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Und der liebe Publius Rutilius Rufus mit dem sandgelben Haar, der Lieblingsschüler des Philosophen Panaitios, der von Scipio und seinen Freunden so bewundert worden war, ein Dichter und Denker, ein Soldat und Politiker mit außerordentlichen Fähigkeiten? Im gleichen Jahr, in dem Marius mit knapper Not Prätor geworden war, war Publius Rutilius um das Amt des Konsuls betrogen worden, nicht nur wegen seiner bescheidenen Herkunft, sondern weil er sich die Familie Caecilius Metellus zum Feind gemacht hatte. Damit war er - wie Jugurtha - automatisch auch der Feind des Marcus Aemilus Scaurus geworden.

Und Gaius Marius - nun, Quintus Caecilius Metellus Schweinebacke würde sagen, er habe es weiter gebracht, als ein ungebildeter italischer Bauer verdiente. Warum hatte er sich überhaupt für die politische Laufbahn entschieden? Ganz einfach: weil Scipio Aemilianus ihm dazu geraten hatte. Für die Provinz sei er zu schade, hatte Scipio Aemilianus gesagt. Und was für seine Entscheidung noch wichtiger gewesen war: Solange er nicht Prätor war, durfte er keine römische Armee befehligen.

Marius hatte sich als Militärtribun zur Wahl gestellt und diese Hürde mit Leichtigkeit genommen. Dann ließ er sich zum Quästor wählen, wurde von den Zensoren bestätigt und fand sich im Senat von Rom wieder. Eine außergewöhnliche Karriere! Seine Familie in Arpinum war überwältigt. Bei der ersten Wahl zum Volkstribunen war er durchgefallen, beim zweitenmal hatte merkwürdigerweise Caecilius Metellus ihn unterstützt. Caecilius Metellus und seine Parteigänger glaubten, ihn damit in der Hand zu haben - bis er sie vom Gegenteil überzeugte, indem er sich mit aller Macht dafür einsetzte, daß die Unabhängigkeit der concilia plebis, der Versammlung der Plebs, gewahrt blieb. Lucius Caecilius Metellus Delmaticus hatte versucht, ein Gesetz durchzudrücken, das die gesetzgebende Gewalt der Versammlung der Plebs beschneiden sollte. Gaius Marius hatte sein Veto eingelegt und sich weder mit guten Worten noch durch Zwang dazu bringen lassen, das Veto zurückzunehmen.

Aber das war ihn teuer zu stehen gekommen. Nach dem Jahr als Volkstribun hatte er sich um das Amt des Ädilen beworben, aber die Meteller hatte ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Als er sich um das Amt des Prätors bewarb, stieß er auf dasselbe Hindernis. Angeführt von Metellus Delmaticus, hatten sie ihn mit den üblichen Nachreden diffamiert: Er sei impotent, verführe kleine Jungen, esse Exkremente, gehöre bacchischen und orphischen Geheimkulten an, nehme Bestechungsgelder und schlafe mit Schwester und Mutter. Seine Gegner hatten sich aber auch noch einer subtileren Art der Verleumdung bedient, die vielleicht noch wirkungsvoller war: Sie wiesen bei jeder Gelegenheit darauf hin, daß Gaius Marius kein Römer sei. Rom aber bringe genug fähige Männer hervor, kein Römer habe es daher nötig, einen Gaius Marius zum Prätor zu wählen. Ein überzeugendes Argument.

Am stärksten traf Gaius Marius der Vorwurf, er sei aufgrund seiner mangelnden Griechischkenntnisse kein akzeptabler Kandidat. Dabei entsprach dieses Gerücht keineswegs den Tatsachen. Sein Griechisch war ausgezeichnet. Seine Lehrer waren allerdings kleinasiatische Griechen aus Lampsakos am Hellespont und Amisus an der Schwarzmeerküste gewesen, Gaius Marius sprach Griechisch deshalb mit einem Akzent, der ihn als einfachen, ungebildeten Mann aus der Provinz brandmarkte. Aus Verdruß über die vielen Spötteleien hatte er es schließlich ganz aufgegeben, jene Sprache zu sprechen, die als Beweis einer standesgemäßen Bildung galt.

Immerhin war er dann doch Prätor geworden, wenn auch mit den wenigsten Stimmen. Und er hatte die kurz nach der Wahl gegen ihn erhobene Anklage wegen Bestechung niederschlagen können. Bestechung! Damals hatte er gar nicht das Geld gehabt, sich ein Amt zu kaufen! Zum Glück hatten seine Wähler mit ihm in der Armee gedient oder von seinen militärischen Leistungen gehört, und militärische Leistungen hatten die Römer schon immer beeindruckt.

Der Senat hatte ihn zum Statthalter von Hispania Ulterior ernannt und gehofft, daß er dort in der Ferne in Vergessenheit geraten und resignieren würde. Statt dessen hatte dort sein Aufstieg begonnen.

Die Spanier, vor allem die unzivilisierten Stämme im Westen und Nordwesten, pflegten einen Kampfstil, der weder den römischen Feldherren noch den römischen Legionären behagte. Sie scherten sich nicht um die Regel, lieber in einer Entscheidungsschlacht alles aufs Spiel zu setzen, als die unübersehbaren Kosten eines endlosen Krieges zu riskieren. Die Spanier waren entschlossen, so lange zu kämpfen, bis sie ihre Unabhängigkeit erstritten hatten.

Da ihnen aber die Mittel für eine langdauernde militärische Auseinandersetzung fehlten, führten sie einen Partisanenkrieg. Sie stellten sich nie der offenen Schlacht, sondern kämpften aus Hinterhalten, zettelten Überfälle und Attentate an und zerstörten feindliche Stützpunkte. Römische Stützpunkte. Immer tauchten sie überraschend auf, nie marschierten sie in Reih und Glied, und nie wußte man genau, wie viele sie waren. Plötzlich waren sie da, griffen an und verschwanden wieder spurlos in den unheimlichen Bergklüften, als ob es sie nie gegeben hätte. Kontrollierten die Römer ein Städtchen, das nach Berichten römischer Spitzel in einen Überfall verwickelt war, trafen sie dort nur friedfertige, unschuldige Leute an, so harmlos wie brave Esel.

Spanien war ein unermeßlich reiches Land. Seit tausend Jahren wurde das Land von fremden Völkern heimgesucht, die versuchten, sich ihren Teil vom Reichtum des Landes abzuschneiden. Die iberischen Ureinwohner hatten sich mit den Kelten vermischt, mit maurischen Berbern, mit Phöniziern aus den syrischen Küstenstäden, und mit Griechen. Vor zweihundert Jahren waren die Karthager gekommen, selbst Nachfahren der syrischen Phönizier, und damit war es um Spaniens relativ isolierte Stellung endgültig geschehen. Die Karthager beuteten die spanischen Bodenschätze aus: Gold, Silber, Blei, Zink, Kupfer und Eisen. Das spanische Erz begründete ihre Macht.

Die Karthager waren ein Seefahrervolk und hatten auch Sizilien, Sardinien und Korsika unterworfen, was zwangsläufig zum Konflikt mit Rom führte. Nach drei Kriegen, die zusammen über hundert Jahre dauerten, war Karthago vernichtet, und Rom hatte seine ersten überseeischen Besitzungen erworben, darunter die spanischen Minen.

Die praktisch veranlagten Römer hatten gleich erkannt, daß Spanien am besten von zwei verschiedenen Stellen aus regiert wurde, und die Halbinsel in zwei große Provinzen gegliedert, Hispania Citerior und Hispania Ulterior. Der Statthalter von Hispania Ulterior kontrollierte den gesamten Süden und Westen des Landes, und seine Hauptstadt war die mächtige alte Phönizierstadt Gades an der Mündung des Guadalquivir mit ihrem üppigen, sagenhaft fruchtbaren Hinterland. Der Statthalter von Hispania Citerior kontrollierte den Norden und Osten der Halbinsel vom Küstenstreifen gegenüber den Balearen aus. Seine Hauptstadt verlegte er je nach Bedarf und Eingebung. Die weiter entfernt liegenden Regionen im Westen und Nordwesten, Lusitanien und Cantabrien, blieben weitgehend unberührt.

Trotz des Denkzettels, den Scipio Aemilianus den iberischen Stämmen bei Numantia erteilt hatte, gaben diese ihren Widerstand keineswegs auf. Als Gaius Marius sich als Statthalter von Hispania Ulterior mit dieser gespannten Situation konfrontiert sah, beschloß er, die Stämme mit ihren eigenen Mitteln zu bekämpfen - mit großem Erfolg: Er konnte die Grenze des römischen Spaniens bis nach Lusitanien vorschieben, in jenes gewaltige, an Erzen reiche Bergmassiv, wo der Guadalquivir, der Guadiana und der Tejo entspringen.