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»Ich will das«, hatte Maury schon im Dezember ’78 gesagt. Und war losgezogen und hatte einen von der Federal Space Agency gefeuerten Elektroingenieur engagiert, in der Hoffnung, dass er uns eine neue Version der hypothalamusstimulierenden Orgel bauen würde.

Aber bei aller Begabung für Elektronik fehlte Bob Bundy doch jede Erfahrung mit Orgeln. Er hatte für die Regierung Simulacra-Schaltkreise entworfen. Simulacra sind diese künstlichen Menschen, die ich immer als Roboter bezeichnet habe; sie werden für die Erforschung des Mondes eingesetzt und dazu vom Cape aus hochgeschossen.

Die Gründe für Bundys Entlassung sind uns nicht ganz klar. Er trinkt, aber das beeinträchtigt seine Fähigkeiten nicht. Er läuft den Frauen nach, aber das tun wir doch alle. Vermutlich hat man ihn rausgeworfen, weil er ein Sicherheitsrisiko darstellte; kein Radikaler – Bundy wäre nie auch nur auf die Idee gekommen, dass es politische Vorstellungen gab –, doch ein Risiko in dem Sinne, dass er offenbar an leichter Hebephrenie leidet. Mit anderen Worten, er neigt zu spontanen Ausfällen. Seine Kleidung ist schmutzig, seine Haare sind ungekämmt, seine Wangen unrasiert, und er blickt einem nicht in die Augen. Er grinst blöde. Er ist, was die Psychiater vom Federal Bureau of Mental Health »verwahrlost« nennen. Wenn ihm jemand eine Frage stellt, will ihm einfach keine Antwort einfallen; er hat Sprachblockade. Doch was seine Hände angeht – die können etwas. Er macht seinen Job sehr gut. Also ist der McHeston Act nicht auf ihn anzuwenden.

Trotzdem hatte ich in den über drei Jahren, die Bundy für uns arbeitete, nicht eine Erfindung von ihm zu sehen bekommen. Da ich im Außendienst tätig war, hatte vor allem Maury mit ihm zu tun.

»Du hältst doch nur an dieser elektrischen Hawaiigitarre mit Keyboard fest«, sagte Maury zu mir, »weil dein Vater und dein Bruder die Dinger bauen. Deshalb willst du der Wahrheit nicht ins Gesicht sehen.«

»Jetzt greifst du aber zu einem ad hominem.«

»Ach, du und deine jüdische Gelehrsamkeit.« Maury war schon gut abgefüllt, wie alle anderen auch; der Bourbon war bereits ihre Kehlen hinabgeflossen, als ich noch draußen die lange, harte Strecke heruntergerissen hatte.

»Dann willst du die Partnerschaft aufkündigen?« In diesem Moment hätte ich es wegen Maurys abfälliger Bemerkung über meinen Vater und meinen Bruder und die ganze Rosen-Elektroorgelfabrik in Boise mit ihren siebzehn Vollzeitkräften am liebsten selbst getan.

»Ich sage nur, dass die neuesten Zahlen aus Vallejo und Umgebung das Ende für unser Hauptprodukt bedeuten. Trotz der 600.000 möglichen Tonkombinationen, von denen das menschliche Ohr manche noch nie gehört hat. Du bist genauso wie der Rest deiner Familie in diese Weltraum-Voodoo-Geräusche vernarrt, die euer Elektroschrott da von sich gibt. Und ihr habt noch den Nerv, dieses Ding ein Musikinstrument zu nennen. Von euch Rosens hat keiner ein Gehör. Ich würde mir keine Sechzehnhundert-Dollar- Rosen-Elektroorgel ins Haus stellen, selbst wenn ihr sie mir zum Selbstkostenpreis anbieten würdet. Da würde ich mir ja eher noch ein Vibrafon zulegen.«

»Na schön, du bist eben ein Purist. Und es sind nicht 600.000, sondern 700.000.«

»Diese aufgemotzten Schaltkreise heulen doch nur ein einziges Geräusch heraus, wie immer man es auch modifiziert. Eigentlich ist es nicht mehr als ein Pfeifen.«

»Man kann auf ihr komponieren.«

»Komponieren? Dieses Ding zu benutzen ist ungefähr so, als ob man Heilmittel für Krankheiten erfindet, die es gar nicht gibt. Ich sage, fackelt den Teil eurer Fabrik ab, in dem die Dinger produziert werden, oder stellt verdammt noch mal um, Louis. Stellt auf etwas Neues und Nützliches um, damit die Menschheit bei ihrem beschwerlichen Aufstieg etwas hat, an dem sie sich festhalten kann. Hörst du?« Maury stand schwankend da und hielt mir seinen langen Finger entgegen. »Wir sind jetzt im Weltall. Greifen zu den Sternen. Der Horizont der Menschheit hat sich geweitet. Hörst du?«

»Bin ja nicht taub. Aber soweit ich mich erinnere, waren es du und Bob Bundy, die sich eine Lösung für unsere Probleme einfallen lassen wollten. Und bisher ist nichts dabei herausgekommen.«

»Wir haben eine. Und wenn du sie siehst, wirst du zugeben müssen, dass sie eindeutig zukunftsorientiert ist.«

»Dann zeig sie mir.«

»Schön, fahren wir rüber zur Fabrik. Dein Vater und dein Bruder Chester sollten auch mitkommen. Das ist nur fair, schließlich werden sie sie bauen.«

Ein Glas in der Hand, stand Bundy da und grinste mich auf seine verstohlene Art an. Diese ganze zwischenmenschliche Kommunikation machte ihn offenbar nervös.

»Ihr Burschen werdet uns noch ruinieren«, sagte ich zu ihm. »Ich spüre das.«

»Wir stehen ohnehin vor dem Ruin«, erwiderte Maury, »wenn wir an eurer Wolfgang-Monteverdi-Orgel festhalten, oder wie immer sie dein Bruder diesen Monat nennt.«

Darauf fiel mir nichts ein. Bedrückt mixte ich mir einen Drink.

 Zwei

Der Mark VII Saloon Jaguar ist ein riesiges, weißes Auto, ein Sammlerstück, mit Nebelscheinwerfern, einem Kühlergrill wie beim Rolls Royce, Armaturen aus handpoliertem Walnussholz, Ledersitzen und viel Innenraumbeleuchtung. Maury hielt seinen 54er Mark VII in tadellosem Zustand und perfekt eingestellt, aber auf dem Freeway, der Ontario mit Boise verbindet, konnten wir nicht schneller als neunzig Meilen fahren.

Das Spaziertempo machte mich ganz unruhig. »Ich wünschte, du würdest endlich mit dem Erklären anfangen, Maury. Bring mir die Zukunft gleich jetzt nahe, so gut es in Worten eben geht!«

Hinter dem Steuer zog Maury an seiner Corina-Sport-Zigarre und lehnte sich zurück. »Was geht Amerika heutzutage im Kopf herum?«

»Sex.«

»Nein.«

»Die inneren Planeten des Sonnensystems zu beherrschen, bevor die Russen so weit sind.«

»Nein.«

»Na schön, sag du’s mir.«

»Der Bürgerkrieg von 1861.«

»Das glaubst du wohl selbst nicht.«

»Doch, mein Freund. Dieses Land ist besessen vom Krieg zwischen den Nord- und Südstaaten. Und ich sag dir, warum. Er ist das erste und einzige Nationalepos, an dem wir teilhatten – darum.« Er blies Zigarrenrauch in meine Richtung. »Er hat aus uns Amerikanern Männer gemacht.«

»Mir geht er nicht im Kopf herum.«

»Halte in irgendeiner Großstadt der USA an einer belebten Straßenkreuzung und frag zehn Passanten, was ihnen im Kopf herumgeht – sechs davon würden antworten: ›Der amerikanische Bürgerkrieg von 1861.‹ Seit mir das vor ungefähr einem halben Jahr klargeworden ist, habe ich mir darüber Gedanken gemacht, was man damit anfangen kann. Ich glaube, es ist von eminenter Wichtigkeit für MASA Associates. Wenn wir das wollen. Wenn wir bereit sind. Erinnerst du dich noch an die Hundert-Jahr-Feiern?«

»Ja. 1961.«

»Ein Reinfall. Eine Handvoll Leute ist losgezogen und hat ein paar Schlachten nachgespielt, und das war’s. Schau mal auf die Rückbank.«

Ich knipste die Innenbeleuchtung an, drehte mich um und sah auf der Rückbank ein langes, in Zeitungspapier gewickeltes Bündel von der Form einer Schaufensterpuppe. Aus dem mangelnden Brustumfang schloss ich, dass es sich nicht um eine Frau handelte. »Ja, und?«

»Das ist es. Daran habe ich gearbeitet.«

»Während ich kreuz und quer durch das Land gefahren bin!«

»Genau. Das hier wird, nach einer gewissen Anlaufzeit, den Verkauf von Kleinklavieren und Elektroorgeln dermaßen in den Schatten stellen, dass uns ganz schwummrig werden wird.« Maury nickte entschieden. »Wenn wir also in Boise ankommen… Hör zu, ich will nicht, dass uns dein Vater oder Chester das Leben schwer machen. Deshalb weihe ich dich jetzt schon ein. Diese Maschine da hinten ist Millionen wert, für uns oder wer sonst zufällig darüber stolpert. Ich hätte gute Lust, irgendwo anzuhalten und sie dir zu demonstrieren. Vielleicht an irgendeinem Imbiss. Oder an einer Tankstelle. Jedenfalls irgendwo, wo es hell ist.« Er wirkte jetzt sehr angespannt, seine Hände zitterten stärker als sonst.