Der Verwalter klimperte mit seinen verführerisch langen Wimpern: »Und was soll ich sagen? Ich hatte mir vorgestellt, ich könnte mich in ihr Schlafzimmer schleichen und sie ein bißchen über Caesars Abwesenheit hinwegtrösten - und jetzt so was! Da würde ich ja eher zu einer Löwin ins Bett kriechen!«
»Meinst du, sie würde allen Ernstes den großen finanziellen Verlust in Kauf nehmen und uns mit schlechten Empfehlungen verkaufen?« fragte Murgus, dem bei dem bloßen Gedanken schon die Knie zitterten.
»Sie würde uns kreuzigen lassen, wenn es sein muß!« sagte der Verwalter ungerührt.
Nach dieser ersten Schlacht nahm Aurelia die Verhandlungen mit dem Mieter der anderen Parterrewohnung in Angriff. In ihrem Gespräch mit Caesar über die Hausbewohner hatte sie diesen Mann gar nicht erwähnt, Caesar hätte die Lage nicht so gesehen wie sie. Aber jetzt hatte sie freie Hand, und sie handelte.
Die andere ebenerdige Wohnung war über den Innenhof der insula erreichbar, Aurelia hätte nur über den Hof am Fuße des Lichtschachts hinübermarschieren müssen. Doch das hätte ihrem Besuch einen Charakter von Vertraulichkeit verliehen, den sie gerade nicht wünschte. Sie wollte die Wohnung ihres Mieters durch die vordere Haustür betreten. Das bedeutete, daß sie durch ihre Vordertür auf den Vicus Patricii treten mußte, rechts herum an den vermieteten Ladenräumen vorbei bis zur Spitze des Gebäudes gehen mußte, wo die Taverne an der Kreuzung stand, dann nach rechts in die Subura Minor hinein und an den anderen Geschäften ihrer insula vorbei, bis sie endlich zur Haustür der zweiten Parterrewohnung kam.
Hier wohnte ein berühmter Schauspieler namens Epaphroditos, und zwar, wenn man den Büchern trauen konnte, seit mehr als drei Jahren.
»Sag Epaphroditos, seine Hauswirtin möchte ihn sprechen«, wies Aurelia den Türsklaven an.
Während sie in der Eingangshalle wartete - die genauso groß war wie die Halle in ihrer Wohnung -, suchte sie mit geübtem Blick die Wände nach Rissen, abgeschlagenen Ecken, abblätternder Farbe und ähnlichem ab. Seufzend mußte sie feststellen, daß es hier besser aussah als in ihrer eigenen Eingangshalle. Die Wände waren frisch bemalt mit üppigen Früchten, bunten Blumen und prallen Cupidos zwischen täuschend echt nachgeahmten Purpurvorhängen.
»Ich kann es nicht glauben!« drang eine angenehm wohltönende Stimme auf griechisch an ihr Ohr.
Blitzschnell wandte Aurelia sich um. Ihr Mieter war sehr viel älter, als sie es der Stimme nach erwartet hätte. Auch sein Aussehen - jedenfalls soweit sie es von jenseits des Hofes her hatte einschätzen können - und der Ruf, den er als Schauspieler genoß, hätten nicht vermuten lassen, daß er ein Mann in den Fünfzigern war. Er war sorgfältig geschminkt und trug eine goldgelbe Perücke und eine üppig fallende Robe aus tyrischem Purpur, bestickt mit Tausenden von goldenen Sternen. Viele Römer trugen Purpur und gaben vor, es wäre der echte Purpur aus Tyros, aber dieser war wirklich echt: eine Farbe zwischen Schwarz und Violett glänzend, in wechselndem Licht zu Pflaumenblau und tiefstem Purpurrot changierend. Auf Wandteppichen sah man so etwas schon einmal, aber als Gewand hatte Aurelia echten tyrischen Purpur erst einmal gesehen. Als sie Cornelia, die Mutter der Gracchen, in ihrer villa besucht hatten, hatte Cornelia ihr stolz einen Umhang gezeigt, den Aemilius Paullus dem König Perseus von Makedonien abgenommen hatte.
»Was kannst du nicht glauben?« fragte Aurelia, ebenfalls auf griechisch.
»Du bist unglaublich, Schätzchen! Ich hörte schon, daß unsere Hauswirtin schön sei und ein Paar wunderbare blaue Augen habe, aber die Wirklichkeit stellt alles in den Schatten, was ich mir aus dem Abstand über den Innenhof her ausgemalt habe!« flötete er mit seiner wohlklingenden Stimme, die trotz der unmännlichen Höhe nicht lächerlich wirkte. »Nimm doch Platz!« sagte er.
»Ich stehe lieber.«
Er hielt abrupt inne, drehte sich um und zog seine dünnen, sorgfältig gezupften Augenbrauen hoch. »Es geht also um Geschäftliches?«
»Selbstverständlich.«
»Wie kann ich dir behilflich sein?« fragte er.
»Indem du ausziehst.«
Er schnappte nach Luft, wankte, seine Hände fuhren an die Brust, ein Ausdruck des Schreckens trat in sein Gesicht.
»Was?«
»Du hast acht Tage Zeit«, sagte die Hauswirtin.
»Aber das kannst du doch nicht machen! Ich habe immer pünktlich die Miete bezahlt! Ich kümmere mich so sorgfältig um diese Wohnung, als wäre sie mein Eigentum. Erklär mir deine Gründe, domina«, sagte er. Sein Stimme klang jetzt hart, und aus seinem geschminkten Gesicht war alle Freundlichkeit gewichen.
»Deine Art zu leben gefällt mir nicht«, sagte Aurelia.
»Wie ich lebe, ist meine Sache.«
»Nicht mehr, wenn ich auf der anderen Seite des Hofes meine Familie aufziehen muß und von dort Dinge sehe, die weder meinem Kind noch mir guttun. Nicht mehr, wenn deine Geliebten beiderlei Geschlechts auf den Hof hinausströmen und dort ihre Spielchen fortsetzen.«
»Bring doch Vorhänge an«, sagte Epaphroditos.
»Das werde ich nicht tun. Und es wird mir auch nicht genügen, wenn du Vorhänge anbringst. Denn wir können ebensogut hören wie sehen.«
»Nun gut, es tut mir leid, daß du so denkst, aber für mich macht das keinen Unterschied. Ich werde nicht ausziehen«, sagte Epaphroditos brüsk.
»Wenn es so steht, werde ich Amtsdiener kommen lassen und dich zur Räumung zwingen.«
Epaphroditos nutzte seine verblüffenden Künste, größer zu wirken, als er war, und kam bedrohlich näher. Aurelia fühlte sich an Achilles erinnert, wie er sich im Harem des Königs Lykomedes auf Skyros versteckte.
»Jetzt hör mir gut zu, mein Fräulein. Ich habe ein Vermögen dafür ausgegeben, diesen Ort so zu gestalten, wie es mir gefällt, und ich habe nicht die Absicht, ihn zu verlassen. Wenn du versuchst, irgendwelche Mätzchen mit mir zu machen, wie beispielsweise die Amtsdiener hierherzuschicken, werde ich dich verklagen! Um genau zu sein, sobald ich dich aus meiner Wohnung geleitet habe, werde ich direkt zum Büro des Stadtprätors gehen und meine Klage einreichen.«
Gegen ihre veilchenblauen Augen erschien der tyrische Purpur wie billiger Tand. »Tu das nur!« sagte sie süß. »Er heißt Gaius Memmius und ist mein Vetter. Es stehen zur Zeit allerdings viele Prozesse an, du wirst dich erst einmal an seinen Helfer wenden müssen. Frag ruhig nach seinem Namen! Er heißt Sextus Julius Caesar und ist mein Schwager.« Sie machte ein paar Schritte und betrachtete die frisch dekorierten Wände und den wertvollen Mosaikfußboden. In keiner anderen Wohnung gab es etwas ähnliches. »Ja, das ist alles sehr hübsch! Ich bin froh, daß dein Geschmack in puncto Innenausstattung besser ist als der in der Wahl deiner Freunde. Aber du wirst sicher wissen, daß jede Verbesserung der Ausstattung von gemieteten Räumlichkeiten Eigentum des Hausbesitzers ist. Der Hausbesitzer ist gesetzlich nicht verpflichtet, auch nur einen Sesterz zu erstatten.«
Acht Tage später war Epaphroditos verschwunden. Er stieß wüste Flüche über die Frauen im allgemeinen und Aurelia im besonderen aus, konnte aber nichts tun. Aurelia hatte zwei Gladiatoren angeheuert, die in seiner Wohnung Wache standen, und so konnte Epaphroditos weder die Fresken verunstalten noch den Mosaikboden abgraben, was er allen Ernstes vorgehabt hatte.
»Gut!« sagte Aurelia und rieb sich den Staub von den Händen. »Jetzt kann ich mir einen anständigen Mieter suchen, Cardixa.«
Es gab verschiedene Möglichkeiten, eine freie Wohnung zur Vermietung anzubieten. Der Hausbesitzer konnte eine Notiz an seiner Haustür anbringen, an den Wänden seiner Ladenräume, an den Eingängen der öffentlichen Bäder und Latrinen sowie an jeder Wand, die einem Freund gehörte, und eine solche Nachricht verbreitete sich auch mündlich. Da Aurelias insula als besonders sicher bekannt war, gab es keinen Mangel an Bewerbern für die Wohnung. Aurelia sprach mit allen persönlich, manche gefielen ihr, manche schienen ihr vertrauenswürdig, manchen hätte sie die Wohnung selbst dann nicht gegeben, wenn sie die einzigen Interessenten gewesen wären. Aber niemand entsprach genau ihren Vorstellungen, so suchte sie weiter und führte Gespräch um Gespräch.