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»Wir sind da«, sagte Sulla und sprang vom Wagen. »Ich weiß, daß es hier nicht besonders schön ist, aber komm ein kleines Stück mit, dann zeige ich dir eine Stelle, für die sich der weite Weg lohnt.«

Er schirrte die Maultiere ab und legte ihnen Fußfesseln an, dann schob er den Wagen vom Weg in den Schatten, hob den Picknickkorb heraus und hievte ihn sich auf die Schulter.

»Woher kennst du dich so gut mit Maultieren und Wagen aus?« fragte Nikopolis, als sie Sulla mit vorsichtigen Schritten durch den Wald folgte.

»Jeder, der im Hafen von Rom gearbeitet hat, kennt sich damit aus«, sagte Sulla über seine freie Schulter. »Laß dir Zeit! Wir gehen nicht weit, und wir haben es nicht eilig.«

Tatsächlich hatten sie noch viel Zeit, denn bis Mittag waren es noch zwei Stunden.

Sie traten auf eine bezaubernde Lichtung hinaus, auf der hohes Gras und spätsommerliche Blumen wuchsen - rosa und weiße Kosmeen, große, blütenübersäte rosa und weiße Heckenrosenbüsche und die hohen Blütenrispen der Lupinen, ebenfalls rosa und weiß. Durch die Lichtung rauschte ein Bach, der vom Regen noch Hochwasser führte. In seinem Bett lagen zerklüftete Felsbrocken. Die Sonne glitzerte auf dem Wasser und sprühte blitzende Funken, Libellen und kleine Vögel spielten im Licht.

»Ach, wie schön!« rief Nikopolis.

»Ich habe die Stelle entdeckt, als ich letztes Jahr ein paar Monate von Rom weg war«, sagte Sulla und setzte den Korb an einem schattigen Platz ab. »Mein Wagen verlor damals genau an der Stelle ein Rad, wo die Wagenspur in den Wald hineinführt, und ich mußte Metrobius auf einem der Maultiere nach Tibur schicken, um Hilfe zu holen. Während ich auf ihn gewartet habe, habe ich die Umgebung erkundet.«

Nikopolis war nicht erfreut, daß Sulla ausgerechnet mit Metrobius das erste Mal an diesem wundervollen Platz gewesen war, aber sie sagte nichts. Sie ließ sich ins Gras fallen und sah zu, wie Sulla einen großen Schlauch Wein aus dem Korb nahm. Er legte den Schlauch an einer Stelle in den Bach, wo ein Ring aus Steinen ihn festhielt, schlüpfte aus seiner Tunika und zog die Stiefel aus. Mehr hatte er nicht an.

Sulla fühlte sich noch immer durch und durch leicht, und dieses Gefühl wärmte ihn ebenso wie die Sonne auf seiner Haut. Er streckte sich lächelnd und sah sich mit einem Entzücken auf der Lichtung um, das nichts mit Metrobius oder mit Nikopolis zu tun hatte. An diesem Ort konnte er sich sagen, daß die Zeit stillstand, daß es keine Politik gab, daß die Menschen nicht in Klassen eingeteilt waren und daß Geld keine Rolle spielte. Die Augenblicke ungetrübten Glücks waren so sparsam auf seinem Lebensweg verteilt gewesen, daß er sich an jeden einzelnen mit schmerzender Klarheit erinnerte: an den Tag, an dem sich das Durcheinander von Schnörkeln auf einem Stück Papier plötzlich zu verständlichen Gedanken geordnet hatte; an die Stunde, in der ein unfaßlich freundlicher und aufmerksamer Mann ihm gezeigt hatte, wie vollkommen ein Liebesakt sein konnte; an das überwältigende Gefühl der Befreiung beim Tode seines Vaters sowie an die Erkenntnis, daß diese Waldlichtung das erste Stück Land war, das er für sich erobert hatte. Das war alles. Die Summe der glücklichen Augenblicke seines Lebens. Keiner dieser Augenblicke hatte mit der Wertschätzung des Schönen oder des Lebens an sich zu tun. Das Glück lag im Lesenkönnen, in der erotischen Lust, in der Freiheit und im Besitz.

Nikopolis betrachtete ihn fasziniert, ohne den Grund für seine Freude auch nur im entferntesten zu erraten. Sie bewunderte seine blendend weiße Haut, das leuchtende Gold seiner Haare auf Kopf, Brust und Scham. Diesem Anblick konnte sie nicht widerstehen. Sie schlüpfte aus ihrem leichten Kleid, löste die lange schwarze Schärpe des Unterhemds, streifte das Hemd ab und war nun ebenfalls nackt.

Sie wateten in einen der tiefen Tümpel hinein, die das Wasser gebildet hatte. Zuerst stockte ihnen der Atem vor Kälte, aber sie vergnügten sich so lange im Wasser, bis ihnen wieder warm wurde. Sulla spielte mit Nikopolis’ Brustwarzen und ihren schönen Brüsten. Dann kletterten sie hinauf in das dicke, weiche Gras und liebten sich, während sie sich von der Sonne trocknen ließen. Anschließend verzehrten sie ihr Mittagessen: Brot, Käse, hartgekochte Eier und Hähnchenschlegel, dazu Wein. Nikopolis wand einen Blumenkranz für Sulla, dann noch einen für sich selbst und streckte sich im Gras.

»Ist das herrlich«, seufzte sie. »Clitumna weiß gar nicht, was sie versäumt.«

»Clitumna weiß nie, was sie versäumt«, sagte Sulla.

»Na ja«, sagte Nikopolis träge. Die Spottlust war wieder in ihr erwacht. »Sie vermißt ihren lieben Stichus.« Sie summte wieder das Liedchen über den Liebesmord, bis sie einen scharfen Blick von Sulla auffing. Sie verstummte. Zwar glaubte sie nicht ernstlich daran, daß Sulla etwas mit Stichus’ Tod zu tun hatte, aber sie konnte Sulla so herrlich mit diesem Thema ärgern.

Sie sprang auf und streckte Sulla, der noch auf dem Boden lag, die Hände hin. »Komm, du Faulpelz, ich möchte ein bißchen im Wald spazierengehen und mich abkühlen«, sagte sie.

Gehorsam stand er auf, nahm ihre Hand und spazierte mit ihr in die Kühle unter dem Laubdach. Sie gingen über einen Teppich aus nassen Blättern, der nach dem langen Sonnenschein des Tages aufgewärmt war.

Und da standen sie! Ein kleines Heer der herrlichsten Pilze, die Nikopolis je gesehen hatte, kein einziger von Insekten durchlöchert oder von Tieren angeknabbert, schneeweiß, mit dicken, fleischigen Hüten und schönen, schlanken Füßen. Sie dufteten herrlich nach Erde.

»Oh, sieh mal!« rief sie und fiel auf die Knie.

Sulla schnitt eine Grimasse. »Komm weiter«, sagte er.

»Nein, sei doch nicht so, bloß weil du keine Pilze magst! Bitte, Lucius Cornelius! Geh zurück und hole ein Tuch aus dem Korb, ich möchte ein paar Pilze zum Abendessen mitnehmen.«

»Vielleicht sind sie nicht eßbar.« Sulla rührte sich nicht vom Fleck.

»Unsinn! Natürlich sind sie eßbar! Sieh hier! Keine Hülle auf den Lamellen, keine Flecken und keine roten Punkte. Sie riechen köstlich. Und das ist auch keine Eiche, oder?« Sie sah an dem Baum hinauf, an dessen Fuß die Pilze wuchsen.

Sulla betrachtete die wellenförmig geschwungenen Blätter, und auf einmal hatte er eine Vision von der Unausweichlichkeit des Schicksals und meinte, einen Wink seiner Glücksgöttin zu erkennen. »Nein, es ist keine Eiche«, sagte er.

»Dann bitte! Bitte!« schmeichelte sie.

Er seufzte. »Also gut. Wenn du willst.«

Das ganze kleine Heer der Pilze fiel. Nikopolis legte die Pilze sorgfältig auf den Boden des Korbes, dort waren sie auf der Heimfahrt vor der Hitze geschützt.

»Ich weiß nicht, warum ihr keine Pilze mögt, du und Clitumna«, sagte sie, als sie wieder im Wagen saßen und die Maultiere ihrem Stall entgegentrabten.

»Was ist denn so Besonderes an diesen Pilzen?« fragte Sulla. »Zur Zeit kann man Pilze bergeweise auf dem Markt kaufen und spottbillig noch dazu.«

»Aber das hier sind meine«, erklärte sie. »Ich habe sie entdeckt und selbst gepflückt. Die Pilze auf dem Markt sind ganz anders voller Raupen, Löcher, Spinnen und weiß Gott was. Meine werden viel besser schmecken, das verspreche ich dir.«

Und sie schmeckten besser. Als Nikopolis sie in die Küche brachte, beäugte der Koch sie mißtrauisch, aber er mußte zugeben, daß weder Auge noch Nase etwas daran auszusetzen fanden.

»Brate sie kurz in ein wenig Öl«, sagte Nikopolis.

Der Koch briet sie kurz an, schwenkte sie dann in einer Schüssel mit ein wenig frisch gemahlenem Pfeffer und einem Schuß Zwiebelsaft und schickte sie zu Nikopolis ins Eßzimmer. Nikopolis schlang sie hungrig hinunter. Nach dem Tag im Freien hatte sie einen gesunden Appetit.

Achtzehn Stunden später bekam sie Magenschmerzen. Ihr wurde übel, und sie mußte sich übergeben, hatte aber keinen Durchfall und meinte, die Schmerzen seien erträglich, sie kenne Schlimmeres. Dann urinierte sie eine kleine Menge Flüssigkeit, die blutig rot war. Jetzt geriet sie in Panik.