Wortlos glitt Gaius Marius vom Sofa, ergriff Caesars Schuhe, streifte sie ihm über und band sie schnell und geschickt zu. Dann zog er sich selbst die Schuhe an und stand auf
»Das gefällt mir an dir«, sagte Caesar. »Du handelst überlegt und ohne Umschweife.«
Der Säulengarten war klein, aber wunderschön. Trotz der Jahreszeit gediehen aromatische Kräuter, die einen köstlichen Duft verströmten. Ansonsten wuchsen hier hauptsächlich winterharte, immergrüne Pflanzen. Die Verbundenheit mit dem Land war den Juliern immer noch anzumerken, dachte Marius, und bei diesem Gedanken wurde ihm warm ums Herz. Unter den Dachvorsprüngen hingen Hunderte von kleinen Flohkrautbüscheln zum Trocknen, gerade wie bei seinem Vater zu Hause. Ende Januar würde man sie im Haus in allen Schubladen und Ecken verteilen, um Fliegen, Silberfischchen und anderes Ungeziefer fernzuhalten. Flohkraut wurde zur Wintersonnenwende gepflückt. Marius hatte nicht gewußt, daß man diesen Brauch in Rom auch kannte.
Zur Feier seines Besuches brannten die Leuchter in den Arkaden um den Garten, und zierliche Bronzelampen tauchten die Gartenwege in warmes, gelbes Licht. Es hatte aufgehört zu regnen. Schwere Tropfen hingen an Büschen und Sträuchern, und die Luft war feucht und kalt.
Die Männer achteten nicht darauf. Schweigend schritten sie eine Weile auf und ab, bis sie zuletzt in der Mitte des Gartens vor dem Becken mit dem Springbrunnen stehenblieben. Den vier steinernen Dryaden hatte man Fackeln aufgesteckt. Das Becken war jetzt im Winter leer, der Springbrunnen abgestellt. Eigenartig gerührt betrachtete Gaius Marius den verwitterten Brunnen. In seinem Garten plätscherte das Wasser dank eines Heizsystems das ganze Jahr über. Dennoch erschien ihm dies hier viel wirklicher.
»Bist du an der Heirat mit einer meiner Töchter interessiert?« fragte Caesar ruhig.
Marius nickte entschlossen. »Das bin ich, Gaius Julius.«
»Wird dir die Trennung von deiner Frau nicht schwerfallen?«
»Überhaupt nicht.« Marius räusperte sich. »Was verlangst du von mir für die Braut und deinen Namen, Gaius Julius?«
»Ich will offen sein: eine Menge. Da du in unserer Familie mehr ein zweiter Vater als ein Schwiegersohn sein wirst - ein Privileg deines Alters -, erwarte ich, daß du auch meine zweite Tochter mit einer Mitgift ausstattest und meine beiden Söhne versorgst. Du mußt dich außerdem bereit erklären, meinen beiden Söhnen nach Kräften zu helfen, wenn sie in den Senat eintreten und die Ämterlaufbahn beginnen. Ich will, daß beide Konsul werden. Mein Sohn Sextus ist ein Jahr älter als der ältere der beiden Söhne, die mein Bruder Sextus behalten hat. Mein Sextus wird also der erste Julius seiner Generation sein, der sich um das Konsulat bewerben kann. Ich will, daß er zum frühestmöglichen Zeitpunkt Konsul wird, zwölf Jahre nach seinem Eintritt in den Senat, zweiundvierzig Jahre nach seiner Geburt. Er wird der erste Konsul meines Geschlechts nach vierhundert Jahren sein. Das ist mir außerordentlich wichtig!«
»Dein Bruder Sextus hat seinen ältesten Sohn zur Adoption gegeben, nicht wahr?« fragte Marius. Angestrengt versuchte er sich zu erinnern. Kein Römer aus Rom hätte nach so etwas fragen müssen.
»Ja, vor langer, langer Zeit. Er hieß ebenfalls Sextus. Die erstgeborenen Söhne unseres Geschlechts heißen in der Regel so.«
»Ach natürlich! Quintus Lutatius Catulus! Er gebraucht den Namen Caesar ja nicht mehr. Aber dann wird doch sicher er der erste Caesar auf dem Stuhl des Konsuls sein, denn er ist ja wesentlich älter als deine Söhne.«
»Nein«, sagte Caesar und schüttelte heftig den Kopf. »Er ist kein Caesar mehr, er ist jetzt ein Lutatius Catulus.«
»Ich kann mir vorstellen, daß der alte Catulus ein schönes Sümmchen für seinen Adoptivsohn hingelegt hat.«
»Er hat damals sehr viel bezahlt. So viel, wie du für deine neue Frau, Gaius Marius.«
»Julia. Ich werde Julia zur Frau nehmen.«
»Nicht die Kleine?« fragte Caesar erstaunt. »Nun, ich gebe zu, daß ich froh darüber bin, denn ich bin der Meinung, daß Mädchen unter achtzehn nicht heiraten sollten, und Julilla ist erst sechzehneinhalb. Du hast eine gute Wahl getroffen, denke ich. Aber ich dachte immer, Julilla sei die hübschere von beiden. «
»Du bist ja auch ihr Vater«, sagte Marius lächelnd. »Nein, Gaius Julius, deine jüngste Tochter reizt mich nicht im geringsten. Wenn sie ihren zukünftigen Ehemann nicht gerade vergöttert, wir sie ihm mit ihren Launen arg zu schaffen machen. Ich bin für solche Mätzchen zu alt. Julia dagegen sieht nicht nur gut aus, sie scheint auch Verstand zu haben. Sie hat mir auf Anhieb gefallen.«
»Sie wird eine exzellente Konsulsgattin sein.«
»Glaubst du wirklich, daß mir der Sprung ins Konsulat gelingen wird?«
Caesar nickte. »Davon bin ich überzeugt! Aber so etwas braucht Zeit. Heirate erst einmal Julia und warte in Ruhe ab. Sieh zu, daß du dich ein paar Jahre im Krieg bewährst - ein militärischer Erfolg verbessert deine Chancen enorm. Biete einem Feldherrn deine Dienste als Legat an. Zwei oder drei Jahre später kannst du dich um das Konsulat bewerben.«
»Dann bin ich fünfzig«, sagte Marius bedrückt. »Männer, die soviel älter sind als üblich, werden nicht gern gewählt.«
»Du bist auch jetzt schon zu alt, was machen da diese zwei oder drei Jahre? Wenn du sie gut nutzt, werden sie dir zustatten kommen. Und du siehst jünger aus, als du bist, Gaius Marius, das spielt auch eine Rolle. So wie du aussiehst, bist du der Inbegriff eines gesunden, vitalen Mannes, und außerdem bist du groß, was die Wahlmänner im allgemeinen auch sehr beeindruckt. Wenn du ein unscheinbarer, kleiner Wicht wärst, würde dir vielleicht nicht einmal eine Julia helfen.«
»Was soll ich für deine Söhne tun?«
»Du meinst materiell?«
Marius nickte. Ohne auf sein Purpurgewand zu achten, setzte er sich auf eine Bank aus weißem, unpoliertem Marmor. Da er einige Zeit sitzen blieb und die Bank sehr naß war, blieb, als er sich wieder erhob, ein rosarot gesprenkelter Fleck zurück, der wie natürlich aussah. Die Purpurfarbe haftete fest an dem porösen Stein, und viele Jahre später ließ ein anderer Gaius Julius Caesar die Bank im Domus Publicus des Pontifex Maximus aufstellen. Der Gaius Julius Caesar, der mit Gaius Marius einen Heiratsvertrag aushandelte, sah in dem Fleck ein gutes Omen, ein erfolgversprechendes Omen. Gaius Marius würde das Schicksal Roms entscheidend bestimmen, und seine eigenen Söhne würden den Purpur des höchsten Amtes erlangen.
»Für meinen Sohn Gaius brauche ich so viel Land, daß ihm der Sitz im Senat sicher ist«, sagte Caesar. »Zufällig stehen gerade sechshundert Iugera besten Ackerlands neben meinen eigenen Ländereien in den Albaner Bergen zum Verkauf.«
»Der Preis?«
»Schwindelerregend.« Caesar atmete tief durch. »Vier Millionen Sesterze - eine Million Denare.«
»Einverstanden«, sagte Marius ungerührt. »Aber ich denke, es wäre gut, wenn wir unser Geschäft im Moment noch geheimhielten.«
»Selbstverständlich!« pflichtete Caesar ihm sofort bei.
»Dann bringe ich dir das Geld morgen persönlich vorbei«, lächelte Marius. »Was willst du noch?«
»Wenn mein ältester Sohn das Alter für den Senat erreicht, bist du vermutlich Konsular. Du hast dann Macht und Einfluß, und ich verlange, daß du sie dazu nutzt, meine Söhne auf der Ämterlaufbahn voranzubringen. Wenn du in den nächsten zwei bis drei Jahren Legat bist, sollen meine Söhne mit dir in den Krieg ziehen. Sie haben zwar beide schon als Offiziersanwärter Erfahrung gesamrnelt, aber für ihre politische Karriere brauchen sie noch mehr. Bei dir werden sie in guten Händen sein.«