hecke hervortrat. Sie hielten sich an den Händen gefaßt und umtanzten den Schneemann.

Sie hüpften dabei von einem Bein auf das andere. Dazu sangen sie:

„Schneemann, Schneemann, braver Mann, hast ein weißes Röcklein an! 
Trägst auf deinem dicken Kopf einen alten Suppentopf! 
Rübennase im Gesicht — Schneemann, Schneemann, friert dich nicht?"

Die kleine Hexe freute sich über den prächtigen Schneemann und über die Kinder. Am liebsten hätte sie mitgetanzt.

Aber da kamen mit einemmal aus dem nahen Wald ein paar große Jungen hervorgestürmt, sieben an der Zahl. Die stürzten sich mit Geschrei auf den Schneemann und warfen ihn um. Den Suppentopf traten sie mit den Füßen. Den Besenstiel brachen sie mitten entzwei. Und den Kindern, die eben noch fröhlich getanzt hatten, rieben sie die Gesichter mit Schnee ein. Wer weiß, was sie sonst noch mit ihnen getrieben hätten, wenn nicht die kleine Hexe dazwischengefahren wäre.