Выбрать главу

»Nur herein!« begrüßte Gaius Julius Caesar seinen Gast an der Tür. Er streckte die feingliedrigen Hände aus, um ihm das sagum abzunehmen, reichte den Umhang jedoch nicht gleich angeekelt dem bereitstehenden Sklaven weiter, sondern strich zuerst anerkennend über den groben Stoff. »Der hat sicher einige Schlachten mitgemacht«, sagte er. Über Marius’ protziges Gewand in Gold und Purpur verlor er kein Wort.

»Mein Vater hat mir den Umhang geschenkt, als ich mit siebzehn Soldat wurde«, erwiderte Gaius Marius. »Als ich dann selbst für die Ausrüstung der Legionen verantwortlich war, habe ich meine Männer mit denselben Mänteln versorgt - denn wie können sie gesund bleiben, wenn sie bis auf die Knochen durchnäßt und durchgefroren sind.« Gaius Marius ging an seinem Gastgeber vorbei ins Eßzimmer, ohne auf die bescheidene, einfache Einrichtung des Hauses zu achten.

Caesar nahm auf der linken Seite des mittleren Sofas Platz und bedeutete seinem Gast, sich zu seiner Rechten, auf dem Ehrenplatz, niederzulassen. Sklaven zogen ihnen die Schuhe aus und reichten ihnen Strümpfe, da Gaius Marius kein qualmendes Kohlenbecken im Zimmer haben wollte. Dann streckten die beiden Männer sich bequem aus und schoben die Kissen so zurecht, daß sie den linken Ellbogen aufstützen konnten. Der Mundschenk näherte sich, gefolgt von einem Sklaven, der die Becher trug.

»Meine Söhne kommen gleich«, sagte Caesar. »Die Damen werden erst zum Essen erscheinen.« Er bedeutete dem Mundschenk mit einer Geste, innezuhalten. »Ich hoffe, Gaius Marius, daß du mich nicht für geizig hältst, wenn ich dich höflich bitte, wie ich den Wein mit Wasser zu mischen. Ich habe dafür einen guten Grund, den ich dir aber noch nicht verraten will. Der einzige Grund, den ich dir im Moment nennen kann, ist, daß wir beide bei klarem Verstand bleiben sollten. Außerdem lieben die Damen es gar nicht, wenn wir Männer den Wein unverdünnt trinken.«

»Übermäßiger Weingenuß gehört nicht zu meinen Lastern«, sagte Gaius Marius. Sein Becher war noch nicht zur Hälfte gefüllt, als er die Hand hob und den Rest bis zum Rand mit Wasser auffüllen ließ. »Ein Gast, der auf sich hält, sollte die Zunge zum Reden, nicht zum unmäßigen Trinken benutzen.«

»Trefflich gesprochen!« rief Caesar lächelnd.

»Aber du hast mich außerordentlich neugierig gemacht!«

»Im Laufe des Abends wirst du alles erfahren.«

Das Gespräch verstummte. Die beiden Männer nippten etwas unbehaglich an ihrem stark verdünnten Wein. Sie kannten sich nur vom Sehen aus dem Senat.

Schließlich räusperte Caesar sich und setzte seinen Becher ab. »Ich könnte mir vorstellen, daß du über den diesjährigen Magistrat nicht sonderlich erbaut bist, Gaius Marius.«

»Bei den Göttern, nein! Genausowenig wie du vermutlich. «

»Ein kläglicher Haufen. Manchmal frage ich mich, ob es richtig ist, an der einjährigen Amtszeit festzuhalten. Wenn wir einmal einen wirklich guten Mann haben, wäre es vielleicht besser, wenn er länger im Amt bleiben könnte.«

»Ein verführerischer Gedanke«, sagte Marius, »und wenn die Menschen nicht Menschen wären, würde es vielleicht gehen. Aber die Sache hat einen Haken.«

»Einen Haken?«

»Wer garantiert uns, daß der Mann wirklich gut ist? Er selbst? Der Senat? Die Versammlung der Plebs? Die Ritter? Die Wahlmänner, die über jede Bestechung so haushoch erhaben sind?«

Caesar lachte. »Nun, ich denke doch, Gaius Gracchus war ein guter Mann. Als er sich zum zweiten Mal als Volkstribun aufstellen ließ, habe ich ihn vorbehaltlos unterstützt - bei der dritten Bewerbung ebenfalls. Nicht, daß meine Unterstützung als Patrizier viel geholfen hätte.«

»Da hast du es, Gaius Julius«, sagte Marius düster. »Wann immer Rom einen guten Mann hervorbringt, wird er zu Fall gebracht. Und warum? Weil er sich mehr um die Geschicke Roms kümmert als um Familie, Parteigänger und Geld.«

»Das ist kaum eine Besonderheit der Römer«, sagte Caesar stirnrunzelnd. »Die Menschen sind überall so. Was Machtgier und Neid betrifft, kann ich zwischen Römern, Griechen, Karthagern, Syrern und wem sonst auch immer keinen Unterschied entdecken. Ein guter Mann kann sich nur auf eine Weise an der Macht halten. Er muß König sein. Wenn nicht dem Titel, so doch der Stellung nach.«

»Rom würde niemals einen König dulden«, antwortete Marius.

»Zumindest hat es seit fünfhundert Jahren keinen König mehr gehabt. Die meisten Völker bevorzugen die Alleinherrschaft eines Mannes. Nicht so wir Römer. Die Griechen übrigens auch nicht.«

Marius mußte lachen. »Aber nur, weil es in Rom und Griechenland so viele Männer gibt, die sich selbst für Könige halten. Rom ist wahrhaftig keine echte Demokratie geworden, nachdem wir die Könige verjagt hatten.«

»Natürlich nicht! Die echte Demokratie ist nur eine Idee der griechischen Philosophie - ein unerreichbares Ideal. Sieh dir das Chaos bei den Griechen an. Rom ist eigentlich eine Oligarchie, eine Herrschaft von wenigen über viele. Die Herrschaft der großen Geschlechter.«

»Und manchmal auch die Herrschaft eines homo novus«, ergänzte Gaius Marius, der selbst ein homo novus war.

Caesar nickte gelassen. »Manchmal auch das.«

Caesars Söhne betraten das Eßzimmer. Ihr Benehmen war von Bescheidenheit und Ehrerbietung und zugleich männlichem Selbstbewußtsein geprägt, wie es sich für junge Männer gebührte. Sextus Julius Caesar, der ältere, fünfundzwanzig Jahre alt, war großgewachsen und hatte hellbraunes Haar und graue Augen. Gaius Marius’ in der Beurteilung junger Männer erprobter Blick entdeckte einen merkwürdigen Schatten auf seinem Gesicht: Die Augen wirkten erschöpft, und die Lippen, obgleich wohlgeformt, waren fest zusammengepreßt.

Der junge Gaius Julius Caesar, der in diesem Jahr zweiundzwanzig wurde, war kräftiger als sein Bruder und noch größer und hatte goldblondes Haar und helle blaue Augen. Außerordentlich intelligent, aber nicht genug Durchsetzungsvermögen, dachte Marius.

Trotzdem waren die beiden gutaussehenden jungen Römer eine Augenweide, wie sie sich kein Senator schöner wünschen konnte. Die Senatoren von morgen.

»Du kannst dich glücklich schätzen mit solchen Söhnen, Gaius Julius«, sagte Marius. Die beiden jungen Männer ließen sich auf dem Sofa zur Rechten ihres Vaters nieder. Das Sofa links von Marius würde leer bleiben, es sei denn, noch mehr Gäste kamen, oder die Frauen dieses Hauses hatten die neumodische Unart, im Liegen zu speisen.

»Ja, ich kann mich wirklich glücklich schätzen.« Lächelnd blickte Caesar auf seine Söhne, und aus seinen Augen sprach Achtung und Liebe. Dann stützte er sich auf den Ellbogen und sah Marius mit höflichem Interesse an. »Du hast keine Söhne?«

»Nein«, antwortete Marius ohne Bedauern.

»Aber du bist verheiratet?«

»Ich glaube ja!« Marius lachte. »Wir Soldaten sind doch alle gleich. Wir sind mit der Armee verheiratet.«

»Das soll vorkommen«, sagte Caesar und wechselte das Thema.

Sie verbrachten die Zeit bis zum Essen in gepflegter, heiterer und, wie Marius fand, sehr ausgewogener Unterhaltung. In diesem Haus hatte es niemand nötig, den anderen im Gespräch herabzusetzen. Der männliche Teil der Familie gefiel ihm, und nun war er auf die Frauen gespannt.

Da traten sie auch schon ein, Marcia und die beiden Julias. Hinreißend! Absolut hinreißend, auch die Mutter. Die Diener stellten drei Stühle für sie in das von den Sofas gebildete Hufeisen, so daß Marcia gegenüber ihrem Mann zu sitzen kam, Julia gegenüber Gaius Marius und Julilla gegenüber ihren beiden Brüdern. Amüsiert sah Marius, wie Julilla ihren Brüdern die Zunge herausstreckte, sobald ihre Eltern nicht hersahen und sie sich der Aufmerksamkeit des Gastes sicher war.

Das Essen war einfach, aber vorzüglich zubereitet. Der Eigengeschmack des Fleisches, der Gemüse und der Früchte wurde nicht von garum, der scharfen Fischsoße, und exotischen Gewürzmischungen aus dem Osten überdeckt. So zubereitetes Essen mochte der Soldat Marius am liebsten.