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In Athen hatte Aemilius Sulla allerdings schnell fallen lassen, denn er konnte sich angesichts seiner Stellung Zweifel an seiner Männlichkeit nicht leisten. Bei den Römern war Homosexualität verpönt, den Griechen galt sie als höchste Form der Liebe. So verbargen die einen ängstlich, was die anderen vor den Augen ihrer beeindruckten Kameraden offen zur Schau stellten. Dafür machte die Angst vor der Entdeckung die Römer freigebiger. Sulla mußte feststellen, daß die Griechen nur ungern für etwas zahlten, das sie auch umsonst bekommen konnten, selbst wenn der Gewinn etwas so Außerordentliches war wie Sulla. Er erpreßte deshalb Aemilius, ihm eine Fahrt erster Klasse zurück nach Italien zu zahlen, und kehrte Athen für immer den Rücken.

Mit seinem Eintritt ins Mannesalter änderte sich natürlich alles. Sobald sein Bartwuchs eine tägliche Rasur erforderte und rotgoldene Haare sich auf seiner Brust kräuselten, ließen seine Anziehungskraft auf Männer und umgekehrt deren Großzügigkeit ihm gegenüber nach. Aber dann stellte er fest, daß Frauen noch dummer waren als Männer. Sie sehnten sich nach Beständigkeit und ließen sich deshalb bereitwillig ausbeuten. Als Kind hatte er kaum Kontakt mit Frauen gehabt. Seine Mutter war so früh gestorben, daß er keine Erinnerung an sie hatte, und sein Vater, ein verarmter Säufer, kümmerte sich kaum um die beiden Kinder. Sulla hatte eine zwei Jahre ältere Schwester, Cornelia Sulla. Sie sah genauso außergewöhnlich aus wie ihr Bruder und hatte sich einen schwerreichen Landadligen namens Lucius Nonius aus Picenum geangelt, dem sie nach Norden gefolgt war, um an seiner Seite die wie auch immer gearteten Freuden des Lebens in der Provinz zu genießen. Der sechzehnjährige Sulla war allein bei seinem Vater zurückgeblieben.

Als Sulla vierundzwanzig war, heiratete sein Vater zum zweiten Mal. Die Hochzeit brachte für Sulla eine große Erleichterung, denn in den Jahren davor war er ausschließlich damit beschäftigt gewesen, Geld zu beschaffen, damit sein Vater seinen Durst löschen konnte. Die neue Frau hieß Clitumna. Sie stammte ursprünglich aus einer umbrischen Bauernfamilie und war die Witwe eines reichen Kaufmanns. Nachdem es ihr gelungen war, das Testament ihres verstorbenen Gatten zu vernichten und sein gesamtes Vermögen zu erben, hatte sie dessen einzige Tochter mit einem Ölhändler aus Kalabrien verheiratet.

Was Clitumna an seinem heruntergekommenen Vater interessierte, begriff Sulla erst, als sie ihn einlud, in ihrem geräumigen Haus am Cermalus auf dem Palatin zu wohnen, und alsbald aus dem Bett des Vaters in das Bett des Sohnes sprang. Der entdeckte bei dieser Gelegenheit einen kleinen Funken Mitgefühl und Zuneigung für den ihm ansonsten eher lästigen Vater, wimmelte Clitumna so taktvoll wie möglich ab und zog wieder aus.

Er hatte ein wenig Geld sparen können und mietete in einem riesigen Mietshaus auf dem Esquilin zwei Zimmer zu einem Mietzins, den er gerade noch aufbringen konnte: dreitausend Sesterze im Jahr. Das eine Zimmer bewohnte er, im anderen mußte sein Diener schlafen und kochen. Außerdem nahm Sulla die Dienste einer jungen Wäscherin in Anspruch, die zwei Stockwerke über ihm wohnte und für verschiedene Mieter »arbeitete«. Einmal in der Woche trug sie seine schmutzige Wäsche zu einer Kreuzung am Ende der Gasse, wo sich das Gewirr der Straßen zu einem kleinen, unregelmäßigen Platz erweiterte. Dort befanden sich ein Heiligtum, ein Wachhäuschen für die Soldaten und eine Quelle, die sich in unaufhörlichem Rinnsal aus dem Maul eines häßlichen alten Silens in ein steinernes Becken ergoß. Der Brunnen war wie viele andere Brunnen eine Spende des großen alten Zensors Cato, der als Mann niederer Herkunft Sinn für praktische Einrichtungen gehabt hatte. An diesem Brunnen erkämpfte sich die Wäscherin einen Platz, schlug dann Sullas Tuniken auf die Steine, wrang jedes Kleidungsstück mit Hilfe einer anderen Wäscherin aus, bis es trocken war, legte die Wäsche sorgfältig zusammen und brachte sie Sulla zurück. Der Preis, den sie forderte, war gering: eine schnelle Nummer im Bett als Entschädigung für ein Leben an der Seite eines griesgrämigen alten Ehemanns.

Damals lernte Sulla auch Nikopolis kennen. »Stadt des Sieges« bedeutete ihr griechischer Name, und das bedeutete sie auch für ihn, denn sie war eine vermögende Witwe und bis zum Wahnsinn in ihn verliebt. Leider kleidete sie ihn zwar verschwenderisch nach der neuesten Mode, ließ sich aber auf keine regelmäßigen Zuwendungen ein.

Zwei Jahre nachdem er aus Clitumnas prachtvollem Haus ausgezogen war, starb sein Vater, der im ungetrübten Glück seiner zweiten Ehe seine Leber endgültig ruiniert hatte. Wenn Clitumna ihn als Preis für seinen Sohn in Kauf genommen hatte, ging ihre Rechnung nun auf, vor allem als Sulla entdeckte, daß Clitumna durchaus nicht abgeneigt war, seine Zuneigung - und ihr Bett - mit Nikopolis zu teilen. In behaglicher Dreisamkeit ließen sie sich in dem Haus auf dem Palatin nieder, und ihre Eintracht wurde nur gelegentlich durch Sullas Schwäche für junge Männer getrübt. Eine harmlose Schwäche freilich, wie er den beiden Frauen versicherte. Er fand keinen Geschmack an unschuldigen Knaben, es verlangte ihn nicht, Senatorensöhne zu verführen, die auf den Exerzierplätzen des Campus Martius herumtollten, mit Holzschwertern gegeneinander kämpften und über gepolsterte Attrappen sprangen, die wie richtige Pferde gesattelt waren. Nein, Sulla bevorzugte Lustknaben, professionelle, mit allen Wassern gewaschene Jünglinge, die ihn daran erinnerten, wie er selbst in diesem Alter gewesen war.

Da aber die Frauen seine Lustknaben verabscheuten, unterdrückte er sein Verlangen um des häuslichen Friedens willen oder gab ihm nur heimlich nach. Bis zum Abend des Vortags, dem letzten des alten Jahres, als sich das Konsulat von Publius Cornelius Scipio Nasica und Lucius Calpurnius Bestia dem Ende zuneigte und die Amtseinführung von Marcus Minucius Rufus und Spurius Postumius Albinus unmittelbar bevorstand. Clitumna und Nikopolis würden den Abend vermutlich als Nacht des Metrobius in Erinnerung behalten.

Alle drei gingen für ihr Leben gern ins Theater, allerdings nicht in die anspruchsvollen griechischen Stücke von Sophokles, Äschylos und Euripides, in denen maskierte Schauspieler mit tremolierenden Stimmen hochgestochene Verse deklamierten. Nein, ihre Liebe galt der Komödie, den witzigen lateinischen Schwänken von Plautus, Naevius und Terenz und vor allem den derben Possen mit unmaskierten Mimen, die aus dem Stegreif ein volkstümliches Programm mit nackten Dirnen, tollpatschigen Narren, furzenden Trompeten, allerlei grobem Schabernack und unwahrscheinlichen Geschichten darboten. Riesige Gänseblümchen, die aus wackelnden Ärschen ragten, die Bewegung eines Fingers, vielsagender als tausend Worte, Schwiegerväter mit verbundenen Augen, die Brüste mit reifen Melonen verwechselten, tolldreiste Seitensprünge, betrunkene Götter - nichts war der Posse heilig.

Sie kannten alle Schauspieler und Direktoren der Komödienbühnen Roms, und ein Fest ohne die Anwesenheit zumindest einiger Zelebritäten der Bühne war kein richtiges Fest. Die Tragödie existierte für sie überhaupt nicht, und darin glichen sie den meisten Römern, die immer für einen guten Spaß zu haben waren.

Zum Neujahrsfest in Clitumnas Haus waren Skylax, Astera, Milo, Pedokles, Daphne und Marsyas eingeladen. Natürlich mußten alle Gäste verkleidet kommen. Clitumna und Nikopolis verkleideten sich leidenschaftlich gern, und Sulla verwandelte sich mit Vorliebe in eine Frau, die er dann so lächerlich darzustellen pflegte, daß die Zuschauer sich köstlich darüber amüsierten.

Diesmal hatte Sulla sich als Gorgo Medusa verkleidet. Er trug eine Perücke mit lebendigen kleinen Schlangen, die sämtliche Anwesenden entsetzt aufkreischen ließen, wenn er den Kopf wie zum Angriff senkte, und war in fließende Gewänder aus Schappseide gehüllt, die den Gästen nur allzu freizügig den Blick auf seine größte Schlange gewährten. Seine Stiefmutter trat als Äffchen auf. Sie hatte ihren nackten Hintern blau angemalt, hüpfte in einem haarigen Umhang durch das Zimmer und kratzte sich überall. Nikopolis, die Clitumna an Schönheit weit übertraf, hatte ein gemäßigteres Kostüm gewählt, das Kostüm der Diana, der Göttin der Jagd, das ihre langen schlanken Beine und eine ihrer makellosen Brüste zeigte. Tanzend brachte sie die winzigen Pfeile ihres Köchers im Takt der Flöten, Pfeifen, Glocken, Lyren und Trommeln zum Rasseln.