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Ganz Rom war außer sich vor Freude, auf den Straßen weinten, tanzten und jubelten die Massen, wildfremde Menschen lagen sich in den Armen, vom Sklaven bis zum vornehmsten Patrizier. Gaius Marius wurde in absentia zum ersten Konsul und Manius Aquilius zum zweiten Konsul gewählt. Der Senat beschloß, zu Ehren von Marius eine dreitägige Dankesfeier abzuhalten, und die Volksversammlung genehmigte noch zwei zusätzliche Tage.

»Sulla hat schon einmal so etwas angedeutet«, bemerkte Catulus Caesar zu Metellus Numidicus, als sich die Aufregung wieder gelegt hatte.

»Oho! Du magst unseren Lucius Cornelius wohl nicht, daß du ihn nur ›Sulla‹ nennst! Und was also hat Sulla angedeutet?«

»Er sagte einmal, daß niemand den höchsten Baum der Welt fällen könne. Gaius Marius hat das Glück auf seiner Seite. Ich konnte mein Heer nicht überreden zu kämpfen, aber er vernichtet ein ganzes Volk und verliert dabei kaum einen Soldaten«, sagte Catulus Caesar düster.

»Er hatte schon immer viel Glück«, meinte Metellus Numidicus.

»Das hat nichts mit Glück zu tun!« ertönte eine verärgerte Stimme. Publius Rutilius Rufus hatte das Gespräch mit angehört. »Ehre, wem Ehre gebührt!«

Und Rutilius Rufus berichtete an Gaius Marius:

Das verschlug ihnen die Sprache. Du weißt ja, daß ich nicht damit einverstanden bin, daß Du Jahr um Jahr Konsul bist, und daß mir einige Deiner eher gierigen Freunde mißfallen. Aber ich gestehe, daß ich auf das äußerste gereizt werde, wenn ich es mit dem Neid und dem Haß von Männern zu tun habe, die eigentlich groß genug sind, um großherzig sein zu können. Äsop hatte ein treffendes Wort für solche Männer, Gaius Marius - er nannte sie »saure Trauben«. Wie unsinnig ist es doch, daß diese Männer Deinen Erfolg und ihr Versagen dem Glück zuschreiben! Ein Mann nimmt sein Glück selbst in die Hände, das ist die ganze Wahrheit! Ich würde ihnen am liebsten ins Gesicht spucken, wenn ich höre, wie geringschätzig sie über Deinen wunderbaren Sieg sprechen.

Nun aber genug davon, bevor ich noch einen Schlaganfall bekomme. Wenn ich schon Deine eher gierigen Freunde erwähnte: Gaius Servilius Glaucia ist jetzt erst seit acht Tagen Volkstribun und hat auf dem Versammlungsplatz doch schon viel Staub aufgewirbelt. Er hat seine erste contio einberufen, weil er ein neues Gesetz diskutieren lassen will. Er hat vor, die Arbeit unseres großartigen Helden von Tolosa, Quintus Servilius Caepio, der hoffentlich für immer im Exil in Smyrna bleibt, wieder rückgängig zu machen. Ich mag diesen Mann nicht, ich habe ihn nie gemocht! Glaucia will das Repetundengericht wieder den Rittern unterstellen und ihnen gleich noch ein paar Rechte dazugeben. Wenn das Gesetz verabschiedet wird - und das erwarte ich -, kann der römische Staat Entschädigungen, unrechtmäßig erworbenen Besitz oder veruntreute Gelder nicht mehr nur von den ursprünglichen Straftätern einfordern, sondern auch von denen, in deren Händen sie zuletzt waren. Bisher konnte ein raffgieriger Statthalter seinen unrechtmäßig erworbenen Reichtum seiner Tante Lucia oder dem tata seiner Frau Gemahlin oder sogar ganz unverblümt seinem Sohn überschreiben. Nach Glaucias neuem Gesetz müssen Tantchen Lucia, der tata und der Sohn alles wieder ausspucken.

Vermutlich ist das nicht ungerecht, aber wohin führen solche Gesetze, Gaius Marius? Der Staat erhält viel zuviel Macht und außerdem viel zuviel Geld! Solche Gesetze sind eine Brutstätte für Demagogen und Bürokraten, sag’ ich Dir! Irgendwie ist es doch ein beruhigendes Gefühl zu wissen, daß man sich in der Politik bereichern kann. Es ist normal. Es ist menschlich. Es ist entschuldbar. Es ist verständlich. Gefährlich sind nur die, die in die Politik gehen, um die Welt zu verändern. Alles Unglück wird von den Machtbesessenen und den Altruisten angerichtet. Es ist einfach nicht gesund, an andere Menschen zu denken, bevor man an sich selbst denkt. Die anderen Menschen verdienen das doch gar nicht. Habe ich Dir nicht gesagt, daß ich ein Skeptiker bin? Nun, ich bin einer. Aber manchmal - nur ganz selten! - beschleicht mich der Verdacht, daß ich mich ganz allmählich ein wenig zum Zyniker entwickle.

Wir haben erfahren, daß Du in Kürze wieder nach Rom zurückkehrst. Ich kann es kaum erwarten! Ich will Schweinebackes Gesicht sehen, wenn er Dir wieder gegenübertritt. Catulus Caesar ist zum Prokonsul des italischen Gallien ernannt worden, was Dich vielleicht nicht überraschen wird. Er ist bereits wieder zu seinem Heer nach Placentia abgereist. Paß gut auf ihn auf! Er wird bestimmt versuchen, den Ruhm für Deinen nächsten Sieg einzustecken, wenn er eine Gelegenheit dazu wittert. Ich hoffe, daß Dein Lucius Cornelius auch weiterhin so loyal bleibt wie bisher, nachdem nun seine Julilla tot ist.

Auch in der hohen Diplomatie hat sich etwas getan. Battaces und seine Priesterschar haben endlich geruht, wieder nach Hause zurückzukehren, und das Wehklagen etlicher hochwohlgeborener Damen ist mindestens bis Brundisium zu hören. Gegenwärtig sind wir Gastgeber einer weniger ehrfurchterregenden, aber unendlich bedrohlicheren Gesandtschaft. Sie kommt von keinem anderen als jenem sehr gefährlichen jungen Mann, der fast das ganze Gebiet um das Schwarze Meer in seinem Griff hält - von König Mithridates von Pontos. Er möchte einen Freundschafts- und Bündnisvertrag mit Rom schließen. Scaurus ist nicht dafür. Ich frage mich, warum. Hat das möglicherweise etwas mit den heftigen Intrigen zu tun, die die Agenten unseres Verbündeten, König Nikomedes von Bithynien, betrieben haben? Beim Pollux, da bricht schon wieder mein Hang zur Skepsis durch! Nein, Gaius Marius, es ist kein Hang zum Zynismus, noch nicht!

Zum Abschluß noch ein wenig Klatsch über andere Leute. Der eingeschriebene Vater Marcus Calpurnius Bibulus hat einen Sohn und Erben bekommen und damit große Freudenbekundungen bei verschiedenen Mitgliedern der Sippen Domitius Ahenobarbus und Servilius Caepio ausgelöst. Mir ist dabei aber aufgefallen, daß man bei Calpurnius Piso wie gewohnt so tut, als sei das alles gleichgültig. Das Schicksal mag gewisse ehrbare Senioren in die Arme von unreifen Mädchen führen, in der Regel aber führt es sie eher in die Arme des Todes. Unser literarischer Übervater Gaius Lucilius ist gestorben. Das tut mir wirklich leid. Als Mensch war er zwar ein entsetzlicher Langweiler, aber wie witzig konnte er auf dem Papier sein! Betrübt bin ich auch über den Tod Deiner alten syrischen Seherin Martha. Das ist sicherlich keine Neuigkeit für Dich, denn ich weiß, daß Julia es Dir schon mitgeteilt hat. Die alte Vettel wird mir fehlen. Schweinebacke schäumte immer so schön vor Wut, wenn er sie in ihrer grausigen roten Sänfte auf der Straße erblickte. Deine wunderbare liebe Julia sagt, Martha werde ihr auch fehlen. Übrigens hoffe ich, daß Dir bewußt ist, welchen Schatz Du mit Julia geheiratet hast. Nicht jede Frau würde über den Tod eines Gastes trauern, der einen Monat bleiben wollte und sich dann für immer einnistete. Besonders nicht über den Tod eines Gastes, der es für vornehm hielt, auf den Boden zu spucken und in den Fischteich zu pissen.

Ich schließe mit einem Zitat, das von Dir selbst stammt. Wie konntest Du nur Gaius Marius? »Lang lebe Rom!« In der Tat! Was für eine Anmaßung!

Das zehnte bis elfte Jahr 

(101 - 100 v. Chr. )

Unter den Konsuln

GAIUS MARIUS (V) und MANIUS AQUILIUS

Unter den Konsuln

GAIUS MARIUS (VI) und LUCIUS VALERIUS FLACCUS