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Daher war es höchst unwahrscheinlich gewesen, daß der Admiral über gegenwärtige Geheimdienstaktivitäten Bescheid wußte. Aber er stand Robert näher als jeder andere — natürlich abgesehen von Susan. Und Robert hatte das Bedürfnis gehabt, mit jemandem zu reden.

Der Kaffee war fertig. Er schmeckte bitter. Robert fragte sich, ob die Bohnen wohl aus Brasilien kamen.

Er nahm die Kaffeetasse mit ins Bad und betrachtete dort sein Spiegelbild. Vor sich hatte er einen Mann Anfang Vierzig, groß, hager und sportlich durchtrainiert, mit kantigem Gesicht, kräftigem Kinn, schwarzem Haar und wachen, forschenden dunklen Augen. Schräg über seine Brust zog sich eine tiefe Narbe — ein Andenken an eine Bruchlandung mit dem Flugzeug. Aber das war gestern gewesen. In der Zeit mit Susan. Jetzt war heute — die Zeit ohne Susan.

Robert duschte, rasierte sich und trat an seinen Kleiderschrank im Schlafzimmer. Was soll ich heute anziehen? fragte er sich. Uniform oder Zivil? Aber welchen Unterschied macht das schon? Er entschied sich für einen dunkelgrauen Flanellanzug mit weißem Hemd und grauer Seidenkrawatte. Während er sich anzog, überlegte er, daß er eigentlich nur sehr wenig über die National Security Agency wußte — außer daß der PuzzlePalast über allen übrigen US-Geheimdiensten stand und noch geheimniskrämerischer als die anderen war. Was will die NSA von mir? Ich werd’s früh genug erfahren.

2

Die National Security Agency liegt diskret versteckt auf einem weitläufigen, mehr als dreiunddreißig Hektar umfassenden Gelände in Fort Meade, Maryland, und residiert dort in zwei Gebäuden, deren Grundfläche doppelt so groß ist wie die des CIA-Komplexes in Langley, Virginia. Zu den Hauptaufgaben der NSA gehören die technische Abschirmung amerikanischer Nachrichtenverbindungen und die Sammlung weltweiter Geheimdienstinformationen — und letzteres besorgt sie so gründlich, daß dort jeden Tag über vierzig Tonnen Dokumente in den Reißwolf wandern.

Es war noch dunkel, als Commander Robert Bellamy das erste Tor erreichte, das in einen zweieinhalb Meter hohen, mit

Stacheldraht bewehrten Maschendrahtzaun eingelassen war. Am Tor stand ein Wachhäuschen mit zwei bewaffneten Posten. Einer trat an den Wagen heran.»Sie wünschen, Sir?«

«Commander Bellamy. General Hilliard erwartet mich.«

«Bitte Ihren Dienstausweis, Commander.«

Robert Bellamy zog das Dokument, das ihn als Angehörigen des Marinenachrichtendiensts auswies, aus der Brieftasche und reichte ihn dem Mann. Der Posten studierte ihn aufmerksam und gab ihn dann zurück.»Danke, Commander.«

Bevor er den elektrischen Toröffner betätigte, nickte er dem zweiten Mann im Wachhäuschen zu, der daraufhin nach einem Telefonhörer griff, um zu melden:»Commander Bellamy ist unterwegs.«

Eine Minute später erreichte Robert Bellamy das geschlossene Tor im Elektrozaun.

Ein bewaffneter Posten trat an den Wagen.»Commander Bellamy?«

«Ja.«

«Bitte Ihren Dienstausweis, Commander.«

Robert wollte protestieren, aber dann dachte er: Wozu sich aufregen? Schließlich ist das ihr Zoo. Er zog wieder seinen Ausweis heraus und hielt ihn dem Posten unter die Nase.

«Danke, Commander. «Der Uniformierte winkte, und das Tor öffnete sich.

Robert Bellamy fuhr weiter und erblickte kurze Zeit später einen dritten Maschendrahtzaun. Mein Gott, dachte er, ich bin im Lande Oz!

Und wieder trat ein bewaffneter Uniformierter an den Wagen heran. Doch bevor Robert seinen Ausweis zücken konnte, warf der Posten einen Blick auf sein Kennzeichen und sagte:»Bitte fahren Sie geradeaus weiter zum Verwaltungsgebäude, Commander. Sie werden dort erwartet.«

«Danke.«

Das Tor öffnete sich, und Robert fuhr bis zu einem riesigen weißen Gebäude. Vor dem Haupteingang erwartete ihn ein Mann in Zivil.»Lassen Sie den Wagen einfach stehen, Commander!«rief er ihm zu.»Wir kümmern uns darum.«

Robert Bellamy stieg aus. Der Mann, der ihn begrüßte, war ein großer, hagerer, auffällig blasser Mittdreißiger. Er sah aus, als hätte er monatelang nicht mehr das Sonnenlicht erblickt.

«Mein Name ist Harrison Keller. Ich bringe Sie zu General Hilliard.«

Sie betraten die weitläufige, zwei Stockwerke hohe Eingangshalle. An der Tür saß ein Zivilist hinter einem Schreibtisch.»Commander Bellamy…«

Robert Bellamy drehte sich um. Er hörte den Auslöser einer Kamera klicken.

«Danke, Sir.«

Robert wandte sich an seinen Begleiter.»Was…?«

«Das dauert bloß ‘ne Minute«, versicherte ihm Harrison Keller.

Sechzig Sekunden später bekam Robert eine blau-weiße Ausweiskarte mit seinem Photo überreicht.

«Ihren Ausweis tragen Sie bitte deutlich sichtbar, solange Sie sich in diesem Gebäude aufhalten, Commander.«

«Wird gemacht.«

Nun marschierten sie einen endlos langen weißen Korridor hinunter. Robert stellte fest, daß dieser Flur lückenlos von Videokameras überwacht wurde.

«Wie groß ist dieses Gebäude?«

«Es hat fast zweihunderttausend Quadratmeter Grundfläche, Commander.«

«Was?«

«Ja. Dieser Flur ist mit rund dreihundert Metern der längste der Welt. Wir sind hier völlig autark. Wir haben ein Einkaufszentrum, eine Cafeteria, acht Schnellimbisse, einen PX, ein Krankenhaus mit OP, eine Zahnarztpraxis, eine Filiale der State Bank of Laurel, eine chemische Reinigung, ein Schuhgeschäft, einen Friseur und noch ein paar weitere Einrichtungen.«

Sie kamen an einem Saal mit einem Meer von Computern vorbei. Verblüfft blieb Robert stehen.

«Eindrucksvoll, nicht wahr? Dabei ist das nur einer unserer Computerräume. In dem gesamten Komplex stehen elektronische Geräte — Computer und Dechiffriermaschinen — im Wert von drei Milliarden Dollar.«

«Und wie viele Menschen arbeiten hier?«

«Ungefähr sechzehntausend.«

Wozu braucht ihr dann mich, verdammt noch mal? fragte sich Robert Bellamy.

Schließlich gelangten sie zu einem Privataufzug, dessen Tür Keller mit einem Schlüssel aufsperrte. Sie fuhren ein Stockwerk höher und wanderten abermals einen endlos langen Gang entlang, bis sie die Bürosuite am Ende des Korridors erreichten.

«Wir sind da, Commander. «Sie betraten ein großes Vorzimmer mit vier Arbeitsplätzen für Sekretärinnen. Zwei Sekretärinnen saßen bereits an ihren Schreibtischen. Harrison Keller nickte einer von ihnen zu, die daraufhin per Knopfdruck die Tür zum Dienstzimmer ihres Chefs entriegelte.

«Bitte gehen Sie gleich hinein, Gentlemen. Der General erwartet Sie.«

Robert Bellamy folgte Keller ins Allerheiligste. Er fand sich in einem geräumigen Büro wieder, dessen Decke und Wände mit schallschluckendem Material verkleidet waren. Davon abgesehen war der Raum behaglich möbliert und mit vielen Photos und persönlichen Andenken ausgestattet. Offensichtlich verbrachte der Mann, der jetzt vom Schreibtisch aufstand, hier einen großen Teil seiner Zeit.

General Mark Hilliard, der stellvertretende NSA-Direktor, mußte Mitte Fünfzig sein: ein hagerer Riese mit kantigem Gesicht und eisigen, stahlgrauen Augen. Zu seinem dunkel-grauen Anzug trug der General ein weißes Hemd und eine graue Krawatte. Richtig geraten! dachte Robert zufrieden.

«General, dies ist Commander Bellamy«, sagte Harrison Keller.

«Danke, daß Sie vorbeigekommen sind, Commander.«

Als ob er mir eine Einladung zum Tee geschickt hätte.

Die beiden Männer schüttelten sich die Hände.