Marius dachte bei sich, daß keiner der jungen Männer aus dem Holz geschnitzt war, aus dem große Feldherren gemacht sind, daß sie aber sicherlich gute Offiziere abgeben würden. Laut sagte er nur: »Ich nehme sie gerne mit, Gaius Julius.«
Caesar fuhr fort: »Ihre patrizische Herkunft ist ein schwerer Nachteil für ihre politische Karriere. Du weißt so gut wie ich, daß sie als Patrizier nicht Volkstribun werden können, daß aber ein spektakuläres Auftreten als Volkstribun die beste Methode ist, sich einen politischen Ruf zu verschaffen. Meine Söhne werden sich als kurulische Ädilen hocharbeiten müssen - und das ist sündhaft teuer. Ich gehe deshalb davon aus, daß du Sextus und Gaius mit genügend Geld versorgst, daß sie dem Volk Spiele und Spektakel ausrichten können, an die das Volk sich bei den Wahlen zum Prätor erinnert. Und wenn es sich an irgendeinem Punkt ihrer Laufbahn als notwendig erweisen sollte, Wählerstimmen zu kaufen, sollst du die Mittel dafür bereitstellen.«
»Einverstanden.« Gaius Marius streckte Caesar seine Rechte mit geradezu erstaunlicher Bereitwilligkeit entgegen. Schließlich ließ er sich auf eine Verbindung ein, die ihn mindestens zehn Millionen Sesterze kosten würde.
Gaius Julius Caesar ergriff die Hand und schüttelte sie lang. »Also abgemacht!« rief er lachend.
Sie kehrten ins Haus zurück. Caesar schickte einen verschlafenen Sklaven nach dem alten sagum von Gaius Marius.
»Wann darf ich Julia sehen und sprechen?« fragte Marius.
»Morgen nachmittag«, antwortete Caesar und öffnete eigenhändig die Haustür. »Gute Nacht, Gaius Marius.«
»Gute Nacht, Gaius Julius.« Marius trat in die kalte Winternacht hinaus.
Aber er spürte die Kälte nicht. Auf dem Heimweg war ihm so warm ums Herz wie schon lange nicht mehr. Sollte der ungebetene Gast, jenes gewisse Gefühl, das ihn immer wieder überfiel, tatsächlich recht behalten? Konsul! Wenn ihm das gelang, dann mußte er auch einen Sohn haben. Einen zweiten Gaius Marius.
Als die beiden Töchter Caesars am nächsten Morgen zum Frühstück in ihr kleines Wohnzimmer kamen, war Julilla so unruhig, daß sie sich nicht setzen konnte, sondern ständig von einem Bein aufs andere hüpfte.
»Was ist denn los?« fragte ihre Schwester gereizt.
»Spürst du nichts? Irgendwas ist los, dabei wollte ich mich doch heute vormittag mit Clodilla auf dem Blumenmarkt treffen - ich habe es ihr fest versprochen! Aber ich glaube, wir müssen heute wieder zu so einem langweiligen Familienrat dableiben.« Julilla verdrehte die Augen.
»Du bist wirklich undankbar!« sagte Julia. »Kennst du sonst noch ein Mädchen, das bei einem Familienrat mitreden darf?«
»Ach Quatsch, so ein Familienrat ist doch nur langweilig. Nie reden wir über etwas Interessantes, immer nur über Sklaven, Geldsorgen und Lehrer. Ich will nicht mehr in die Schule. Homer und der blöde alte Thukydides hängen mir zum Hals raus! Was soll ich damit?«
»Diese Autoren bilden dich«, sagte Julia streng. »Du willst doch auch einmal einen tüchtigen Ehemann, oder nicht?«
Julilla kicherte. »Ich stelle mir unter einem tüchtigen Mann jemand anders vor als Homer und Thukydides. Ach, ich wollte heute so gerne ausgehen!« Sie hopste hin und her.
»Wie ich dich kenne, tust du das auch, wenn du es dir in den Kopf gesetzt hast«, sagte Julia. »Setz dich jetzt bitte hin und iß!«
Ein Schatten verdunkelte die Tür. Die Mädchen blickten auf und öffneten erstaunt den Mund. Ihr Vater! Hier!
»Julia, ich möchte mit dir sprechen«, sagte Caesar und trat ein. Ausnahmsweise schenkte er Julilla keine Beachtung,
»Oh, tata! Nicht einmal ein Gutemorgenküßchen?« fragte die Lieblingstochter schmollend.
Gedankenverloren sah er sie an und kniff sie in die Wange. »Willst du nicht etwas unternehmen, mein Schmetterling?«
Julilla strahlte. »Danke, tata, danke! Darf ich auf den Blumenmarkt gehen? Und zum Porticus Margaritaria?«
»Wie viele Perlen willst du dir heute kaufen?« fragte ihr Vater lächelnd.
»Tausend!« rief sie und wollte losrennen.
Caesar drückte ihr noch einen Silberdenar in die Hand. »Das reicht zwar nicht einmal für eine einzige kleine Perle, aber vielleicht reicht es für einen Schal.«
»Oh, danke tata, danke!« Julilla gab ihm einen Kuß und war verschwunden.
Caesar blickte seine älteste Tochter freundlich an. »Setz dich, Julia.«
Erwartungsvoll setzte sie sich, sagte aber kein Wort. Marcia kam herein und nahm neben ihrer Tochter auf dem Sofa Platz.
»Was ist los, Gaius Julius?« fragte Marcia neugierig.
Caesar blieb stehen, verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen und richtete schließlich seine leuchtend blauen Augen auf Julia. »Hat Gaius Marius dir gefallen, Liebling?« fragte er.
»Ja, warum, tata?«
»Was hat dir an ihm gefallen?«
Sie überlegte einen Augenblick. »Ich glaube, seine schlichte, aufrichtige Art zu sprechen. Und weil er so natürlich wirkt. Er hat bestätigt, was ich mir schon immer gedacht habe.«
»Ja?«
»Dieser Tratsch, den man immer hört - daß er kein Griechisch kann, daß er ein dummer Bauer ist, daß er sich auf Kosten anderer einen Ruf als Feldherr geschaffen hat. Mir kam es immer so vor, als ob die Leute zuviel redeten. Das konnte einfach nicht alles wahr sein. Jetzt, wo ich ihn kennengelernt habe, bin ich mir sicher, daß ich recht habe. Er ist kein dummer Bauer und durchaus nicht ungehobelt. Er ist intelligent und sehr belesen! Sein Griechisch klingt zwar nicht besonders schön, aber seine Grammatik und sein Wortschatz sind ganz ausgezeichnet. Er kleidet sich nicht besonders geschmackvoll, aber daran ist vermutlich seine Frau schuld.« Bei diesen Worten schlug Julia verwirrt die Augen nieder.
»Julia! Du hast ihn ja richtig lieb!« sagte Caesar, und in seiner Stimme schwang eine merkwürdige Scheu.
»Ja, tata, ich hab ihn lieb.«
»Darüber bin ich sehr froh, denn du wirst ihn heiraten«, platzte Caesar heraus. Sein berühmter Takt und sein diplomatisches Einfühlungsvermögen ließen ihn in dieser ungewöhnlichen Situation auf einmal im Stich.
Julia sah erstaunt auf. »Was?«
Marcia versteifte sich. »Ihn heiraten?«
Caesar nickte und setzte sich jetzt doch.
»Und wann bist du zu diesem Entschluß gekommen?« fragte Marcia. Sie klang verärgert. »Wann hatte er denn Gelegenheit, Julia kennenzulernen, daß er jetzt um ihre Hand anhält?«
»Er hat nicht um Julia angehalten«, sagte Caesar. »Ich habe ihm Julia angeboten. Oder Julilla. Deshalb habe ich ihn gestern zum Essen eingeladen.«
Marcia starrte ihn an, als würde sie an seinem Verstand zweifeln. »Du hast einem homo novus, der dir im Alter näher steht als deinen Kindern, unsere Töchter zur Auswahl angeboten?« Jetzt war sie wirklich zornig.
»Ganz genau.«
»Aber warum denn?«
»Du weißt doch, wer er ist.«
»Natürlich weiß ich das.«
»Dann weißt du auch, daß er einer der reichsten Männer Roms ist.«
»Ja.«
»Na also«, sagte Caesar ernst, an Frau und Tochter zugleich gewandt, »ihr wißt doch beide, in welcher Lage wir sind. Vier Kinder und weder genug Geld noch genug Grundbesitz. Zwei Jungen, die es dank ihrer Herkunft und ihrer Intelligenz bis ganz nach oben schaffen können, und zwei Mädchen, die aufgrund ihrer Herkunft und ihrer Schönheit nur den besten Mann verdienen. Aber - kein Geld! Kein Geld für den cursus honorum und kein Geld für die Mitgift.«
»Das ist richtig«, sagte Marcia nüchtern. Ihr Vater war gestorben, bevor sie das heiratsfähige Alter erreicht hatte, und seine Kinder aus erster Ehe hatten mit Hilfe der Nachlaßverwalter dafür gesorgt, daß für sie kein nennenswertes Erbe übrigblieb. Gaius Julius Caesar hatte sie aus Liebe geheiratet, und da sie nur eine unbedeutende Mitgift in die Ehe einbringen konnte, hatte ihre Familie der Verbindung erleichtert zugestimmt. Ja, sie hatten aus Liebe geheiratet und waren mit Glück, Harmonie, drei überaus wohlgeratenen Kindern und einem zauberhaften Schmetterling gesegnet worden. Trotzdem war es für Marcia immer noch eine Demütigung, daß Caesar finanziell keine gute Partie gemacht hatte.