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Doch nichts dergleichen geschah. Die Dame, so registrierten sie, war sich nicht zu schade, selbst auf dem Markt einzukaufen, und sie genierte sich nicht, jedem lüsternen Kerl, der sich an sie heranmachen wollte, eine deutliche Abfuhr zu erteilen. Nicht einmal die Frauen der Subura konnten ihr Angst einjagen. Als sie einmal den Vicus Patricius überquerte, war sie plötzlich von einer Gruppe Frauen umringt, die auf sie einredeten, sie solle sich doch auf den Palatin scheren, wo sie hingehöre. Und der Herr war, man konnte es nicht anders sagen, ein echter Edelmann. Er war höflich und ruhig, hörte stets interessiert und aufmerksam zu und bot jederzeit seine Hilfe bei Problemen mit Testamenten, Pachtkontrakten und Verträgen an.

Sehr schnell achtete man das junge Paar, und irgendwann liebte man die beiden. Vieles an ihnen war neu hier: Sie kümmerten sich um ihre eigenen Dinge und steckten ihre Nasen nicht in anderer Leute Angelegenheiten, sie jammerten und nörgelten nie, und sie hielten sich nicht für etwas Besseres. Sprach man sie an, bekam man ein offenes und ehrliches Lächeln zur Antwort, fand man echtes Interesse, Höflichkeit und Einfühlungsvermögen. Anfangs hielten die Bewohner der Subura das für Verstellung, doch bald merkten sie, daß Caesar und Aurelia wirklich so waren, wie sie sich gaben.

Für Aurelia war es sehr viel wichtiger als für Caesar, daß sie in der Subura akzeptiert wurden, denn sie kümmerte sich um die Angelegenheiten in der Subura, und sie war die Vermieterin eines großen Mietshauses. Der Anfang war nicht leicht gewesen; den Grund hatte sie erst herausgefunden, als Caesar Rom bereits verlassen hatte. Zunächst machte sie ihre Fremdheit und Unerfahrenheit für die Schwierigkeiten verantwortlich. Die Makler, von denen sie die insula gekauft hatten, boten an, für sie die Mieten einzutreiben und mit den Mietern zu verhandeln. Caesar war das recht gewesen, und so hatte sich die gehorsame junge Ehefrau gefügt. Caesar verstand auch nicht, was sie ihm eigentlich mitteilen wollte, als sie ihm einen Monat nach ihrem Einzug über ihre Mieter berichtete.

»So eine Vielfalt, ich kann es kaum glauben«, sagte sie mit leuchtenden Augen und gar nicht so zurückhaltend, wie es sonst ihre Art war.

»Vielfalt?« neckte er sie.

»Nun ja, in den beiden Dachgeschossen leben hauptsächlich freigelassene Sklaven - vor allem Griechen -, die sich ihren Lebensunterhalt damit zu verdienen scheinen, daß sie ihren früheren Herren nachlaufen. Sie haben alle tiefe Sorgenfalten im Gesicht, und Männer sind ihnen wohl lieber als Frauen. In den Stockwerken darunter trifft man alles mögliche: einen römischen Gerber und seine Familie, einen römischen Töpfer und seine Familie, einen römischen Schafhirten mit Familie - hast du gewußt, daß es in Rom Schafhirten gibt? Er hütet die Schafe draußen auf dem Campus Lanatanus, wenn sie an den Schlachter verkauft werden sollen, ist das nicht interessant? Ich fragte ihn, warum er sich nicht eine Wohnung dort in der Nähe suche, aber er sagte, seine Frau und er seien beide aus der Subura und könnten sich nicht vorstellen, irgendwo anders zu leben. Der lange Weg mache ihm nichts aus.« Aurelia wurde ganz aufgeregt, während sie erzählte.

Aber Caesar runzelte die Stirn. »Ich bin nicht eingebildet, Aurelia, aber ich glaube nicht, daß es gut ist, wenn du dich auf Gespräche mit den Mietern einläßt. Du bist die Ehefrau eines Julius’ und mußt dich an gewisse Regeln halten. Man darf nicht herrisch oder unhöflich zu diesen Leuten sein und sollte auch Interesse für sie haben. Aber ich werde bald weggehen, und dann möchte ich nicht, daß aus solchen Bekannten Freunde meiner Frau werden. Du mußt ein bißchen Abstand zu deinen Mietern halten. Darum bin ich froh, daß die Makler die Miete kassieren und dich geschäftlich beraten.«

Aurelia starrte ihn bestürzt an und stammelte: »Es tut mir leid, Gaius Julius, ich - ich war unüberlegt. Ich habe mich wirklich nicht angebiedert. Ich dachte nur, es wäre interessant zu wissen, was jeder so tut.«

»Natürlich ist es das«, beschwichtigte er sie. Er merkte, daß er sie erschreckt hatte. »Erzähl mir noch mehr.«

»Dann gibt es noch einen griechischen Rhetor mit Familie, einen römischen Lehrer mit Familie - der möchte gerne die zwei Zimmer neben seiner Wohnung mieten, wenn sie frei werden, damit er seine Schulstunden hier abhalten kann.« Sie warf einen kurzen Blick auf Caesar und fügte hinzu: »Das haben mir die Makler erzählt.« Und damit belog sie ihren Mann zum ersten Mal.

»Das klingt gut«, sagte er, »und wen haben wir noch, meine Liebe?«

»Das Stockwerk über uns ist ziemlich eigenartig. Da wohnt ein Gewürzhändler mit seiner schrecklich überheblichen Frau. Und ein Erfinder! Er ist Junggeselle. Seine ganze Wohnung ist vollgestopft mit lauter kleinen Modellen von Hebekränen und Pumpen und Mühlen«, sprudelte es wieder aus ihr heraus.

»Willst du damit sagen, du warst in der Wohnung eines Junggesellen, Aurelia?« fragte Caesar.

Mit klopfendem Herzen belog sie ihn zum zweiten Mal. »Nein, Gaius Julius, wirklich nicht! Der Makler meinte, ich solle ihn doch auf seinen Rundgängen begleiten, dann könne ich die Mieter einmal überprüfen und sehen, wie sie leben.«

Caesar war beruhigt. »Ach so, ich verstehe! Natürlich. Was erfindet denn unser Erfinder?«

»Hauptsächlich Bremsen und Flaschenzüge, wie ich verstanden habe. Er hat mir gezeigt, wie das funktioniert, aber ich bin in solchen Dingen schrecklich unbegabt und konnte ihm nicht ganz folgen.«

»Seine Erfindungen scheinen sich zu lohnen, wenn er es sich leisten kann, im Stock über uns zu wohnen«, sagte Caesar. Er bemerkte mit einem unbehaglichen Gefühl, daß seine Frau nicht mehr so unbefangen und begeistert erzählte, aber er besaß nicht genug Einfühlungsvermögen, um zu merken, wessen Schuld das war.

»Seine Flaschenzüge baut er zusammen mit einer Gießerei, die viel für große Baufirmen arbeitet. Seine Bremsen stellt er in eigenen kleinen Betrieben irgendwo am Ende der Straße her.« Sie holte tief Luft und kam zu ihren ungewöhnlichsten Mietern: »Und wir haben ein ganzes Stockwerk voll Juden, Gaius Julius! Sie leben gerne zusammen mit anderen Juden, erzählten sie mir, weil sie so viele Regeln und Vorschriften zu befolgen haben - die sie sich im übrigen anscheinend selbst gegeben haben. Sehr fromme Leute! Ich kann die Abneigung der anderen gegen die Juden verstehen - verglichen mit ihnen sind wir ziemlich unmoralisch. Sie sind alle selbständig, vor allem weil sie jeden siebten Tag ihren Sabbat halten. Sind das nicht eigenartige Regeln? Wo doch in Rom an jedem achten Tag ein Feiertag mit Markt ist, und dann die vielen Feiern und Feste. Sie passen nicht zu nichtjüdischen Arbeitgebern. So vergeben sie die Arbeit lieber untereinander, anstatt normale Arbeitsstellen anzunehmen.«

»Wie ungewöhnlich!« sagte Caesar.

»Sie sind alle Handwerker und Gelehrte«, sagte Aurelia und versuchte, möglichst unbeteiligt zu wirken. »Einer von ihnen - Shimon heißt er, glaube ich - ist ein ganz ausgezeichneter Schreiber. Wunderbare Arbeit, Gaius Julius, wirklich sehr schön! Er schreibt nur in griechischer Schrift. Keiner von ihnen spricht Latein ganz perfekt. Wenn ein Verleger oder ein Autor ein besonderes Buch herausgeben will, das auch mehr kosten darf, geht er zu Shimon. Seine vier Söhne werden auch alle Schreiber. Shimon möchte, daß sie Latein genauso fließend beherrschen wie Griechisch, Aramäisch und - Hebräisch sagte er wohl auch noch. Dann werden sie immer genügend Arbeit haben in Rom.«

»Sind alle Juden Schreiber?«

»Nein, nein, nur Shimon. Einer arbeitet mit Gold, er beliefert ein paar Geschäfte am Porticus Margaritaria. Dann haben wir noch einen Portraitbildhauer, einen Schneider, einen Waffenschmied, einen Weber, einen Steinmetz und einen Balsamhändler.«