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»Marcus Aemilius Scaurus, das steht nicht bei dir«, sagte Metellus Delmaticus, der Pontifex Maximus. »Das Gesetz sagt, wenn ein Zensor während der Amtszeit stirbt, ist das lustrum zu Ende und sein Kollege muß unverzüglich zurücktreten.«

»Es ist mir gleich, was das Gesetz sagt«, erwiderte Scaurus. »Ich kann jetzt nicht zurücktreten, und ich werde nicht zurücktreten!«

Sie baten und bettelten, zeterten und schrieen, alles vergebens. Scaurus war entschlossen, einen Präzedenzfall zu schaffen. Daraufhin begann das ganze Geschrei und Gezeter von neuem. Bis Scaurus die Geduld und die Beherrschung verlor.

»Ich scheiße auf euch alle!« schrie er und machte weiter mit seinen Plänen und Verträgen.

Also berief der Pontifex Maximus eine weitere Senatssitzung ein und zwang den Senat, einen formellen Beschluß zu fassen, der den unverzüglichen Rücktritt Scaurus’ forderte. Eine Abordnung wurde zu Scaurus geschickt.

Wie Du weißt, bin ich kein Anhänger von Scaurus. Er ist so verschlagen wie Odysseus und ein so gerissener Lügner wie Paris. Aber Du hättest sehen sollen, wie er die Abgesandten in der Luft zerrissen hat! Wie ein so häßlicher, magerer Wicht wie Scaurus das fertigbringt, ist mir ein Rätsel - er hat nicht einmal mehr ein einziges Haar auf dem Kopf! Marcia sagt, es liegt an seinen schönen grünen Augen und seiner noch schöneren Stimme und seinem Sinn für Humor. Nun, den Sinn für Humor will ich ihm zugestehen, aber den Reiz seiner Augen und seiner Stimme kann ich nicht nachempfinden. Marcia sagt, ich sei ein typischer Mann, wobei ich nicht genau weiß, was sie damit sagen will. Frauen nehmen gern Zuflucht zu solchen Bemerkungen, wenn man sie auf die Logik festzunageln versucht, wie ich festgestellt habe. Aber es muß auch irgendeine verborgene Logik in seinem Erfolg liegen, und wer weiß? Vielleicht trifft Marcias Einschätzung ja zu.

Aber ich schweife ab. Zurück zur Sache. Als er die Senatoren sah, schob er Verträge und Vertragspartner beiseite. Kerzengerade saß er auf seinem Amtsstuhl, die Toga in perfekte Falten gelegt, einen Fuß vorgestellt, in der klassischen Haltung.

»Ja bitte?« fragte er Metellus Delmaticus, den Sprecher der Abordnung.

»Marcus Aemilius, der Senat hat formell beschlossen, daß du auf der Stelle dein Zensorenamt niederlegen sollst« sagte der Unglücksrabe.

»Das werde ich nicht tun«, sagte Scaurus.

»Du mußt aber!« blökte Delmaticus.

»Ich muß gar nichts!« Scaurus drehte den Senatoren den Rücken zu und winkte die Bauunternehmer wieder heran.

Delmaticus versuchte es noch einmal. »Marcus Aemilius, bitte!«

Aber Scaurus sagte nur: »Ich scheiße auf euch! Scheiße, scheiße, scheiße!«

Nachdem der Senat seine Möglichkeiten erschöpft hatte, reichte er das Problem an die Versammlung der Plebs weiter. Damit wurde der Plebs die Verantwortung für etwas zugeschoben, für das sie eigentlich gar nicht zuständig war, denn die Zensoren werden ja von den Zenturiatkomitien gewählt, einer weitaus vornehmeren Körperschaft, als die Versammlung der Plebs es ist. Die Plebs hielt dennoch eine Versammlung ab und übertrug ihren Volkstribunen eine letzte Aufgabe für das laufende Amtsjahr: Marcus Aemilius Scaurus aus seinem Zensorenamt zu entfernen.

Also marschierten gestern, am neunten Tag des Dezember, alle zehn Volkstribunen geschlossen zu Scaurus, an der Spitze Gaius Mamilius Limetanus.

»Marcus Aemilius, das Volk von Rom hat mich beauftragt, dich aus deinem Zensorenamt zu entfernen«, sagte Mamilius.

»Da das Volk mich nicht gewählt hat, Gaius Mamilius, kann das Volk mich auch nicht absetzen«, erwiderte Scaurus.

»Aber das Volk hat die oberste Gewalt, Marcus Aemilius, und das Volk sagt, du mußt zurücktreten.«

»Ich werde nicht zurücktreten!«,

»In diesem Fall, Marcus Aemilius, bin ich vom Volk ermächtigt, dich festzunehmen und ins Gefängnis zu bringen«, sagte Mamilius.

»Lege Hand an mich, Gaius Mamilius, und du wirst wieder die Sopranstimme deiner Kindheit bekommen«, drohte Scaurus.

Worauf sich Mamilius der Menge zuwandte, die sich natürlich inzwischen versammelt hatte, und ihr zurief: »Volk von Rom, ich rufe Dich zum Zeugen, daß ich hiermit mein Veto dagegen einlege, daß Marcus Aemilius Scaurus weiter Zensor ist!«

Und damit war der Fall natürlich erledigt, Scaurus rollte seine Verträge zusammen, befahl seinem Stuhlsklaven, seinen Elfenbeinstuhl zusammenzuklappen, und verbeugte sich nach allen Richtungen vor der applaudierenden Menge, die nichts mehr liebt als eine gelungene Auseinandersetzung zwischen Beamten, und die Scaurus uneingeschränkt bewundert, weil er die Art von Mut besitzt, die alle Römer bei ihren Beamten bewundern. Dann ging er auf Mamilius zu, hängte sich bei ihm ein und verließ ruhmreich das Feld.

Caesar seufzte, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und dachte, daß er noch einen Kommentar zu den Nachrichten abgeben sollte, die Marius aus der Provinz Africa geschrieben hatte. Dort hatte es Metellus anscheinend fertiggebracht, den Krieg mit Jugurtha in einem Sumpf inkonsequenter Aktivitäten und schwacher Führung ersticken zu lassen. Das war zumindest Marius’ Version, die allerdings nicht mit den Berichten übereinstimmte, die Metellus fortlaufend dem Senat schickte.

Du wirst bald erfahren - falls Du es nicht schon weißt -, daß der Senat Quintus Caecilius’ Kommando als Statthalter der Provinz Africa und Feldherr im Krieg gegen Jugurtha verlängert hat. Ich bin sicher, daß Dich das nicht überrascht, und ich nehme an, daß Quintus Caecilius seine militärischen Aktivitäten verstärken wird, denn wenn der Senat das Kommando eines Konsuls erst einmal verlängert hat, kann er sicher sein, daß er das Kommando behält, bis er die Gefahr in seiner Provinz erfolgreich bekämpft hat. Es ist eine kluge Taktik, untätig zu bleiben, bis das Konsulatsjahr vorbei ist und das prokonsularische imperium verliehen wird.

Aber ich stimme Dir zu, daß Dein Feldherr empörend lange gezögert hat. In seinen Berichten schreibt er, sein Heer hätte eine gründliche Ausbildung gebraucht, und der Senat glaubt ihm. Ich verstehe auch nicht, warum er Dich, der du immer als Fußsoldat gekämpft hast, zum Anführer seiner Reiterei ernannt hat und Publius Rutilius zum Befehlshaber der Heereshandwerker, wo er doch im Feld viel bessere Dienste leisten könnte. Aber es ist nun einmal das Vorrecht des Feldherrn, seine Männer so einzusetzen, wie er möchte, von den Legaten bis hinunter zu den einfachen Hilfssoldaten.

Deine Schilderung von der Schlacht am Fluß Muthul beeindruckt mich viel mehr als die Version, die Quintus Caecilius in seinem Bericht an den Senat gegeben hat. Ich stehe voll und ganz auf Deiner Seite und bin überzeugt, daß Du recht hast, wenn Du sagst, der beste Weg, den Krieg gegen Numidien zu gewinnen, sei die Gefangennahme Jugurthas.

Es tut mir leid, daß dieses erste Jahr so enttäuschend für Dich war, weil Quintus Caecilius Deine Talente nicht nutzt. Dein Ziel, Dich im übernächsten Jahr zum Konsul wählen zu lassen, wird schwer zu erreichen sein, wenn Du keine Gelegenheit erhältst, Dich in den kommenden Schlachten in Numidien auszuzeichnen. Aber ich glaube nicht, Gaius Marius, daß Du eine so schmähliche Zurücksetzung widerstandslos dulden wirst, und ich bin sicher, Du wirst einen Weg finden, Dich doch noch auszuzeichnen.