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»Ich versichere dir, der heutige Tag wird so schön enden, wie er angefangen hat, Freund«, sagte Lucius Decumius zufrieden.

Bomilkar tastete unter seinem Mantel nach der Börse. »Bist du sicher?«

»Genau so sicher, wie ich weiß, daß mein Schuh stinkt, wenn ich in Kot trete.«

Der Beutel Gold ging unsichtbar von einer Hand zur anderen. Erleichtert verabschiedete sich Bomilkar.

»Ich danke dir, Lucius Decumius.«

»Keine Ursache, Freund, das Vergnügen war ganz meinerseits!« Lucius Decumius blieb an der Theke stehen und aß genußvoll seine Pastete zu Ende. »Austern statt Zwiebeln«, sagte er laut.

Bomilkar verließ das Viertel durch das Fontinalis-Tor und erreichte den Campus Martius. Er kam jetzt schneller voran, weil sich die Menge zerstreute. Er betrat Jugurthas Villa durch die Vordertür, ohne jemandem zu begegnen. Erleichtert warf er den Mantel ab. Der König war heute besonders großzügig gewesen und hatte allen Sklaven im Haus freigegeben, damit sie den Triumphzug des Drusus ansehen konnten. Außer den numidischen Dienern und Leibwächtern, die dem König in fanatischer Treue ergeben waren, befand sich also niemand im Haus.

Jugurtha saß wie gewöhnlich in der Loggia im Obergeschoß.

»Die Sache ist erledigt«, sagte Bomilkar.

Der König ergriff Bomilkars Arm und drückte ihn. »Gut gemacht! «sagte er lächelnd.

»Ich bin froh, daß es so glatt ablief«, sagte Bomilkar.

»Ist er wirklich tot?«

»Der Attentäter hat mir versichert, daß er tot ist - so gewiß, wie er weiß, daß sein Schuh stinkt, wenn er in Kot getreten ist. « Bomilkar wollte sich auf einmal ausschütten vor Lachen.

Jugurtha atmete auf. »Sobald wir bestätigt bekommen, daß mein lieber Vetter Massiva tot ist, werden wir unsere Agenten zu einer Besprechung zusammenrufen. Wir müssen den Senat dazu bringen, daß er mein Recht auf den Thron anerkennt und daß wir nach Hause dürfen.« Er verzog das Gesicht. »Ich darf natürlich nicht vergessen, daß ich auch noch mit meinem ewig kränkelnden, geliebten Halbbruder Gauda fertig werden muß.«

Einer fehlte, als Jugurtha seine Agenten in seiner Villa zusammenrief. Als Marcus Servilius Agelastus von der Ermordung des Prinzen Massiva erfuhr, bat er den Konsul Spurius Albinus um eine Unterredung. Der Konsul ließ ihm durch einen Sekretär mitteilen, er sei zu beschäftigt, doch Agelastus beharrte auf seinem Wunsch, bis der Sekretär ihn zum jüngeren Bruder des Konsuls schickte. Aulus reagierte erregt auf das, was Agelastus zu sagen hatte. Spurius Albinus wurde gerufen, hörte sich gleichmütig Agelastus’ Aussage an, dankte ihm, notierte sich seine Adresse, ließ sich außerdem, um ganz sicher zu gehen, noch eine Anschrift nennen, bei der Nachrichten hinterlegt werden konnten, und verabschiedete Agelastus so freundlich, daß jeder andere Mann mit einem Lächeln auf dem Gesicht gegangen wäre. Doch Agelastus lächelte nie.

»Wir müssen den Stadtprätor einschalten. Es muß alles so legal wie möglich ablaufen«, sagte Spurius, als er mit seinem Bruder allein war. »Die Sache ist zu wichtig, um Agelastus als Kläger auftreten zu lassen - das mache ich selbst. Aber er ist für uns von größter Wichtigkeit, weil er der einzige römische Bürger unter Jugurthas Agenten ist. Der Stadtprätor muß dann entscheiden, wie Bomilkar angeklagt werden kann. Zweifellos wird er die Senatsvollversammlung konsultieren und um Anweisung bitten, weil er sich nicht in die Nesseln setzen will, aber ich glaube, ich kann seine Furcht zerstreuen, wenn ich ihm die rechtliche Lage schildere. Das Verbrechen ist ja in Rom von einem Bürger Roms verübt worden. Da brauche ich nur noch darauf hinzuweisen, daß Prinz Massiva der Klient des Konsuls war und unter seinem Schutz stand. Es ist wichtig, daß Bomilkar in Rom und vor einem römischen Gericht angeklagt und verurteilt wird. Du, Aulus, wirst dich bereithalten, als Ankläger aufzutreten. Ich werde dafür sorgen, daß auch der praetor peregrinus konsultiert wird, denn er ist ja normalerweise für Gerichtsverfahren gegen Nichtbürger zuständig. Wir werden verhindern, daß Jugurtha den Senat auf seine Seite zieht - und dann schauen wir uns nach einem anderen Thronanwärter um.«

»Wie wäre es mit Prinz Gauda?«

»Meinetwegen Prinz Gauda, obwohl er kaum das Zeug dazu hat. Schließlich ist er Jugurthas legitimer Halbbruder. Wir müssen nur dafür sorgen, daß Gauda niemals persönlich nach Rom kommt, um seinen Anspruch anzumelden.« Spurius lächelte Aulus an. »Numidien haben wir noch dieses Jahr in der Hand, das schwöre ich dir! «

Jugurtha hatte den Gedanken völlig aufgegeben, nach den römischen Spielregeln zu kämpfen. Als der Stadtprätor mit seinen Liktoren in der Villa auf dem Pincio vorsprach und Bomilkar wegen Verschwörung zum Mord verhaften wollte, war der König einen Augenblick lang versucht, die Auslieferung Bomilkars einfach zu verweigern und abzuwarten, was daraufhin geschehen würde. Dann erklärte er, da weder das Opfer noch der Beschuldigte Bürger Roms seien, habe Rom seiner Meinung nach damit gar nichts zu tun. Der Stadtprätor erwiderte, daß der Senat beschlossen habe, den Beschuldigten vor ein römisches Gericht zu stellen, denn es gebe Beweise, daß der Attentäter römischer Bürger sei. Ein gewisser Marcus Servilius Agelastus, ein römischer Ritter, habe die Beweise geliefert. Er habe geschworen, man habe zuerst ihn gefragt, ob er den Mord begehen könne.

»In diesem Fall«, sagte Jugurtha, »kann mein Gefolgsmann nur vom Fremdenprätor verhaftet werden.«

»Man hat dich falsch informiert, Herr«, erklärte der Stadtprätor gewandt. »Der Fremdenprätor wird natürlich auch mit dem Fall befaßt werden. Aber die Gewalt des Stadtprätors reicht bis zum fünften Meilenstein vor den Mauern Roms, deine Villa liegt also innerhalb meines Zuständigkeitsbereichs. Ich fordere dich deshalb auf, Bomilkar auszuliefern.«

Bomilkar wurde geholt und sofort in die Zellen der Lautumiae verbracht. Jugurtha ließ durch seine Agenten fordern, man möge Bomilkar gegen Kaution entlassen oder ihn zumindest im Haus eines angesehenen Bürgers gefangenhalten. Das wurde abgelehnt.

Das jahrhundertealte Gefängnis der Lautumiae bestand aus ungemauerten Steinblöcken und schmiegte sich an den Steilhang oberhalb des Forum Romanum. Die Gefangenen waren in zerfallenen Zellen ohne jegliche Sicherungsmaßnahmen untergebracht und konnten sich innerhalb der Mauern frei bewegen. Nur die Liktoren an den Ausgängen hinderten sie daran, das Gefängnis zu verlassen. Da das Gefängnis meist leerstand, war der Anblick von Liktoren vor den Eingängen eine große Sensation. Bomilkars Gefangennahme verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der Stadt - dank der Liktoren, die nur allzu gerne die Neugier der Passanten befriedigten.

Lucius Decumius gehörte zwar dem gemeinen Volk an, doch sein sozialer Status hatte nichts mit seinem Verstand zu tun. Der Posten des Vorstehers eines Kreuzwegvereins stellte einige Ansprüche. Als das Gerücht von Bomilkars Gefangennahme in die Subura drang, zählte Lucius Decumius zwei und zwei zusammen und kam auf vier. Zwar lautete der Name Bomilkar, nicht Juba, und Bomilkar war Numider, nicht Mauretanier, doch Decumius wußte sofort, daß das sein Mann war.

Er nahm Bomilkar die List nicht übel, sondern bewunderte ihn eher dafür. Sofort machte er sich auf den Weg zu den Lautumiae. Am Eingang grinste er die beiden Liktoren breit an, die dort Wache standen, und stieß sie mit dem Ellbogen einfach beiseite.

»Scheißkerl!« sagte der eine und rieb die schmerzende Stelle.

»Selbst einer! « rief Decumius und sprang gewandt hinter eine der halbverfallenen Säulen. Dort wartete er, bis sich die Liktoren wieder beruhigt hatten.

Da Rom nicht über militärische oder zivile Vollzugsorgane verfügte, rekrutierte es das Personal für besondere Aufgaben wie die Bewachung der Gefängnisse traditionell aus den Reihen der Liktoren. In Rom gab es insgesamt etwa dreihundert Liktoren, die vom Staat schlecht bezahlt wurden und deshalb von der Großmut der Männer abhingen, denen sie dienten. Liktoren begleiteten alle Magistrate mit imperium. Sie kämpften um die Gelegenheit, mit einem Statthalter ins Ausland zu gehen, da sie dort von den Privilegien und Einkünften des Statthalters profitierten. Liktoren beriefen ferner die Kuriatkomitien ein, zu denen das Volk in dreißig curiae zusammentrat, und sie konnten für den Wachdienst vor der Lautumiae oder dem benachbarten Tullianum eingesetzt werden, wo die zum Tode Verurteilten die kurze Zeit bis zu ihrer Erdrosselung gefangengehalten wurden. Der Wachdienst gehörte zu den unerfreulichsten Aufgaben. Hier waren keine Trinkgelder, keine Bestechungsgelder, überhaupt nichts zu erwarten. Deshalb machte sich keiner der beiden Liktoren die Mühe, Lucius Decumius in das Gebäude hinein zu verfolgen. Ihre Anweisung lautete, den Eingang zu bewachen. Und das war alles, wozu sie bereit waren, beim Jupiter.