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»Ja, weil unser princeps senatus eine Glatze hat und ein faltiges Gesicht und zum Inventar des Forums gehört«, sagte Sulla. Aber du bist immer noch der tatendurstige Befehlshaber auf dem Schlachtfeld, deshalb hält dich niemand für alt.«

»Wie auch immer, ich bin zu alt, um gute Miene zu solchen Narren wie diesem Quintus Lutatius zu machen«, sagte Marius. »Ich habe einfach keine Zeit, Stunden damit zuzubringen, so einem Hahn, der auf dem Mist herumstolziert, die zerzausten Federn wieder glattzustreichen, nur damit er seine hohe Meinung von sich selbst nicht verliert.«

»Sag nicht, daß ich dich nicht gewarnt hätte!« erwiderte Sulla.

In der zweiten Hälfte des Quintilis standen die Kimbern am Fuße der westlichen Alpen, verstreut über eine Ebene namens Campi Raudii, nicht weit von der kleinen Stadt Vercellae.

»Warum hier?« fragte Marius Quintus Sertorius, der sich immer wieder unter die Kimbern gemischt hatte, während sie westwärts gezogen waren.

»Ich wünschte, ich wüßte die Antwort, Gaius Marius, aber es ist mir nie gelungen, an Boiorix selbst heranzukommen«, sagte Sertorius. »Die Kimbern glauben wohl, daß sie heim nach Germanien ziehen, aber ein paar seiner Häuptlinge, die ich kenne, haben mir gesagt, daß Boiorix nach wie vor unbedingt nach Süden vorstoßen will.«

»Er ist viel zu weit im Westen«, entgegnete Sulla.

»Meine Informanten glauben, daß er versuchen wird, die Kimbern zu beschwichtigen, indem er so tut, als werde man sehr bald die Alpen in Richtung Gallia Narbonensis überqueren und im nächsten Jahr wieder auf der Kimbrischen Chersonesos sein. Aber in Wahrheit wird er sie so lange im italischen Gallien festhalten, bis die Alpenpässe zugeschneit sind, und dann wird er sie vor die Entscheidung stellen, entweder in Gallien zu bleiben und sich durch den Winter zu hungern oder in Italien einzufallen.«

»Das ist eine ziemlich schlaue Strategie für einen Barbaren«, meinte Marius skeptisch.

»Der dreiflankige Angriff auf das italische Gallien war auch keine typisch barbarische Strategie«, erinnerte ihn Sulla.

»Sie sind wie die Geier«, sagte Sertorius plötzlich.

»Wie meinst du das?« fragte Marius mit gerunzelter Stirn.

»Wenn sie irgendwo einen Haufen Knochen finden, stürzen sie sich darauf, Gaius Marius. Meiner Meinung nach ist das der Grund, warum sie ständig weiterziehen. Oder vielleicht vergleicht man sie besser mit einem Schwarm Heuschrecken. Sie fressen alles, was ihnen in die Hände fällt, und dann ziehen sie weiter. Die Häduer und Ambarrer werden zwanzig Jahre brauchen, bis sie die verheerenden Schäden beseitigt haben, die die Germanen in vier Jahren bei ihnen angerichtet haben. Und die Aduatuker waren auch nicht gerade in allerbester Stimmung, als ich sie verließ, das kann ich dir sagen.«

»Wie konnten die Germanen dann eigentlich so lange in ihrer ursprünglichen Heimat leben, ohne weiterziehen zu müssen?« fragte Marius.

»Früher waren sie dort nicht so zahlreich. Die Kimbern hatten ihre riesige Halbinsel, die Teutonen das ganze Land südlich davon, die Tiguriner waren in Helvetien zu Hause, die Cherusker lebten an den Ufern der Weser in Germanien und die Markomannen in Böhmen«, erklärte Sertorius.

»Das Klima ist anders dort«, fuhr Sulla fort, als Sertorius schwieg. »Nördlich des Rheins regnet es das ganze Jahr. Das Gras wachst sehr schnell, und es ist süßes, saftiges, zartes Gras. Auch sind anscheinend die Winter dort nicht sehr hart - zumindest nicht in der Nähe des Atlantischen Ozeans, wo die Kimbern, Teutonen und Cherusker lebten. Selbst im tiefsten Winter fällt mehr Regen als Schnee. So können sie die Tiere weiden lassen und müssen wenig anpflanzen. Ich glaube nicht, daß die Germanen so leben, weil sie von Natur aus so sind. Sie leben eben so, wie sie es von ihrer ursprünglichen Heimat gewohnt sind.«

Marius horchte auf und zog die Augenbrauen hoch. »Wenn sie also beispielsweise lange genug in Italien herumlungerten, dann würden sie irgendwann lernen, wie man Landwirtschaft betreibt, meinst du das?«

»Genau.«

»Dann sollten wir auf jeden Fall noch in diesem Sommer den Entscheidungskampf herbeiführen und dem Spiel ein Ende machen - und mit ihnen auch. Seit fast fünfzehn Jahren lebt Rom jetzt mit diesem Schatten. Ich kann nicht ruhig in meinem Bett schlafen, wenn ich vor dem Einschlafen immer an die halbe Million Germanen denken muß, die in Europa herumzieht und nach dem Elysium sucht, das sie irgendwo nördlich des Rheins verlassen hat. Die germanische Völkerwanderung muß aufhören. Und ich kann nur sicher sein, daß sie aufhört, wenn römische Schwerter ihr ein Ende machen.«

»Ich bin ganz deiner Meinung«, sagte Sulla.

»Ich auch«, pflichtete Sertorius bei.

»Hast du nicht einen Sprößling irgendwo bei den Kimbern?« wandte sich Marius an Sertorius.

»Ja, habe ich.«

»Weißt du, wo er ist?«

»Ja.«

»Gut. Wenn alles vorbei ist, kannst du deinen Sprößling und seine Mutter schicken, wohin du willst, meinetwegen sogar nach Rom.«

»Vielen Dank, Gaius Marius. Ich werde sie nach Hispania Citerior schicken«, sagte Sertorius lächelnd.

Marius stutzte. »Spanien? Warum gerade Spanien?«

»Dort hat es mir gefallen, als ich lernte, ein Keltiberer zu sein. Der Stamm, bei dem ich damals lebte, wird für meine germanische Familie sorgen.«

»Also gut! Nun, meine lieben Freunde, laßt uns überlegen, wie wir den Kampf mit den Kimbern herbeiführen können.«

Und Marius führte den Kampf herbei. Bei einer Zusammenkunft von Marius und Boiorix wurde der letzte Tag im Kalendermonat Quintilis als Tag für die Schlacht festgesetzt. Marius war nämlich nicht der einzige, der die Jahre der Unentschiedenheit satt hatte, auch Boiorix wollte endlich eine Entscheidung.

»Dem Sieger gehört Italien«, sagte Boiorix.

»Dem Sieger gehört die Welt«, gab Marius zurück.

Wie in Aquae Sextiae kämpfte Marius mit den Fußsoldaten. Seine Truppen aus Gallia Transalpina hatte er in zwei riesige Flügel geteilt, jeder Flügel bestand aus fünfzehntausend Mann. Die spärliche Reiterei hatte er zusammengezogen, sie sollte die beiden Flügel der Infanterie schützen. Zwischen die beiden Flügel stellte er Catulus Caesar mit seinen vierundzwanzigtausend wenig erfahrenen Kämpfern, sie bildeten den Mittelteil. Die altgedienten Truppen an den Flügeln würden einen beruhigenden und disziplinierenden Einfluß auf sie haben. Marius kommandierte den linken Flügel, Sulla den rechten und Catulus Caesar die Mitte.

Fünfzehntausend berittene Krieger der Kimbern eröffneten die Schlacht. Sie waren großartig gekleidet und ausgerüstet, ritten schwere nordische Pferde und nicht die kleinen gallischen Ponys. Alle germanischen Reiter trugen hohe Helme, die wie die Köpfe sagenhafter Ungeheuer aussahen, mit gefletschten Zähnen und langen steifen Federn an jeder Seite, so daß die Berittenen noch größer wirkten. Alle trugen eiserne Brustharnische und Langschwerter, ein weißes rundes Schild und zwei schwere Lanzen.

Die Reiter drängten sich in Viererreihen auf einer Länge von fast vier Meilen, direkt hinter ihnen standen die kimbrischen Fußsoldaten. Als sie angriffen, wandten sie sich nach rechts und zogen die Römer mit. Diese Taktik sollte die Kampflinie der Römer weit nach links verschieben, damit die Infanterie der Kimbern Sulla von der Flanke her angreifen und den Römern in den Rücken fallen konnte.

Die römischen Legionen waren so versessen auf den Kampf, daß der Plan der Germanen beinahe aufgegangen wäre. Schließlich konnte Marius seine Truppen zum Stehen bringen und die volle Wucht der Kavallerieattacke auf sich ziehen. Sulla mußte allein mit dem ersten Angriff der kimbrischen Fußsoldaten fertig werden, während Catulus Caesar in der Mitte gegen Kavallerie und Infanterie kämpfte.

Ihre Stärke, ihre bessere Ausbildung und vor allem ihre List verhalfen den Römern auf dem Schlachtfeld von Vercellae zum Sieg. Marius hatte darauf gesetzt, daß der entscheidende Teil des Kampfes am Vormittag stattfinden würde, und seine Kampfreihen deshalb nach Westen ausgerichtet. Die Kimbern wurden von der Morgensonne geblendet, und ihre Kräfte ließen früher nach als die der Römer. Sie waren an ein kühleres, milderes Klima gewöhnt und hatten wie immer riesige Mengen Fleisch zum Frühstück verschlungen, und mußten nun zwei Tage nach der Sommersonnwende unter einem wolkenlosen Himmel, in einer erstickenden Staubwolke gegen die Römer kämpfen. Für die römischen Legionäre waren das die üblichen kleinen Unannehmlichkeiten, die Germanen aber fühlten sich wie in der Unterwelt. Sie fielen zu Tausenden und Abertausenden, mit ausgedörrten Kehlen, in Rüstungen, die wie das Bluthemd des Herakles brannten, unter glühend heißen Helmen und mit Schwertern, die tonnenschwer in den Scheiden steckenblieben.