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»Unsinn! « Ihre Stimme klang fest und überzeugt.

Sulla erkannte die Symptome mädchenhafter Schwärmerei und verspürte den Impuls, den Flirt durch eine grobe oder einschüchternde Bemerkung zu beenden. Doch er brachte es nicht über sich. Dieses Mädchen verdiente eine bessere Behandlung. Für sie würde er den besten Lucius Cornelius Sulla hervorholen, frei von Schmutz, Kriecherei und Obszönität.

»Ich danke dir für dein Vertrauen, kleine Julilla«, sagte er.

»Ich muß noch nicht nach Hause«, sagte sie ernsthaft. »Reden wir noch ein wenig miteinander?«

Sulla rückte auf seinem Felsblock zur Seite. »Also gut. Aber setz dich hierher. Der Boden ist zu feucht.«

»Die Leute sagen, daß du deinem Namen Schande bringst. Aber ich glaube nicht, daß das stimmt. Du hast ja noch gar keine Gelegenheit gehabt zu zeigen, was du kannst.«

»Das hat vermutlich dein Vater gesagt?«

»Was?«

»Daß ich meinem Namen Schande bringe.«

Sie war entsetzt. »Oh nein! Tata würde so etwas nie sagen. Er ist der klügste Mann der Welt.«

»Meiner war der dümmste. Wir beide stammen aus zwei sehr unterschiedlichen Schichten der römischen Bevölkerung, kleine Julilla.«

Sie zupfte die langen Grashalme heraus, die um den Felsblock wuchsen, und flocht sie mit geschickten Fingern zu einem Kranz. »Hier«, sagte sie und hielt ihm den Kranz hin.

Sullas Atem stockte. »Eine Krone aus Gras!« sagte er verwundert. »Nein! Nicht für mich! «

»Natürlich für dich«, beharrte sie, und als er keine Anstalten machte, den Kranz anzunehmen, beugte sie sich zu ihm hinüber und setzte ihm den Kranz auf den Kopf.

»Blumenkränze gibt man nur jemandem, den man liebt«, sagte er.

»Ich liebe dich doch!« erwiderte sie leise.

»Vielleicht jetzt. Aber das geht vorbei.«

»Nein, nie!«

Sulla stand auf und lachte. »Jetzt hör aber auf! Du bist doch höchstens fünfzehn Jahre alt. «

»Sechzehn!« sagte sie schnell.

»Fünfzehn, sechzehn, da ist kein Unterschied. Du bist noch ein Kind.«

Sie wurde rot vor Empörung und preßte die Lippen wütend zusammen. »Ich bin kein Kind mehr! «

»Natürlich bist du eins«, lachte er. »Schau dich doch einmal an, du steckst ja noch halb in den Windeln, ein kleines, dickes Baby.« Gut gesprochen! Das würde ihr den Kopf zurechtrücken.

Aber er hatte sie tief verletzt. Das Licht in ihren Augen erlosch. »Ich bin nicht hübsch!« sagte sie. »Und ich habe immer gedacht, ich sei hübsch!«

»Wahrscheinlich bekommen das alle kleinen Mädchen von ihren Eltern zu hören«, sagte Sulla grob. »Aber die Welt urteilt nach anderen Kriterien. Na ja, wenn du älter bist, wirst du ganz ordentlich aussehen. Jedenfalls wirst du schon einen Mann finden.«

»Ich will nur dich«, flüsterte sie.

»Das glaubst du jetzt. Aber du irrst dich, du dickes Baby. Und jetzt hau ab, bevor ich dich an den Haaren ziehe. Geh schon! Sssch!«

Sie rannte so schnell davon, daß die Dienerin ihr kaum folgen konnte. Sulla blickte den beiden Mädchen nach, bis sie hinter dem Kamm des nächsten Hügels verschwunden waren.

Er trug noch immer den Graskranz auf dem Kopf. Er riß ihn herab, warf ihn jedoch nicht weg, sondern hielt ihn in den Händen und starrte darauf. Dann stopfte er ihn in seine Tunika und machte sich auf den Rückweg.

Armes Ding. Er hatte ihr wehgetan. Doch er hatte ihr jede Hoffnung nehmen müssen, denn das letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, war eine liebeskranke Nachbarstochter, die ihn über die Mauer hinweg anhimmelte. Schließlich war ihr Vater nicht nur Clitumnas Nachbar, sondern auch noch Senator.

Bei jedem Schritt erinnerte ihn ein leichtes Kitzeln auf seiner Haut an den Graskranz. Corona graminea. Ihm überreicht hier auf dem Palatin durch eine Personifikation der Venus - eine Julia. Ein Omen.

»Wenn es ein gutes Omen ist, werde ich dir einen Tempel bauen, siegreiche Venus«, sagte er laut.

Endlich sah er seinen Weg klar vor sich liegen. Ein gefährlicher Weg und doch ein gangbarer Weg - für jemanden, der nichts zu verlieren und alles zu gewinnen hatte.

Schwer senkte sich die winterliche Dämmerung über die Stadt, als Sulla wieder bei Clitumnas Haus ankam. Er fragte nach den Frauen. Sie steckten im Eßzimmer die Köpfe zusammen und hatten mit dem Essen auf ihn gewartet. Es war offenkundig, daß er der Gegenstand ihres Gesprächs gewesen war.

»Ich brauche Geld«, sagte er als erstes.

»Aber Lucius Cornelius... «, begann Clitumna.

»Halt deinen Mund, du alte Schlampe! Ich brauche Geld.«

»Aber Lucius Cornelius!«

»Ich mache Ferien«, sagte er, ohne sich zu setzen. »Es liegt an euch. Wenn ihr mich zurückhaben wollt - wenn ihr weiterhin genießen wollt, was ich zu bieten habe -, dann gebt mir tausend Denare. Andernfalls verlasse ich Rom für immer.«

»Wir geben dir jede die Hälfte«, sagte Nikopolis und sah ihn mit ihren dunklen Augen aufmerksam an.

»Einverstanden.« »Aber vielleicht haben wir nicht soviel Geld im Haus.«

»Euer Pech. Ich werde nämlich nicht warten.«

Als Nikopolis eine Viertelstunde später sein Zimmer betrat, war Sulla bereits mit Packen beschäftigt. Sie setzte sich auf sein Bett und sah ihm schweigend zu, bis er geruhen würde, sie zu bemerken.

Schließlich brach sie das Schweigen. »Du bekommst dein Geld.

Clitumna hat den Verwalter zu ihrem Bankier geschickt. Wohin gehst du?«

»Ich weiß es nicht. Es ist mir auch egal, solange ich nur hier wegkomme.« Er faltete Socken zusammen und steckte sie in die Schuhe.

»Du packst wie ein Soldat.«

»Woher willst du das wissen?«

»Ich war einmal die Geliebte eines Militärtribuns und bin mit der Truppe gezogen. Kaum zu glauben, nicht wahr? Was man nicht alles tut, wenn man jung und verliebt ist! Ich betete ihn an. Ich folgte ihm bis nach Spanien und dann nach Asien.« Sie seufzte.

»Und dann?« Sulla wickelte seine zweitbeste Tunika um ein Paar lederne Stiefel.

»Er fiel in Makedonien. Ich kehrte nach Hause zurück.« Mitleid erfüllte ihr Herz, doch nicht Mitleid für den toten Geliebten, sondern Mitleid für Lucius Cornelius, diesen gefangenen, schönen Löwen, der für irgendeine schmutzige Arena bestimmt war. Warum mußten Menschen lieben, wenn es so sehr schmerzte? Sie lächelte, aber es war kein frohes Lächeln. »Er hinterließ mir sein gesamtes Vermögen, und ich wurde ziemlich reich. Damals machten die Soldaten reiche Beute.«

»Mir bricht das Herz«, sagte Sulla. Er steckte sein Rasierzeug in einen Leinenbeutel und ließ den Beutel in eine Satteltasche gleiten.

Nikopolis verzog das Gesicht. »Das hier ist ein furchtbares Haus. Wie ich es hasse! Alle sind verbittert und unglücklich. Wir beleidigen und verachten einander und sagen einander böse Dinge. Warum bleibe ich hier?«

»Weil du, meine Liebe, auch nicht mehr die Jüngste bist«, antwortete er.

»Und du haßt uns alle«, sagte sie. »Ist die Stimmung im Haus deshalb so schlimm? Es wird jeden Tag schlimmer.«

»Richtig. Und deshalb gehe ich auch für eine Zeitlang weg.« Er schloß die beiden Satteltaschen und hob sie ohne Mühe hoch. »Ich will frei sein. Ich will mein Geld in irgendeiner Stadt durchbringen, wo keiner meine dumme Visage kennt. Ich will fressen und saufen, bis ich alles wieder herauskotze. Ich will mindestens ein halbes Dutzend Weiber schwängern, und jeder Strichjunge, der mir über den Weg läuft, wird einen wunden Arsch kriegen.« Sulla lächelte böse. »Dann, meine Liebe, komme ich wieder ganz zahm hierher zurück. Zu dir, zu unserem klebrigen Stichus und zu Tantchen Clitumna. Und dann leben wir glücklich zusammen bis ans Ende unserer Tage.«

Sulla sagte ihr nicht, daß er Metrobius mitnehmen würde.

Er erzählte niemandem, nicht einmal Metrobius, was er eigentlich vorhatte. Denn er plante keine Ferien. Er plante eine Bildungsreise. Er wollte sich mit Dingen wie Arzneimittelkunde, Chemie und Botanik beschäftigen.