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Schließlich war alles bereit, und Marcus Junius Silanus brach an der Spitze eines glänzenden Heeres von sieben Legionen und einer großen Reiterabteilung aus Thrakern, gemischt mit ein paar Galliern aus den ruhigen Teilen der römischen Provinz Gallien, nach Gallia Transalpina auf. Es war Ende Mai, und seit der Nachricht vom Einfall der Germanen waren erst acht Wochen verstrichen. In dieser kurzen Zeit hatte Rom ein Heer von 50 000 Mann rekrutiert, bewaffnet und teilweise ausgebildet. Nur ein so gewaltiges Schreckgespenst wie die Germanen konnte zu einer derart heroischen Leistung anspornen.

»Das ist wieder einmal ein schlagender Beweis dafür, was wir Römer können, wenn wir nur wollen«, sagte Gaius Julius Caesar zu seiner Frau Marcia. Sie hatten zugesehen, wie die Legionen die Via Flaminia hinauf in Richtung Gallia Cisalpina abmarschiert waren. Es war ein erhebender Anblick gewesen.

»Ja, vorausgesetzt, Silanus bewältigt seine Aufgabe«, sagte Marcia, die als echte Senatorengattin großes Interesse an Politik hatte.

»Du glaubst nicht daran?« fragte Caesar.

»Du ja auch nicht, du gibst es nur nicht zu. Aber als ich so viele Stiefel über den Pons Mulvius marschieren sah, war ich doch sehr froh, daß wir jetzt Marcus Aemilius Scaurus und Marcus Livius Drusus als Zensoren haben.« Marcia seufzte erleichtert. »Marcus Scaurus hat recht - die Mulvische Brücke wackelt und wird ein weiteres Hochwasser nicht überstehen. Und was dann, wenn all unsere Truppen südlich des Tiber stehen und schnell nach Norden marschieren müssen? Ich bin froh, daß Scaurus gewählt wurde, denn er hat versprochen, die Mulvische Brücke erneuern zu lassen. Ein wunderbarer Mann!«

Caesar lächelte ein wenig säuerlich. »Scaurus wird langsam zu einer regelrechten Institution, der alte Hund! Er ist ein Blender, ein Gauner, der den Leuten den Kopf verdreht. Dreiviertel ist Schwindel, aber das eine Viertel, das kein Schwindel ist, ist zufällig mehr wert als bei den meisten anderen der ganze Kerl. Er hat recht, wir müssen tatsächlich eine ganze Reihe öffentlicher Bauarbeiten durchführen, und nicht nur, damit möglichst viele Menschen Arbeit haben. Man muß Scaurus lassen, daß er einige Dinge in Angriff nehmen will, die längst überfällig sind. Obwohl ich nicht gutheiße, daß er die Sümpfe um Ravenna trockengelegt hat und zwischen Parma und Mutina ein Kanal- und Deichsystem anlegen will.«

»Sei nicht zu streng mit ihm, Gaius Julius!« sagte Marcia ein wenig scharf. »Es ist doch großartig, daß er den Po bändigen will! Wenn die Germanen in Gallia Transalpina einfallen, kann kein Hochwasser des Po unsere Truppen von den Alpenpässen abschneiden.«

»Das finde ich ja auch gut«, erwiderte Caesar trotzig. »Aber ich finde es auch sehr interessant, daß er sein öffentliches Bauprogramm fast ausschließlich auf die Gegenden begrenzt hat, in denen seine Klienten leben. Deren Anzahl hat sich bestimmt versechsfacht, bis er fertig ist. Die Via Aemilia führt von Ariminum am Adriatischen Meer nach Taurasia im Vorgebirge der westlichen Alpen - dreihundert Meilen, auf denen seine Klienten dicht an dicht wohnen wie Pflastersteine auf der Straße!«

»Und wenn schon, ich wünsche ihm viel Glück«, sagte Marcia ebenso eigensinnig. »Wahrscheinlich hast du auch etwas daran auszusetzen, daß er die Küstenstraße im Westen begutachten und pflastern lassen will!«

»Du hast vergessen, die Abzweigung nach Dertona zu erwähnen, die die westliche Küstenstraße mit der Via Aemilia verbinden soll«, spottete Caesar. »Und obendrein bringt er bei der Geschichte noch seinen Namen unter! Die Via Aemilia Scauri. Ha!«

»Miesmacher!« sagte Marcia.

»Besserwisserin!« erwiderte Caesar.

In diesem Augenblick schwebte Julilla herein, schmal und durchsichtig. Seit etwa zwei Monaten war ihr Befinden unverändert. Sie sah erbärmlich aus, aber ihr Zustand war so weit stabil, daß keine Lebensgefahr bestand. Der Tod gehörte nicht zu Julillas großem Plan.

Sie hatte zwei Ziele: Sie wollte Lucius Cornelius Sulla zu einem Liebesgeständnis bringen, und sie wollte ihrer Familie so lange zusetzen, bis sie weich wurde. Denn sie wußte, nur dann hatte sie die leiseste Chance, von ihrem Vater die Erlaubnis zu einer Heirat mit Sulla zu bekommen. Sie war zwar noch sehr jung und sehr verwöhnt, aber sie beging nicht den Fehler, ihre eigene Macht im Vergleich zur Macht ihres Vaters zu überschätzen. Er mochte sie lieben bis zum Wahnsinn, er mochte den letzten Denar für sie ausgeben, aber wenn es darum ging, wen sie heiraten sollte, würde er keine Rücksicht auf ihre Wünsche nehmen. Wenn sie so fügsam war wie Julia, würde er natürlich vor Vaterfreude strahlen. Und sie wußte, daß er einen Mann für sie suchen würde, von dem er glaubte, daß er gut für sie sorgen, sie lieben und gut und respektvoll behandeln würde. Aber Lucius Cornelius Sulla als Ehemann? Nein, nie und nimmer würde ihr Vater dazu seine Zustimmung geben, sie mochte weinen, betteln, ewige Liebe schwören - nie würde ihr Vater zustimmen. Besonders jetzt, da sie eine Mitgift von etwa vierzig Talenten auf der Bank hatte und eine gute Partie war. Nie würde ihr Vater Sulla glauben, daß er es nicht auf ihr Geld abgesehen hatte. Vorausgesetzt, er wollte sie überhaupt heiraten.

Als Kind hatte Julilla keine besondere Geduld an den Tag gelegt, aber jetzt, da sie Langmut brauchte, zeigte sich, daß sie auch dazu fähig war. Geduldig wie ein Vogel, der ein unbefruchtetes Ei auszubrüten versucht, machte sich Julilla daran, ihren großen Plan zu verwirklichen. Eines wußte sie genau: Wenn sie bekommen wollte, was sie sich wünschte - Sulla -, mußte sie mehr Zähigkeit und mehr Widerstandskraft aufbringen als alle ihre Gegenspieler, angefangen bei ihrem Opfer Sulla bis zu ihrem Vater Gaius Julius Caesar. Ihre wichtigste Waffe war die vorgetäuschte Krankheit. Sie zielte auf das Herz des Mannes, der ihr so geflissentlich aus dem Weg ging. In den ersten Monaten nach Sullas Rückkehr hatte sie viele Male versucht, ihn zu treffen, und sie hatte einen Korb nach dem anderen bekommen. Zuletzt hatte er sogar gedroht, wenn sie ihn nicht in Ruhe lasse, würde er Rom für immer verlassen.

Ihr großer Plan war langsam gereift. Angefangen hatte alles nach jener ersten Begegnung, als Sulla sie wegen ihres Babyspecks ausgelacht und sie weggescheucht hatte. Sie hatte aufgehört, sich mit Süßigkeiten vollzustopfen. Als Sulla sie nur noch grober behandelt hatte, hatte sie zu hungern begonnen. Zuerst war es ihr sehr schwer gefallen, nach einiger Zeit jedoch konnte sie gar nicht mehr soviel essen, und das nagende Hungergefühl verschwand völlig.

Damit Sulla sie nicht vergaß, traktierte sie ihn mit Briefen.

Ich liebe Dich, und ich werde nie müde werden, es Dir zu sagen. Wenn Briefe der einzige Weg sind, auf dem ich mir bei Dir Gehör verschaffen kann, dann schreibe ich Dir eben Briefe. Dutzende. Hunderte. Tausende. Ich werde Dich mit Briefen zudecken, mit Briefen überschütten, mit Briefen überschwemmen. Ich lebe davon, Dir zu schreiben. Was könnte mir das Essen bedeuten, wenn Du mir die Nahrung verweigerst, nach der mein Herz und mein Geist hungern? Du mein grausamer, gnadenloser und unbarmherziger Geliebter! Wie kannst Du mir fernbleiben? Komm heimlich in mein Zimmer und küß mich, küß mich, küß mich! Aber Du wirst es nicht tun. Ich höre, wie Du das sagst, während ich hier liege, zu schwach, um mein verhaßtes Lager zu verlassen. Womit habe ich Deine Gleichgültigkeit verdient? Sicher sitzt irgendwo unter Deiner schneeweißen Haut ein winziges weibliches Wesen, meine Seele, und die Julilla, die nebenan wohnt und in ihrem schrecklichen, verhaßten Bett liegen muß, ist nur ein leergesaugtes, ausgetrocknetes Trugbild, das täglich schattenhafter und schwächer wird. Eines Tages werde ich verschwinden, und dann wird nur noch das winzige Abbild unter Deiner schneeweißen Haut von mir übrig sein. Komm und besuche mich, sieh, was Du angerichtet hast! Küß mich und küß mich und küß mich, denn ich liebe Dich.