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Sulla öffnete den Schrein des ersten Sulla. Er ging sehr sorgfältig zu Werk, denn das Holz war brüchig. Eines Tages wollte er die Ahnenschreine restaurieren lassen und sie in seinem Haus in einem eindrucksvollen Atrium aufstellen. Im Augenblick jedoch schien der Schrein der richtige Ort, um die beiden Fläschchen und das Kästchen mit dem Pulver zu verstecken - der Schrein des Sulla, der zu seiner Zeit der heiligste Mann in Rom, der Diener des Jupiter Optimus Maximus gewesen war.

Im Innern des Schreins befand sich eine Wachsmaske mit einer Perücke. Die Maske war lebensgroß und wirkte durch ihre sorgfältige Bemalung außerordentlich lebensecht. Stechende Augen sahen Sulla an, blau im Unterschied zu seinen eigenen blaßgrauen Augen. Die Haut des Ahnen war hell, aber nicht so hell wie die Sullas, das dichte und lockige Haar war karottenrot, während Sullas Haar goldrot glänzte. Die Maske war auf einem hölzernen Block befestigt und zuletzt bei der Beerdigung seines Vaters herausgenommen worden. Das Geld für die Beerdigung hatte Sulla durch eine Reihe demütigender Begegnungen mit einem ihm verhaßten Mann verdienen müssen.

Liebevoll schloß Sulla die Tür, dann tasteten seine Finger suchend über die Treppe, die zu dem Holztürchen hinaufführte. Die Stufen waren glatt und nichts deutete darauf hin, daß in ihnen eine kleine Schublade verborgen war. Doch wie bei einem echten Tempel war das Podium des Ahnentempelchens hohl. Sullas Finger fanden die richtige Stelle und zogen die Schublade aus der Treppe. Die Schublade war nicht als Geheimfach gedacht, sondern in ihr wurden das Testament des Verstorbenen sowie eine detaillierte Beschreibung seiner körperlichen Erscheinung, seiner Größe, seines Ganges, seiner Gewohnheiten und seiner sonstigen Körpermerkmale aufbewahrt. Wann immer ein Cornelius Sulla starb, wurde ein Schauspieler engagiert, der die Maske aufsetzte und den toten Vorfahr so täuschend ähnlich spielte, daß man glauben konnte, er sei zurückgekehrt, um einen weiteren Sproß seines Geschlechtes aus dieser Welt zu geleiten.

Neben den Dokumenten über den Priester Publius Cornelius Sulla Rufinus war in der Schublade genügend Platz für die beiden Fläschchen und das Kästchen mit dem Pulver. Sulla legte alles hinein, schob die Schublade wieder zurück und vergewisserte sich, daß sie ganz geschlossen war. Sein Geheimnis war bei Rufinus sicher aufgehoben.

Erleichtert richtete er sich auf, öffnete die Fensterläden und schob den Riegel an der Tür zurück. Er nahm den Flitterkram vom Tisch und griff mit einem boshaften Grinsen nach einer der Schriftrollen, die gleichfalls dort lagen.

Dann ging er ins Eßzimmer, in dem neben Clitumna und Nikopolis Lucius Gavius Stichus lag, natürlich auf dem Platz des Hausherrn. Auch Clitumna und Nikopolis lagen auf einem Sofa, statt auf Stühlen zu sitzen, wie es sich für Frauen ziemte. Die beiden Frauen gaben nicht viel auf Traditionen.

»Da seid ihr ja, Mädchen«, sagte Sulla. Zwei anbetende Augenpaare folgten ihm durch den Raum. Sulla warf den Frauen die Geschenke in den Schoß. Er hatte gut gewählt, die Sachen hätten tatsächlich von Märkten außerhalb Roms stammen können, und keine der Frauen würde sich schämen, sie zu tragen.

Stichus warf er die Schriftrolle hin.

»Dir habe ich auch eine Kleinigkeit mitgebracht, Stichus«, sagte er.

Verwirrt sah Stichus Sulla an, und während dieser sich zwischen den beiden kichernden und schnurrenden Frauen auf dem Sofa niederließ und es sich bequem machte, band er das Buch auf und rollte es auseinander. Zwei scharlachrote Flecken flammten auf seinen pickeligen Wangen auf, als er mit hervorquellenden Augen die realistisch gezeichneten Männerfiguren mit erigierten Penissen anstarrte, die auf dem unschuldigen Papyrus alle möglichen athletischen Taten miteinander vollführten. Mit zitternden Händen rollte er das Ding wieder zusammen und band es zu. Dann nahm er seinen ganzen Mut zusammen und blickte seinen Wohltäter an. Sullas furchteinflößende Augen glitzerten ihn über Clitumnas Kopf voller Verachtung an.

»Ich danke dir, Lucius Cornelius«, stammelte er.

»Gern geschehen, Lucius Gavius«, erwiderte Sulla kalt.

In diesem Augenblick wurde der gustus hereingetragen, das Vorgericht, das man, wie Sulla vermutete, anläßlich seiner Rückkehr in aller Eile erweitert hatte, denn neben den üblichen Oliven, Salaten und hartgekochten Eiern gab es heute auch ein paar Fasanenwürstchen und Thunfisch in Öl. Sulla stürzte sich hungrig auf das Essen. Dazwischen beobachtete er Stichus, der allein auf seinem Sofa saß und mitansehen mußte, wie seine Tante sich mit ihrem ganzen Körper gegen Sulla lehnte und Nikopolis’ Hände hemmungslos Sullas Lenden liebkosten.

»Na, was gibt es Neues zu Hause?« fragte Sulla, als der erste Gang beendet war.

»Nicht viel«, antwortete Nikopolis, die sich mehr für das interessierte, was sich unter ihren Händen abspielte.

»Das glaube ich nicht.« Sulla hob Clitumnas Hand an seinen Mund und begann, ihre Fingerspitzen zu küssen. Als er Stichus angeekelten Blick sah, ging er dazu über, wollüstig an Clitumnas Fingern zu lutschen. »Komm, Schatz« - Clitumnas kleiner Finger verschwand in seinem Mund - »das glaube ich euch nicht« - der Ringfinger folgte - »daß gar nichts passiert ist.« Nacheinander verschwanden Mittelfinger, Zeigefinger, Daumen in Sullas Mund.

Glücklicherweise wurde in diesem Augenblick das ferculum, das Hauptgericht, hereingetragen. Clitumna zog ihre Hand zurück und streckte sie gierig nach dem Lammbraten in Thymiansoße aus.

»Unsere Nachbarn hatten viel Aufregung«, sagte sie kauend, »während es bei uns ruhig zuging.« Sie seufzte. »Titus Pomponius’ Frau hat im Februar einen kleinen Jungen geboren.«

»Oh ihr Götter! Noch so ein langweiliger Geldsack!« meinte Sulla. »Und bei den Juliern?« Er dachte an die reizende Julilla und die Krone aus Gras.

»Dort gab es große Neuigkeiten!« Clitumna schleckte ihre Finger ab. »Ein ganz großes gesellschaftliches Ereignis - eine Hochzeit! «

Sulla glaubte zu fühlen, daß ihm das Herz wie ein Stein in den Magen fiel und dort inmitten der Speisen heftig schlagend liegenblieb. Ein seltsames Gefühl.

»Wirklich?« sagte er betont gleichgültig.

»Ja! Caesars älteste Tochter hat Gaius Marius geheiratet! Stell dir vor!«

»Gaius Marius?«

»Kennst du ihn nicht?«

»Ich glaube nicht. Marius? Er muß ein homo novus sein.«

»Richtig. Vor fünf Jahren war er Prätor, aber er hat es natürlich nicht zum Konsul gebracht. Er war Statthalter in Hispania Ulterior und hat dort ein Vermögen gemacht. Minen und so weiter.«

Sulla erinnerte sich plötzlich an den Mann mit dem Adlergesicht, der an der Amtseinführung der neuen Konsuln teilgenommen hatte. Er hatte eine purpurgeränderte Toga getragen. »Wie sieht er aus?«

»Grotesk, mein Lieber! Riesige Augenbrauen! Wie haarige Raupen.« Clitumna nahm sich von dem gedünsteten Broccoli. »Er ist mindestens dreißig Jahre älter als Julia, das arme Kind.«