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Sie zog den Zündschlüssel ab, stieg aus und wartete, bis Peter auf der anderen Seite umständlich aus dem niedrigen Wagen geklettert und neben sie getreten war. Er hatte bis jetzt kein Wort mehr gesagt, aber sich auch nicht gesträubt, aus zusteigen. Liz wertete allein dies schon als kleinen Sieg.

Sie schauderte, als sie nebeneinander zum Haus hinaufgingen. Es war niedrig, breit und wuchtig und schien eine fühlbare Kälte zu verströmen. Sie versuchte sich vorzustellen, wie es sein mußte, in einem solchen Haus zu leben, aber sie konnte es nicht. Das hieß - sie hätte es gekonnt. Aber sie wollte nicht.

Peter deutete auf die Blumenrabatten rechts und links des Weges. »Die hat Andy angelegt«, sagte er, nervös, aber hörbar stolz. »Gefallen sie Ihnen?«

Liz blickte flüchtig auf die kleinen, bunten Beete. Selbst einer Betongärtnerin wie Ihr blieb nicht verborgen, daß die Rabatten bestenfalls als ärmlich bezeichnet werden konnten - aber sie waren mit großer Liebe angelegt, kamen in dieser Umgebung nur nicht richtig zur Geltung. Außerdem schienen sie asymmetrisch, fast als hätte man sie da, wo sie dem Gemüse im Weg standen, schlichtweg abgeschnitten. Wahrscheinlich hatte man. Trotzdem nickte sie. »Sie sind hübsch«, sagte sie. »Wenn Andy Lust hat, kann sie unseren halben Hof mit Blumen bepflanzen.«

Peter nickte nervös und sah weg.

Sie hatten die Tür erreicht und blieben stehen. Drinnen im Haus waren Geräusche, die sie nicht eindeutig identifizieren konnte, und Peter starrte noch immer zu Boden und versuchte so zu tun, als wäre er gar nicht da. »Klopfen Sie«, meinte Liz. »Ich werde nichts sagen, bevor Sie mir das Zeichen geben.«

Peter trat einen Moment lang unschlüssig von einem Fuß auf den anderen, drehte sich dann mit sichtlicher Überwindung um und klopfte zaghaft gegen die Tür. Er hielt sich erstaunlich gut, wenn sie bedachte, unter welchem Druck erstehen mußte. Es dauerte lange, bis sich der Rhythmus der Geräusche drinnen änderte und schwere, schlurfende Schritte näherkamen. Dabei mußten die Starbergs ihre Ankunft schon lange bemerkt haben. Der Jaguar war alles andere als leise, und Liz war sicher, eine Bewegung hinter den Fenstern gesehen zu haben, als sie ausgestiegen war.

Eine Kette klirrte, und die Tür wurde einen Spaltbreit geöffnet. Dunkle, mißtrauische Augen lugten zu ihnen heraus, betrachteten sie mit Verwirrung und Mißtrauen und Peter voller unverhohlener Feindseligkeit. Frau Starberg war Liz bereits unsympathisch, ehe sie sie auch nur gesehen hatte.

Peter trat einen halben Schritt von der Tür zurück und nickte nervös. »Guten... guten Morgen, Ma'am.«

»Heyning?« machte Frau Starberg. »Was wollen Sie hier?« Sie zögerte einen Moment, schob die Tür dann ganz auf und musterte erst Peter, dann Liz mit einem schon fast unverschämten Blick.

Sie sah beinahe genauso aus, wie sich Liz eine Frau wie sie vorgestellt hatte - eine kleine, zur Fettleibigkeit neigende Person mit kräftigen Händen und einem breitflächigen, groben Gesicht und einem ganz leisen, aber trotzdem unübersehbar grausamen Zug um den Mund. Dunkles Haar, in dem sich graue Strähnen zeigten und das mit Sicherheit noch niemals einen Friseur gesehen hatte. Sie war nicht häßlich, aber sie war auch niemals hübsch gewesen. Ihre Stimme war nicht schrill genug, um direkt unangenehm zu sein, strahlte aber auch nicht gerade Vertrauen aus. Liz war sich darüber im klaren, daß sie diese Frau nicht einmal dann sympathisch gefunden hätte, wenn sie das Aussehen eines Erzengels gehabt hätte - aber sie war auch beinahe froh, daß sie es nicht hatte. Es war leichter, unnett zu jemandem zu sein, der so aussah, als hätte er es verdient.

Peter deutete mit einer fahrigen Geste auf Liz. »Das ... das ist Frau König«, sagte er unsicher. »Meine... meine neue Herrschaft. Ich .. das heißt, wir... wir wollten Andy besuchen.«

»Jetzt?« sagte Starberg. »Sie wissen doch, daß Sie sich vorher anmelden sollen. Außerdem sind die vier Wochen noch nicht um.« Sie machte Anstalten, sich herumzudrehen und ihnen kurzerhand die Tür vor der Nase zuzuschlagen. Liz trat rasch einen Schritt vor und rang sich ein entschuldigendes Lächeln ab. »Ich glaube, das ist meine Schuld«, sagte sie betont freundlich, aber mit einer Kälte in der Stimme, die der Starberg weder entgehen konnte noch sollte. »Peter hat so viel von Andy erzählt, daß ich sie unbedingt einmal kennenlernen wollte. Und weil wir gerade in der Stadt waren, dachte ich, die Gelegenheit wäre günstig. Ich wußte nicht, daß er seine Tochter nur alle vier Wochen sehen darf.«

Es war nicht zu erkennen, ob Frau Starberg die Spitze verstand. Sie musterte Liz mit unbewegtem Gesicht, zuckte dann mit den Achseln und trat widerstrebend zurück. »Von mir aus kommen Sie rein«, sagte sie, ohne sich die Mühe zugeben, freundlich oder zumindest neutral zu klingen. »Aber nur zehn Minuten. Ich habe zu tun.«

»Vielen Dank«, sagte Liz. »Wir halten Sie bestimmt nicht lange auf.«

Sie zog den Kopf ein, trat durch die Tür und sah sich neugierig um. Wie bei den meisten dieser alten Bauernhäuser gab es keine Diele, sondern sie standen nach Betreten des Hauses gleich in der Wohnstube; einem überraschend großen, sauber eingerichteten Raum. Die Möbel waren noch nicht alt genug, um als Antiquitäten gelten zu können, bewiesen aber einen - wenn auch recht konventionellen - guten Geschmack. Ein leichter Geruch nach Kohl und kaltem Pfeifenrauch hing in der Luft. Liz war ein wenig enttäuscht, daß die Starberg ihr nicht auch den Gefallen tat, schmuddelig zu sein.

»Andy ist in der Küche«, sagte Frau Starberg. Sie schloß die Tür, schob sich an Peter vorbei und deutete auf einen zweiten Durchgang an der Rückseite des Raumes. »Dort.« Liz tauschte einen raschen Blick mit Peter. Er war blaß. Aber sie wußte plötzlich, daß er es durchstehen würde. Nicht aus Mut. Dieser Mann war zu oft eingeschüchtert und erniedrigt worden, um überhaupt noch zu wissen, was das Wort Mut bedeutete. Aber er - und das erschreckte sie, obwohl es sie hätte freuen müssen -, er vertraute ihr. Sie hatte ihm gesagt, daß sie ihm helfen würde, und er glaubte ihr. Mit einem Mal begriff sie, welche Verantwortung sie auf sich geladen hatte. »Kommen Sie«, sagte sie, als die Starberg vorausgegangen und außer Hör weite war. »Es wird schon gut gehen.«

Sie durchquerten die Stube, gingen durch einen kurzen Flur und betraten die Küche, deren Fenster nach hinten auf den Hof hinaus führten.

Liz blieb verblüfft stehen, als sie das Mädchen sah. Andy saß auf einem Stuhl unter dem Fenster und blätterte in einem zerlesenen Comic-Heftchen. Sie sah hoch, als sie die Küche betraten, blickte erst Frau Starberg, dann, mit einem leisen, verwunderten Stirnrunzeln, Liz und schließlich Peter an. Ihr Gesicht hellte sich auf, als sie ihren Vater erkannte. Sie sprang auf, warf das Heft achtlos auf den Boden und eilte mit weit ausgebreiteten Armen auf Heyning zu.

Liz war mehr als nur erstaunt. Sie wußte nicht, was sie erwartet hatte - eigentlich hatte sie sich gar keine Vorstellung von dem Mädchen gemacht -, aber das jedenfalls nicht. Peter hatte ihr erzählt, daß Andy bald fünfzehn war, aber sie sah aus wie neunzehn. Sie war schlank; jene zarte, halb knabenhafte Figur, die eine junge Frau, die auf der Schwelle zwischen Kind und Frau stand, manchmal für kurze Zeit hatte, und besaß Peters braune, stets etwas erschrockene Augen. Ihr Haar war glatt und fiel bis weit über die Schultern hinab, schwarz, rabenschwarz mit einem leichten Stich ins Bläuliche, und ihre Bewegungen waren überhaupt nicht die einer Behinderten, sondern schnell und elegant und fraulich. Peter drückte sie sekundenlang an sich, hielt sie dann an beiden Schultern fest und drehte sie mit sanfter Gewalt um, so daß sie Liz ansehen mußte.