Als die Sonne am höchsten stand, gab es keine kimbrischen Krieger mehr. Achtzigtausend Mann lagen tot auf dem Schlachtfeld, darunter auch Boiorix. Die übrigen flüchteten und zerrten ihre Frauen und Kinder in die Wagen, um über die Alpen zu retten, was noch zu retten war. Aber fünfzigtausend Wagen konnten nicht im Galopp davonrasen, und eine halbe Million Rinder und Pferde ließen sich nicht in ein oder zwei Stunden zusammentreiben. Nur die Germanen kamen davon, die das Tal der Salasser hinauf in Richtung Alpen flohen. Viele Frauen fürchteten die Gefangenschaft so sehr, daß sie sich und ihre Kinder töteten, manche töteten auch die flüchtenden Krieger. Trotzdem wurden sechzigtausend kimbrische Frauen und Kinder und zwanzigtausend Krieger an die Sklavenhändler verkauft.
Von denen, die durch das Tal der Salasser und über den Paß bei Lugdunum nach Gallia Transalpina gelangten, schafften es nur wenige, sich durch die angriffsbereiten Spaliere der Kelten zu schlagen, auch die Allobroger und Sequaner griffen sie unbarmherzig an. Höchstens zweitausend Kimbern stießen schließlich zu den sechstausend Kriegern, die bei den Aduatukern zurückgeblieben waren. Wo die Somme in die Maas fließt, ließen sich die wenigen, die von der großen Völkerwanderung übriggeblieben waren, endgültig nieder, und im Laufe der Zeit nannten sie sich Aduatuker. Nur der unermeßlich große Schatz erinnerte noch daran, daß sie einst ein germanischer Stamm von mehr als siebenhundertfünfzigtausend Menschen gewesen waren. Doch konnten sie ihre Schätze nie genießen, denn immer wieder mußten sie sie gegen einfallende Römer verteidigen.
Gewappnet für eine andere Art von Kampf, kam Catulus Caesar zu dem Rat, den Marius nach der Schlacht von Vercellae einberufen hatte. Er traf auf einen weich gestimmten, leutseligen Marius, der ihm bereitwillig jeden Wunsch erfüllte.
»Mein lieber Freund, natürlich sollst du einen Triumph feiern!« sagte Marius und klopfte ihm auf den Rücken.
»Mein lieber Freund, nimm dir zwei Drittel der Beute! Meine Männer haben ja noch die Beute von Aquae Sextiae, außerdem gab ich ihnen den Erlös vom Verkauf der Sklaven, so stehen sie nach dieser Schlacht besser da als deine Leute, würde ich meinen - oder willst du das Geld aus dem Sklavenhandel auch verteilen? Nein? Natürlich nicht, das verstehe ich gut, mein lieber Quintus Lutatius!« sagte Marius und reichte ihm einen Teller voller Leckereien.
»Mein lieber Freund, nicht im Traum würde ich daran denken, allen Ruhm für mich zu beanspruchen! Wie könnte ich, wo deine Soldaten in Mut und Geschick meinen in keiner Weise nachgestanden haben?« sagte Marius, nahm ihm den Teller ab und drückte ihm statt dessen einen bis zum Rand mit Wein gefüllten Becher in die Hand. »Komm her, nimm Platz! Was für ein Tag! Heute werde ich in Frieden schlafen.«
»Boiorix ist tot«, sagte Sulla und lächelte zufrieden. »Es ist alles vorbei, Gaius Marius. Wirklich und endgültig vorbei.«
»Und deine Frau und dein Kind, Quintus Sertorius?« fragte Marius.
»Sind in Sicherheit.«
»Gut. Sehr gut!« Marius schaute sich im überfüllten Zelt des Feldherrn um. Selbst seine buschigen Augenbrauen schienen zu leuchten. »Und wer möchte die Nachricht vom Sieg von Vercellae nach Rom bringen?« fragte er.
Zwei Dutzend Stimmen erschollen, einige Dutzend Männer hingegen schwiegen betroffen, aber ihre Gesichter sprachen Bände. Marius betrachtete einen nach dem anderen und ließ seine Augen endlich auf dem ruhen, für den er sich ohnehin schon entschieden hatte.
»Gaius Julius, du sollst die Aufgabe übernehmen. Du bist mein Quästor, aber nicht nur das. In dir ruht ein Teil eines jeden von uns drei obersten Feldherren. Wir müssen hier im italischen Gallien bleiben, bis alles in Ordnung gebracht ist. Du bist mein Schwager und auch der von Lucius Cornelius, in den Adern unserer Kinder fließt das Blut deiner Familie. Und Quintus Lutatius ist von Geburt her ein Julius Caesar. So ist es angemessen, daß ein Julius Caesar Rom die Siegesbotschaft überbringt.« Er schaute sich fragend im Kreise der Anwesenden um. »Ist das gerecht?«
»Es ist gerecht«, antworteten alle im Chor.
»Was für ein wundervoller erster Auftritt im Senat«, sagte Aurelia und konnte ihre Augen nicht von Caesars Gesicht wenden. Wie braungebrannt er war, was für ein Mann! »Ich bin jetzt froh, daß die Zensoren dich vor deinem Dienst bei Gaius Marius nicht zugelassen haben.«
Caesar war immer noch aufgeregt. In Gedanken durchlebte er jene glorreichen Augenblicke im Senat, als er dem Senatsvorsitzenden Marius’ Schreiben übergeben und dann mit eigenen Augen gesehen hatte, wie der Senat von Rom die Nachricht aufnahm, daß die Bedrohung durch die Germanen ihr Ende gefunden hatte: Beifall, Jubel, lachende und weinende Senatoren, Gaius Servilius Glaucia, der Führer der Volkstribunen, wie er mit geraffter Toga von der Curia zum Versammlungsplatz der Komitien rannte und die Nachricht von der rostra herunterschrie, der Anblick von so illustren Persönlichkeiten wie Metellus Numidicus und dem pontifex maximus Ahenobarbus, die sich feierlich die Hände schüttelten und bemüht waren, trotz aller Aufregung noch würdevoll zu wirken.
»Das ist ein Omen«, sagte er zu seiner Frau. Seine Augen ruhten mit Bewunderung auf ihr. Wie schön sie war, und wie wenig man ihr anmerkte, daß sie seit vier Jahren in der Subura lebte und ein großes Mietshaus, eine insula, verwaltete.
»Eines Tages wirst du Konsul sein«, sagte sie zuversichtlich. »Immer wenn sie an unseren Sieg bei Vercellae denken, werden sie sich daran erinnern, daß du es warst, der ihnen die Nachricht überbracht hat.«
»Nein«, sagte er, um Gerechtigkeit bemüht, »sie werden an Gaius Marius denken.«
»Und an dich«, beharrte die verliebte Aurelia hartnäckig. »Dein Gesicht haben sie gesehen, du warst sein Quästor.«
Caesar seufzte, machte es sich auf der Speiseliege bequem und wies auf den leeren Platz neben sich. »Komm her!«
Aurelia saß hochaufgerichtet auf ihrem Stuhl mit gerader Lehne und schaute auf die Tür zum triclinium. »Gaius Julius!«
»Wir sind allein, meine geliebte Frau, und ich bin nicht so ein Tugendbold. An meinem ersten Abend zu Hause will ich von dir nicht einmal durch eine Tischbreite getrennt sein.« Er klopfte noch einmal auf die Liege. »Komm her, mein Weib! Sofort!«
Als das junge Paar sich in der Subura niedergelassen hatte, war ihre Ankunft immerhin so bemerkenswert gewesen, daß sie für längere Zeit die Neugier aller Nachbarn auf sich gezogen hatten. Adlige Hausbesitzer gab es genug, aber keine adligen Hausbesitzer, die auch in der Subura wohnten. Gaius Julius Caesar und seine Frau waren seltene Ausnahmen, und deshalb erregten sie mehr als das übliche Maß an Aufmerksamkeit. Denn in ihrer Ausdehnung und der riesigen Zahl von Menschen, die dort lebten, war die Subura ein geschäftiges, klatschsüchtiges Dorf, und nichts war wichtiger als ein neues Spektakel.
Alle Prophezeiungen liefen darauf hinaus, daß das junge Paar nicht lange bleiben würde. Die Subura, die schon viele Ansprüche und Ambitionen zurechtgerückt hatte, würde den beiden schon zeigen, wo sie hingehörten: auf den Palatin. Hysterische Anfälle würde die Dame bekommen, der Herr würde die Nase rümpfen und Wutausbrüche kriegen! Ha, ha! lachten sich die hartgesottenen Bewohner der Subura ins Fäustchen. Und warteten hämisch.