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Aber an seinem Entschluß, sie nicht zu besuchen, hielt er eisern fest.

Der Frühling ging in den Sommer über, der Sommer in die Hundstage des Sextilis. Träge schimmerte der Hundsstern Sirius über dem brütend heißen Rom. Dann, als Silanus zuversichtlich die Rhone hinaufmarschierte, den ungebärdigen Horden der Germanen entgegen, begann es in Mittelitalien zu regnen. Und es hörte gar nicht mehr auf zu regnen. Für die Bewohner des sonnigen Rom war das noch schlimmer als die Hundstage des Sextilis. Auf den Marktplätzen stand knöcheltief das Wasser, das Getreide in den Kornspeichern wurde feucht, das politische Leben war lahmgelegt, Prozesse mußten verschoben werden. Der Tiber stieg so weit an, daß es in einigen öffentlichen Latrinen einen Rückstau gab und Exkremente auf den Straßen herumschwammen. Hohe Mietshäuser stürzten zusammen oder bekamen breite Risse in den Wänden und Fundamenten. Ganz Rom war erkältet, viele alte und schwache Menschen starben an Lungenentzündung, die jungen starben an Kehlkopfdiphterie und Mandelentzündung, Menschen jeden Alters starben an einer rätselhaften Krankheit, die den Körper lähmte. Wer die Krankheit überlebte, behielt einen verkrüppelten Arm oder ein verkrüppeltes Bein zurück.

Clitumna und Nikopolis stritten täglich, und jeden Tag flüsterte Nikopolis Sulla ins Ohr, wie ungeheuer gelegen ihm Stichus’ Tod gekommen sei.

Nach zwei Wochen ununterbrochenen Regens zogen die letzten Wolken nach Osten ab, und die Sonne kam heraus. Rom dampfte. Dampfwölkchen stiegen von den Pflastersteinen und den Dachziegeln auf, die Luft war gesättigt mit Feuchtigkeit. Auf jedem Balkon, in jedem Innenhof und in jedem Fenster der Stadt wurde Wäsche mit Stockflecken ausgebreitet. Schuhe mußten von Schimmelflecken befreit werden, jede Schriftrolle mußte aufgerollt und sorgfältig auf Pilzbefall untersucht werden, Kleidertruhen und Schränke mußten gelüftet werden.

Einen einzigen erfreulichen Aspekt hatte die stinkende Feuchtigkeit: Die Pilze schossen in diesem Jahr üppig wie nie zuvor aus dem Boden, die ganze Stadt schwelgte in Pilzen.

Und Sulla drückten wieder Julillas Briefe auf der Seele, nachdem die zwei Regenwochen wunderbarerweise verhindert hatten, daß Julillas Dienerin ihn aufsuchte und ihm Briefe in die Toga steckte. Sulla spürte, daß er den schwülen Krankheitsherd Rom wenigstens für einen Tag verlassen mußte, wenn er nicht verrückt werden wollte. Metrobius und sein Beschützer Skylax machten Ferien in Cumae, und Sulla wollte seinen Erholungstag nicht allein verbringen. Also beschloß er, Clitumna und Nikopolis zu einem Picknick an seinem Lieblingsplatz außerhalb von Rom einzuladen.

»Kommt, ihr beiden Mädchen«, sagte er am Morgen des dritten sonnigen Tages zu ihnen, »zieht euch was Hübsches an, ich führe euch zu einem Picknick aus!«

Die beiden, die sich nicht im geringsten wie Mädchen fühlten, sahen ihn mit säuerlichem Spott an und machten keine Anstalten, das gemeinsame Bett zu verlassen, obwohl es nach der feuchten Nacht schweißgetränkt war.

»Ihr braucht beide dringend frische Luft«, drängte Sulla.

»Wir wohnen auf dem Palatin, weil hier oben die Luft so gut ist«, sagte Clitumna und drehte ihm den Rücken zu.

»Im Augenblick ist die Luft auf dem Palatin kein Haar besser als im übrigen Rom. Sie ist erfüllt vom Gestank der Abwasserkanäle und der feuchten Wäsche. Ich habe einen Wagen gemietet. Wir fahren Richtung Tibur hinaus und essen im Wald zu Mittag. Vielleicht können wir ein paar Fische fangen oder notfalls kaufen, oder ein dickes, fettes Kaninchen. Vor Einbruch der Dunkelheit sind wir wieder daheim, erholt und viel fröhlicher.«

»Nein«, sagte Clitumna verdrossen.

Nikopolis war unschlüssig. »Also...«

Das genügte Sulla. »Mach dich fertig, ich bin wieder da.« Er streckte sich genüßlich. »Ach, ich bin es so leid, in diesem Haus eingesperrt zu sein!«

»Ich auch«, sagte Nikopolis und kletterte aus dem Bett.

Clitumna blieb mit dem Gesicht zur Wand liegen. Sulla ging in die Küche und bestellte ein Mittagessen zum Mitnehmen.

Dann versuchte er es noch einmal bei Clitumna. »Komm doch auch mit.«

Keine Antwort.

»Dann mach, was du willst.« Er ging zur Tür. »Nikopolis und ich sind heute abend wieder da.«

Wieder keine Antwort.

Am Fuß der Cacus-Treppe erwartete sie ein offener, zweirädriger Wagen. Sulla half Nikopolis auf den Nebensitz und schwang sich selbst auf den Platz des Kutschers. »Auf geht’s!« rief er fröhlich, faßte die Zügel und spürte, wie sein Herz ungewohnt leicht wurde. Im stillen gestand er sich ein, daß er ganz gern mit Nikopolis allein war. »Hü, ihr Maultiere!« rief er.

Die Maultiere trabten munter los, und der Wagen ratterte das Tal von Murcia entlang, in dem der Circus Maximus lag. Sie verließen die Stadt durch das Capena-Tor. Leider bot sich ihren Augen zunächst ein eher uninteressanter und unerfreulicher Anblick, denn die Ringstraße, die Sulla Richtung Osten nahm, führte durch die großen Friedhöfe Roms. Grabstein reihte sich an Grabstein - nicht die eindrucksvollen Mausoleen und Grabmäler der Reichen und Hochgeborenen, die alle großen Ausfallstraßen der Stadt säumten, sondern die Grabsteine einfacher Leute. Jeder Römer und Grieche, selbst der allerärmste bis hinab zu den Sklaven, träumte davon, daß einmal ein fürstliches Grabmal Zeugnis von seiner Existenz ablegen würde. Aus diesem Grund gehörten die Armen und die Sklaven Bestattungsvereinen an und zahlten jeden Denar, den sie erübrigen konnten, in die Vereinskasse ein. Der Verein legte das Geld möglichst gewinnbringend an. Die Veruntreuung von Geldern war in Rom zwar gang und gäbe, aber die Bestattungsvereine wurden von ihren Mitgliedern derart eifersüchtig überwacht, daß den Verantwortlichen keine andere Wahl blieb, als ehrlich zu sein. Eine schöne Bestattung und ein dekoratives Grabmal waren ungeheuer wichtig.

Als der Wagen unter den Bogen des Aquädukts hindurchgerollt war, der Wasser zu den dicht besiedelten Hügeln im Nordosten der Stadt brachte, änderte sich die Aussicht. In allen Richtungen dehnte sich fruchtbares Land, zuerst Gemüsegärten, dann grüne Weiden und Weizenfelder.

Obwohl die Via Tiburtina durch die schweren Regenfälle stark beschädigt war - der Regen hatte die dicke Schicht aus Schotter, Staubtuff und Sand auf den Pflastersteinen teilweise weggespült und die Fahrt nicht sehr gemütlich verlief, waren die beiden Ausflügler bester Stimmung. Die Sonne brannte, aber es wehte ein kühles Lüftchen. Nikopolis’ Sonnenschirm schützte Sullas schneeweiße Haut ebenso wie ihren eigenen olivfarbenen Teint. Die Maultiere erwiesen sich als willig und gutmütig. Sulla trieb sie nicht zur Eile an, sondern ließ sie ihr eigenes Tempo finden, und sie trabten leichtfüßig Meile um Meile.

Es war unmöglich, den ganzen Weg nach Tibur und wieder zurück an einem einzigen Tag zurückzulegen, doch Sullas Lieblingsplatz lag ein gutes Stück vor der steilen Auffahrt nach Tibur. Kurz hinter Rom zog sich ein Wald die Hügel hinauf. Die Straße führte etwa eine Meile quer durch diesen Wald und erreichte dann das üppig grüne, sehr fruchtbare Tal des Anio.

Im Wald war der Boden härter, und hier verließ Sulla die Straße und lenkte die Maultiere auf eine unbefestigte Wagenspur, die zwischen den Bäumen hindurch führte und schließlich auslief.