»Bevor wir darüber sprechen, hätte ich gern von dir gewußt, wie ich dieses Gerücht ausmerzen kann, Gaius Julius.«
»Indem du eine meiner Töchter heiratest. Wenn ich dir eine meiner Töchter zur Frau gebe, heißt das, daß ich nicht an das Gerücht glaube. Und erzähle die Geschichte von dem spanischen Schweinekoben jedem, der sie hören will! Vielleicht bringe ich Publius Rutilius Rufus dazu, daß er sie bestätigt.« Caesar lächelte. »Das stelle ich mir komisch vor: ein Caecilius Metellus inmitten von Schweinen - und nicht einmal römischen Schweinen!«
»Es war komisch«, erwiderte Marius kurz angebunden. »Was ist mit der anderen Verleumdung?«
»Man sagt, du seist Geschäftsmann.«
Marius verschlug es den Atem. »Aber - ich betreibe keine anderen Geschäfte als drei Viertel der Senatoren. Ich besitze keinerlei Firmenanteile, die mir das Recht oder die Macht geben, in die Geschicke einer Firma einzugreifen! Ich bin nur ein stiller Teilhaber, ein Kapitalgeber! Wird tatsächlich von mir behauptet, ich sei aktiv in Geschäften tätig?«
»Das natürlich nicht! Niemand läßt sich genauer darüber aus, mein lieber Gaius Marius. Man tut dich einfach mit einem verächtlichen Lächeln ab, mit dem Satz: ›Er betreibt Geschäfte.‹ Damit kann alles gemeint sein, auch wenn nie etwas Konkretes gesagt wird. Wer nicht genauer nachfragt, gewinnt den Eindruck, deine Vorfahren seien seit Generationen im Geschäft und du selbst seist im Besitz der verschiedensten Firmen.«
»Ich bin nicht mehr Geschäftsmann als ein Caecilius Metellus. Wahrscheinlich sogar weniger.«
»Gut möglich. Aber wenn ich dich von Anfang an beraten hätte, hätte ich dir empfohlen, keinerlei Geschäfte zu betreiben, die nicht mit Land- und Grundbesitz verbunden sind. Deine Minen sind zwar sauber und ein guter, solider Besitz. Aber für einen homo novus sind sogar solche Geschäfte unklug. Du hättest bei dem bleiben sollen, was einem Senator auf keinen Fall schaden kann - beim Land- und Grundbesitz.«
»Du meinst also, daß meine Beteiligung an verschiedenen Firmen ein weiterer Grund ist, warum ich nie ein richtiger römischer Adliger werden kann?« Marius klang bitter.
»Genau!«
Marius straffte die Schultern. Es war verlorene Zeit und Mühe, sich mit solchem Unsinn weiter abzugeben. Statt dessen wandte er sich wieder der verlockenden Vorstellung zu, eine Julia zu heiraten: »Meinst du wirklich, daß mein Ansehen in der Öffentlichkeit durch die Ehe mit einer deiner Töchter entscheidend verbessert werden könnte?«
»Ganz sicher! «
»Eine Julia. Aber warum heirate ich dann nicht gleich eine Sulpicia - oder eine Claudia - eine Aemilia - oder eine Cornelia? Auch das sind alte Geschlechter, und ich würde zum alten Namen noch großen politischen Einfluß gewinnen.«
Caesar lächelte und schüttelte den Kopf. »Natürlich könntest du eine Cornelia oder eine Aemilia heiraten. Aber alle würden wissen, daß du dir das Mädchen einfach gekauft hast. Der Vorteil bei einer Julia ist, daß bisher kein Julius Caesar jemals seine Tochter einem reichen Mann ohne Namen verkauft hat. Allein die Tatsache, daß du eine Julia heiraten darfst, wird alle Welt überzeugen, daß du die höchsten politischen Ehren verdienst und daß die Verleumdungen um deine Person nichts als üble Nachrede sind. Ein Julius Caesar hat es noch nie nötig gehabt, seine Töchter zu verkaufen.«
Marius lehnte sich zurück und starrte nachdenklich auf den Becher in seiner Hand. »Gaius Julius, warum bietest du mir diese Chance?«
Caesar runzelte die Stirn. »Ich habe dafür zwei Gründe. Der erste mag nicht sehr vernünftig klingen. Als ich dich gestern bei den Feierlichkeiten zur Amtseinführung sah, hatte ich plötzlich eine Vorahnung. Normalerweise gebe ich nichts auf Vorahnungen, aber ich schwöre dir bei den Göttern, daß ich auf einmal wußte, daß vor mir der Mann stand, der - hätte er die Möglichkeit dazu - Rom auf seinen eigenen Schultern aus schrecklicher Gefahr tragen würde. Und ich wußte plötzlich, daß Rom ohne dich verloren ist.« Caesar erschauerte. »Nun, in jedem Römer steckt ein Stück Aberglaube, und in den wirklich alten Familien ist er sehr verbreitet. Die Vorahnung hat mich nicht mehr losgelassen. Und ich dachte mir auch, wie wunderbar es wäre, wenn ich, ein einfacher Hinterbänkler im Senat, Rom zu dem Mann verhelfen könnte, den es so dringend braucht.«
»Auch ich habe eine solche Vorahnung«, warf Marius ein. »Seit Numantia.«
»Siehst du! Jetzt sind wir schon zwei.«
»Und dein zweiter Grund, Gaius Julius?«
Caesar seufzte. »Ich muß mich der Tatsache stellen, daß es mir trotz meines Alters noch nicht gelungen ist, für meine Kinder so vorzusorgen, wie es einem Vater ansteht. An Liebe hat es ihnen nicht gefehlt, und sie haben auch eine hervorragende Erziehung genossen. Aber dieses Haus und fünfhundert iugera Land in den Albaner Bergen sind alles, was ich besitze.« Er richtete sich auf und beugte sich vor. »Ich habe vier Kinder, und das ist, wie du wohl weißt, zuviel. Zwei Söhne und zwei Töchter. Mein Besitz reicht nicht einmal aus, meinen beiden Söhnen eine politische Laufbahn als Hinterbänkler im Senat zu sichern. Wenn ich meinem Ältesten Sextus alles vermache, kann er sich gerade im Senat halten wie ich. Mein jüngerer Sohn Gaius dagegen wird so arm sein, daß es nicht einmal zum Ritter reicht. Ich würde praktisch einen Lucius Cornelius Sulla aus ihm machen - kennst du Lucius Cornelius Sulla?«
»Nein.«
»Seine Stiefmutter wohnt gleich nebenan. Eine schreckliche Frau: niedere Herkunft, kein Verstand, aber sehr reich. Soviel ich weiß, wird nicht ihr Stiefsohn, sondern ein Neffe sie beerben. Sie hat mir keine Ruhe gelassen, bis ich ihr geholfen habe, ihr Testament aufzusetzen. Hat ununterbrochen geredet. Ihr Stiefsohn Lucius Cornelius Sulla wohnt bei ihr, weil er ihr zufolge nirgendwo sonst unterkommt. Seine Familie ist schon lange verarmt, sein Vater besaß buchstäblich nichts und hat auch noch getrunken. Du hast entschieden mehr Glück gehabt, Gaius Marius, denn immerhin hatte deine Familie genug Geld, daß du Senator werden konntest. Lucius Cornelius Sulla stammt aus einer vornehmen patrizischen Familie, allein die Armut ist schuld, daß er nicht den Platz in der Gesellschaft einnehmen kann, der ihm zusteht.« Und mit bewegter Stimme schloß Caesar: »Mir liegt das Wohlergehen meines jüngeren Sohnes zu sehr am Herzen, als daß ich ihn, seine Kinder oder Kindeskinder dem Schicksal eines Lucius Cornelius Sulla aussetzen möchte.«
»Keiner kann etwas für seine Geburt!« sagte Marius gleichfalls bewegt. »Warum soll die Geburt über unser ganzes weiteres Leben bestimmen?«
»Warum das Geld?« entgegnete Caesar. »Du mußt zugeben, Gaius Marius, daß Geburt und Geld überall auf der Welt zählen. Verglichen mit dem Partherreich etwa finde ich die römische Gesellschaft sogar noch relativ mobil. In Rom ist es immerhin schon vorgekommen, daß mittellose Männer Karriere gemacht haben.« Nachdenklich fügte er hinzu: »Glaube nicht, daß ich diese Männer jemals bewundert hätte. Der Kampf um den Aufstieg scheint sie menschlich zu ruinieren.«
»Dann ist es vielleicht besser, Lucius Cornelius Sulla bleibt, wo er ist.«
»Nein!« entgegnete Caesar fest. »Ich bin meiner Klasse immerhin so sehr verbunden, daß ich das Schicksal des Lucius Cornelius Sulla außerordentlich bedauere! « Er setzte eine geschäftliche Miene auf. »Im Moment geht es mir aber um die Zukunft meiner Kinder. Ich kann meinen Töchtern keine Mitgift geben, Gaius Marius, weil meine Söhne sonst völlig mittellos wären. Das bedeutet, daß meine Töchter niemals einen Mann aus ihrer Klasse heiraten können. Bitte entschuldige, wenn diese Worte dich kränken. Ich wollte damit nicht sagen, daß... « Er brach ab und machte eine hilflose Handbewegung. »Ich will lediglich anständige, ehrbare, sympathische Männer für meine Töchter.«
Caesar erhob sich schwerfällig. »Der Abend war lang und anstrengend für mich, und ich fange an, meine Knochen zu spüren. Hast du etwas dagegen, wenn wir uns im Garten ein wenig die Beine vertreten? Ich weiß, es ist kalt draußen, aber du kannst von mir einen warmen Mantel haben.«