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»Ach, lieber Lucius! Wenn du nur willst, kannst du jede Frau dazu bringen, daß sie dir aus der Hand frißt!« schmeichelte Nikopolis. »Versuche es! Tu es mir zuliebe!«

»Nicht um alles Geld der Welt würde ich vor jemandem wie Clitumna im Staub kriechen!«

»Sie hat nicht alles Geld der Welt, aber sie hat mehr als du brauchst, um in den Senat zu kommen«, schmeichelte die Verführerin.

»Du irrst dich, wirklich! Sie hat dieses Haus, aber abgesehen davon gibt sie jeden Sesterz aus, den sie einnimmt - und was sie nicht verbraucht, gibt der klebrige Stichus aus.«

»Warum, glaubst du, wird sie dann von den Geldwechslern umworben, als wäre sie Cornelia, die Mutter der Gracchen? Sie hat bei ihnen ein hübsches Vermögen angelegt, und sie gibt nicht einmal die Hälfte ihres Einkommens aus.«

Sulla setzte sich so ruckartig auf, daß die Falten seiner Toga auseinanderfielen.

»Nikopolis! Hast du das alles erfunden?«

»Nichts habe ich erfunden«, antwortete sie und führte einen Faden aus purpurroter, mit Goldfäden durchwirkter Wolle durch die Nadel.

»Clitumna wird sicher hundert Jahre alt«, sagte Sulla und sank gelangweilt auf das Sofa zurück.

»Schon möglich, daß sie hundert Jahre alt wird«, sagte Nikopolis. Sie machte einen Stich und zog den glitzernden Faden mit unendlicher Vorsicht durch das Gewebe. Dann richtete sie ihre großen, dunklen Augen wieder auf Sulla und blickte ihn ruhig an. »Vielleicht auch nicht. Niemand in ihrer Familie wurde sehr alt.«

Von draußen drangen Geräusche herein. Lucius Gavius Stichus war wohl dabei, sich von seiner Tante Clitumna zu verabschieden.

Sulla erhob sich. »Also gut, Nikopolis.« Er grinste. »Dieses eine Mal versuche ich es. Drück mir die Daumen! «

Sullas Gespräch mit Clitumna war nicht erfolgreich. Stichus hatte seine Tante mit List bearbeitet, und Sulla konnte sich nicht so weit erniedrigen, wie Nikopolis ihm geraten hatte.

»Du bist an allem schuld, Lucius Cornelius«, sagte Clitumna weinerlich und drehte und zog mit ihren beringten Fingern an den Fransen ihres teuren Schals. »Du gibst dir überhaupt keine Mühe, nett zu meinem Jungen zu sein, obwohl er dir doch immer so weit entgegenkommt!«

»Er ist ein schmieriger kleiner Gernegroß«, knurrte Sulla.

In diesem Augenblick glitt Nikopolis, die an der Türe gelauscht hatte, in den Raum und setzte sich neben Clitumna auf das Sofa. Sie kuschelte sich an Clitumna und sah Sulla resigniert an.

»Was ist los?« fragte sie unschuldig.

»Lucius verträgt sich nicht mit Lucius«, sagte Clitumna, »obwohl ich mir doch so sehr wünsche, daß sie Freunde werden!«

Nikopolis hob Clitumnas Hand an ihre Wange. »Oh, mein armes Mädchen! « gurrte sie. »Der eine ist eben ein geradeso böser Kampfhahn wie der andere, das ist das Problem.«

»Aber sie müssen lernen, miteinander auszukommen«, sagte Clitumna, »weil mein lieber Lucius Gavius seine Wohnung aufgeben und nächste Woche hier einziehen wird.«

»Dann ziehe ich aus«, sagte Sulla.

Die beiden Frauen begannen zu jammern, Clitumna mit schriller Stimme, Nikopolis wie ein kleines, gefangenes Kätzchen.

Sulla beugte sich zu Clitumna herunter und brachte sein Gesicht dicht vor ihr Gesicht. »Benimm dich endlich wie eine erwachsene Frau!« zischte er. »Gavius weiß doch, was hier los ist. Wie soll er ertragen, mit einem Mann im selben Haus zu wohnen, der mit zwei Frauen schläft, von denen eine seine eigene Tante ist?«

Clitumna brach in Tränen aus. »Aber er will hier einziehen! Ich kann doch meinen eigenen Neffen nicht zurückweisen!«

»Auch gut! Wenn ich ausziehe, hat er keinen Grund mehr, sich zu beklagen.«

Sulla wandte sich zur Tür, doch Nikopolis streckte die Hand aus und ergriff seinen Arm. »Sulla, liebster Sulla, zieh nicht aus!« rief sie. »Du kannst doch weiter mit mir schlafen, und wenn Stichus nicht zu Hause ist, kann Clitumna zu uns kommen!«

»Oh, sehr geschickt!« sagte Clitumna eisig. »Du willst ihn ganz für dich allein, du geile Ziege!«

Nikopolis wurde blaß. »Was schlägst du dann vor? Deine Dummheit hat uns das doch eingebrockt!«

»Haltet den Mund, alle beide!« zischte Sulla. »Ihr habt so viele Theaterstücke gesehen, daß ihr euch selbst wie Schauspieler aufführt. Ihr hängt mir beide zum Hals heraus. Ich habe genug davon, ein halber Mann zu sein!«

»Du bist ja auch kein halber Mann!« sagte Clitumna gehässig. »Du bist zwei Hälften - eine gehört mir, die andere Nikopolis! «

Sulla wußte nicht, was ihn mehr schmerzte: die Wut oder die Trauer. Halbwahnsinnig starrte er seine beiden Peinigerinnen an. Er war nicht mehr fähig zu denken, nicht mehr fähig zu verstehen.

»So kann ich nicht weiterleben!« sagte er schließlich.

»Unsinn! Natürlich kannst du das«, rief Nikopolis mit der Überheblichkeit der Frau, die ihren Mann genau dahin gebracht hat, wo sie ihn haben will - unter ihren Fuß. »Jetzt geh und tu was Vernünftiges. Morgen sieht alles wieder ganz anders aus. Das ist bei dir doch immer so.«

Sulla verließ das Haus und stolperte ohne Ziel die Straße entlang. Etwas Vernünftiges tun - geistesabwesend ging er vom Cermalus zu jener Seite des Palatin, die dem Ende des Circus Maximus und dem Capena-Tor zugewandt war.

Hier gab es weniger Häuser, und zwischen den Häusern erstreckten sich weite Parkanlagen. Unbekümmert um die Kälte, setzte Sulla sich auf einen Stein und blickte gedankenverloren vor sich hin. Er sah weder die leeren Zuschauerränge des Circus Maximus noch die anmutigen Tempel auf dem Aventin, er sah nur seinen eigenen Weg vor sich, der sich unendlich in eine furchtbare Zukunft erstreckte, eine holprige Straße aus Knochen und Haut ohne jeden erkennbaren Zweck. Schmerz schüttelte ihn, bis er seine Zähne knirschen hörte. Er merkte nicht, daß er laut stöhnte.

»Ist dir nicht wohl?« fragte leise eine ängstliche Stimme.

Als Sulla aufblickte, sah er niemanden - der Schmerz lag noch immer über seinen Augen. Doch dann hob sich der Schleier, und langsam nahm er das Mädchen wahr: ein spitzes Kinn, goldene Haare, ein herzförmiges Gesicht, das nur aus Augen zu bestehen schien, aus riesigen, honigfarbenen Augen, die ihn besorgt anblickten.

»Julia.« Er erschauerte.

»Nein, Julia ist meine ältere Schwester. Ich heiße Julilla«, sagte das Mädchen lächelnd. »Bist du krank, Lucius Cornelius?«

»Nicht so krank, daß ein Arzt mir helfen könnte«, sagte er. »Ich wäre jetzt gerne verrückt, aber es will mir nicht gelingen.«

Julilla rührte sich nicht. »Wenn es dir nicht gelingt, dann wollen dich die Furien offenbar noch nicht haben.«

Sulla sah sich um und runzelte mißbilligend die Stirn. »Bist du allein? Was denken sich deine Eltern denn, daß sie dich so spät noch hier herumspazieren lassen?«

»Meine Dienerin ist bei mir«, sagte sie ruhig und kauerte sich auf die Fersen. In ihren Augen blitzte es koboldhaft auf. »Sie ist ein gutes Mädchen, treu und verschwiegen.«

»Du meinst, sie läßt dich tun, was du willst, und verrät dich nicht? Aber eines Tages werden sie dich doch erwischen.«

Sie schwiegen. Julilla betrachtete sein Gesicht mit unbefangener Neugier. Was sie sah, gefiel ihr.

»Geh nach Hause, Julilla. Wenn sie dich erwischen, dann wenigstens nicht mit mir.« Sulla seufzte.

»Weil du ein schlechter Mann bist?« fragte sie.

Er mußte lächeln. »Wenn du es so ausdrücken willst.«

»Ich glaube nicht, daß du so schlecht bist!«

Welcher Gott mochte sie geschickt haben? Sullas Muskeln entspannten sich, er fühlte sich auf einmal unbeschwert und leicht, als ob tatsächlich ein Gott ihn gestreift habe.

»Ich bin wirklich schlecht, Julilla«, sagte er.