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»Unfug!« rief Clitumna. »Einen halben Süßwarenladen? Ein paar Feigen und etwas Gebäck, das ist alles.«

Die sechs Ärzte sahen einander an. » Domina, er ißt diese Süßigkeiten den ganzen Tag und die halbe Nacht, das haben mir deine Diener erzählt«, sagte Athenodorus. »Ich rate dir: Nimm ihm die Süßigkeiten weg. Dann wird sich nicht nur die Magenverstimmung bessern, sondern sein ganzer Gesundheitszustand.«

Lucius Gavius Stichus lag leichenblaß daneben, vom heftigen Durchfall so geschwächt, daß er sich nicht verteidigen konnte. Unruhig wanderten seine hervorstehenden Augen von einem Sprecher zum anderen.

»Er hat überall Pickel, und seine Haut hat eine schlechte Farbe«, sagte ein anderer griechischer Arzt, der aus Athen stammte. »Treibt er Sport?«

»Er braucht keinen Sport«, sagte Clitumna. Zum ersten Mal lag ein leicht zweifelnder Ton in ihrer Stimme. »Er ist geschäftlich dauernd unterwegs und reist von Ort zu Ort. Das hält ihn auf Trab, glaube mir!«

»Was hast du für einen Beruf, Lucius Gavius?« fragte ein spanischer Arzt.

»Ich bin Sklavenhändler«, sagte Stichus.

Außer Publius Popillius, einem Römer, waren alle anwesenden Ärzte als Sklaven nach Rom gekommen, und die Ablehnung in ihren Blicken war deutlich zu sehen. Sie erklärten die Untersuchung für beendet und zogen sich zurück.

»Wenn er nach Süßigkeiten verlangt, soll er Wein mit Honig trinken«, sagte Publius Popillius. »Ein oder zwei Tage lang darf er keine feste Nahrung zu sich nehmen. Wenn er sich dann hungrig fühlt, soll er ein normales Essen bekommen. Normales Essen, domina! Keine Süßigkeiten.«

Stichus’ Zustand besserte sich in der folgenden Woche, er wurde jedoch nicht völlig gesund. Zwar aß er nur nahrhafte und gesunde Speisen, aber er litt in regelmäßigen Abständen unter Schwindelanfällen, Erbrechen, Schmerzen und Durchfall. Er verlor an Gewicht, allerdings so allmählich, daß es niemand im Haus auffiel.

Als der Sommer zu Ende ging, konnte er sich nicht einmal mehr in sein Arbeitszimmer am Porticus Metelli schleppen. Die Tage, an denen er danach verlangte, auf dem Sofa in der Sonne zu liegen, wurden immer seltener, das illustrierte Buch, das Sulla ihm geschenkt hatte, interessierte ihn nicht mehr, und Essen war eine Tortur. Er konnte nur noch den Honigwein ertragen und manchmal nicht einmal mehr den.

Bis September hatte Clitumna jeden Arzt in Rom zu Rat gezogen. Die Ärzte gaben viele verschiedene Diagnosen ab, von den Behandlungsvorschlägen ganz zu schweigen.

»Er darf essen, was er will.«

»Er darf nichts essen. Fasten ist am besten.«

»Er darf nur noch Bohnen essen.«

»Tröstet euch«, sagte der Grieche Athenodorus Siculus, »was immer er hat, ansteckend ist es offenbar nicht. Ich glaube, er hat eine bösartige Geschwulst in den oberen Eingeweiden. Trotzdem solltest du dafür sorgen, daß alle sich gründlich die Hände waschen, die mit ihm in Kontakt gekommen sind oder seinen Nachttopf ausleeren müssen.«

Zwei Tage später starb Lucius Gavius Stichus. Clitumna war außer sich vor Trauer. Sie wollte nicht länger in Rom bleiben, und Sulla brachte sie zu ihrem Landhaus nach Circei.

Als Sulla aus Circei zurückkehrte, gab er Nikopolis einen Kuß, dann zog er aus ihren Räumen aus.

»Ich übernehme wieder das Arbeitszimmer und mein eigenes Schlafzimmer«, sagte er. »Schließlich bin ich jetzt, wo der klebrige Stichus tot ist, der nächste Verwandte Clitumnas.« Die üppig illustrierten Buchrollen verbrannte er in einem Eimer. Nikopolis sah ihm von der Tür des Arbeitszimmers aus zu.

Die Karaffe mit dem Honigwein stand auf einer kostbaren Konsole aus Zitronenholz. Als Sulla das Gefäß hochhob, sah er Feuchtigkeitsringe, die sich unauslöschbar in die feine Holzmaserung gefressen hatten. Verächtlich zog er den Atem durch die Zähne.

»So eine Kakerlake! Leb wohl, du süße Feige!«

Er warf die Karaffe durch das offene Fenster in den Garten des Peristyls, wo sie auf der Fußplatte des Standbilds von Apollo und Daphne in tausend Scherben zerbarst. Der Honigwein bildete auf dem glatten Stein einen große Lache und tropfte in dünnen Rinnsalen auf den Boden.

»Du hast recht«, kicherte Nikopolis, »er war wirklich eine süße Feige.« Sie rief nach ihrer Magd Bithy und befahl ihr, die Lache aufzuwischen.

Niemand bemerkte die Spuren eines weißen Pulvers auf dem Marmor. Bithy wischte sie unbeachtet weg.

»Ich bin froh, daß du nicht die Statuen getroffen hast«, sagte Nikopolis. Sie saß auf Sullas Knien.

»Mir tut es leid«, sagte Sulla. Er sah sehr zufrieden aus.

»Leid? Aber Lucius Cornelius, sie sind doch so schön angemalt! Die ganze Farbe wäre ruiniert gewesen.«

Sulla kräuselte verächtlich die Oberlippe, so daß seine Zähne zu sehen waren. »Warum muß ich es immer mit Narren zu tun haben, die nicht wissen, was Kunst ist?« Er schob Nikopolis von seinen Knien.

Die Lache war verschwunden. Bithy wrang den Lappen aus und leerte den Wassereimer in das Blumenbeet.

»Bithy!« rief Sulla. »Wasch dir die Hände, und zwar gründlich! Du weißt nicht, woran Stichus gestorben ist, und er hat ja dauernd von dem Honigwein getrunken.«

Bithy strahlte, weil er so besorgt um sie war.

»Ich habe heute einen sehr interessanten jungen Mann entdeckt«, sagte Gaius Marius zu Publius Rutilius Rufus.

Die beiden Männer saßen in der Einfriedung des Tellus-Tempels gleich neben Rutilius Rufus’ Haus, in die an diesem windigen Herbsttag die Sonne schien. »In mein Peristyl fällt kein einziger Sonnenstrahl«, hatte Rutilius Rufus erklärt und deshalb seinen Besucher zu einer Holzbank in der Nähe des großen, aber halbverfallenen Tempels geführt. »Unsere alten Götter werden heutzutage vernachlässigt, ganz besonders meine gute alte Nachbarin Tellus. Alle verneigen sich vor der Magna Mater von Asien und vergessen, daß Rom mit seiner eigenen Erdgöttin besser gedient wäre!«

Gaius Marius hatte die Begegnung mit dem interessanten jungen Mann nur erwähnt, um der drohenden Predigt über die ältesten und geheimnisvollsten Götter Roms zu entgehen. Der kleine Trick funktionierte. Rutilius Rufus konnte interessanten Menschen jeden Alters und Geschlechts nicht widerstehen.

»Von was für einem jungen Mann redest du?« fragte er und wandte sein Gesicht mit geschlossenen Augen der Sonne zu.

»Er heißt Marcus Livius Drusus und ist wahrscheinlich nicht älter als - nun, siebzehn oder achtzehn Jahre.«

»Mein Neffe Drusus?«

Marius sah ihn überrascht an. »Er ist dein Neffe?«

»Ja, wenn du den Sohn des Marcus Livius Drusus meinst, der im Januar seinen Triumph gefeiert hat und sich für das kommende Jahr zum Zensor wählen lassen will.«

Marius lachte und schüttelte den Kopf. »Nein, wie peinlich! Warum kann ich mir solche Dinge nie merken?«

»Wahrscheinlich deshalb«, sagte Rutilius Rufus trocken, »weil meine Frau Livia jetzt schon seit vielen Jahren tot ist, nie an den Gelagen in meinem Haus teilnahm und auch nie außer Haus ging. Um dein bäurisches Gedächtnis aufzufrischen: Livia war die Schwester des Vaters deines interessanten jungen Mannes. Ich habe meine Frau sehr gemocht. Sie hat mir zwei prächtige Kinder geschenkt und nie mit mir gestritten.«

»Ich weiß«, sagte Marius unangenehm berührt. Würde er diese Familienbeziehungen denn niemals auseinanderhalten können? »Du solltest wieder heiraten«, sagte er dann. Seine eigene Ehe machte ihn sehr glücklich.

»Nein danke! Ich kann meine Leidenschaften beim Briefeschreiben abreagieren.« Rutilius Rufus öffnete ein Auge und sah Marius an. »Und warum hältst du soviel von meinem Neffen Drusus?«

»In den letzten Wochen haben mich mehrere Abordnungen unserer italischen Bundesgenossen aufgesucht«, sagte Marius langsam. »Alle beschwerten sich bitter, daß Rom ihre Soldaten mißbraucht. Meiner Meinung nach haben sie gute Gründe für ihre Beschwerde, denn fast alle Konsuln sind in den letzten zehn Jahren oder länger leichtfertig mit dem Leben der Soldaten umgegangen - als ob die Männer Stare oder Spatzen wären! Und als erste mußten immer die Soldaten der italischen Bundesgenossen dran glauben, denn es ist üblich geworden, sie in gefährlichen Situationen vor unseren eigenen einzusetzen.«