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Ich rappelte mich auf und starrte auf die Reste des Eis hinab.

»Das ist nicht das Ei der Priesterkönige«, fuhr Kamchak fort. »Glaubst du wirklich, wir würden unsre Gegner wissen lassen, wo sich solch ein wertvolles Ding befindet?«

Ich sah Kamchak an. Mir standen Tränen in den Augen.

Plötzlich hörten wir aus weiter Ferne einen schrillen Schrei und das Fauchen der beiden Sleens.

»Es ist vorbei«, sagte Kamchak.

Er wandte sich in die Richtung, aus der die Schreie kamen. Er ging ohne Hast. Wir folgten ihm.

Schließlich erreichten wir das Ufer des Gelben Sees von Turia. Auf der Marmorkante tobten die beiden Jagdsleen hin und her; sie zischten und fauchten und warfen ab und zu verzweifelt die Köpfe hoch und heulten. Ihre blitzenden Augen waren auf die Gestalt Saphrars aus Turia gerichtet, der wimmernd in der Masse des Sees stand. Seine Finger fuhren durch die Luft, als versuchten sie im Nichts Halt zu finden, als wollte er nach den Ranken greifen, die fünf Meter über ihm hingen.

Er versuchte sich in der schimmernden, funkelnden Substanz des Sees zu bewegen, kam jedoch nicht von der Stelle.

Sein dickes Gesicht war in Schweiß gebadet. Ihn umschwammen leuchtend weiße Kugeln, die ihn vielleicht beobachteten, ihn einkreisten. Die goldenen Tropfen, die Saphrar anstelle der Augenbrauen trug, fielen unbemerkt in die Flüssigkeit, die langsam an ihm emporstieg. Unter der Oberfläche ließ sich erkennen, daß seine Robe an verschiedenen Stellen bereits zerfressen war; wahrscheinlich drangen die Säfte des unheimlichen Seewesens bereits in seine Haut ein, nährten sich von seinem Körper.

»Senkt die Ranken!« flehte Saphrar. Er warf den Kopf zurück und begann wie verrückt an seinen Schultern und Armen zu kratzen. Schließlich streckte er Kamchak die Hände entgegen.

»Denk an Kutaituchik«, sagte dieser nur.

Saphrar schrie vor Schmerzen auf. Unter Wasser bemerkte ich eine Bewegung und entdeckte mehrere weiße Stränge, die seine Beine umschlossen und ihn unter die Oberfläche ziehen wollten.

Saphrar begann die verhärtete Masse ringsum mit den Fäusten zu bearbeiten, um ein weiteres Einsinken zu verhindern. Die Augen quollen ihm aus dem Kopf.

»Das Ei«, sagte Kamchak laut, »war das Ei eines Tharlarion. Es war wertlos.«

Der Kaufmann schien zusammenzusacken und versank langsam in der gallertartigen Flut. Einige Blasen zerplatzten träge an der Oberfläche. Schließlich verschwand der Kopf, und nur noch die Hände des Mannes waren zu sehen, hochgereckt, als wollte er nach den rettenden Ranken greifen.

Schließlich war es vorbei. Wir standen schweigend und starrten auf die ruhige Oberfläche des »Sees«.

»Bringt eine Fackel«, befahl Kamchak schließlich.

Er starrte in die lebendige schimmernde Flüssigkeit des Gelben Sees.

»Es war Saphrar aus Turia, der meinen Vater mit den Kandaketten bekannt machte. Er hat meinen Vater also zweimal getötet.«

Die Fackel wurde gebracht, und der See begann plötzlich seinen Dampf in schnellerem Rhythmus abzugeben. Seine Oberfläche geriet in Bewegung, schien sich von unserer Seite zurückzuziehen. Die seltsamen Stränge unter der Oberfläche zuckten nervös hin und her.

Kamchak nahm die Fackel und warf sie in die Mitte des Sees.

Plötzlich explodierte der See in Flammen, und wir alle hoben schützend die Arme vor die Gesichter und zogen uns einige Meter zurück. Im Becken begann es zu dröhnen, zu zischen und zu blubbern, und die Flammen loderten hoch auf. Auch die Ranken fingen Feuer. Das lebendige Seewesen versuchte, alle Flüssigkeit abzustoßen und sich vor der Gewalt der Flammen durch Bildung einer harten Kapsel zu schützen — aber die Flammen sprengten die Schutzhaut, und wieder war das ganze Becken voller züngelnder Flammen, immer wieder wurden Brocken in die Höhe geschleudert.

Über eine Stunde brannte das Feuer — und schließlich war das Becken leer und an vielen Stellen verkohlt, nur einige geschwärzte Knochen und Tropfen geschmolzenes Gold blieben zurück.

»Kutaituchik ist gerächt«, sagte Kamchak und wandte sich zum Gehen.

Vor dem Anwesen Saphrars, das nun in Flammen stand, bestiegen wir unsere Kaiila, um in das Wagenlager vor den Toren der Stadt zurückzukehren.

Ein Mann näherte sich Kamchak. »Der Tarnkämpfer«, berichtete er, »ist geflohen. Wir haben befehlsgemäß nicht auf ihn geschossen, da er Saphrar nicht bei sich hatte.«

Kamchak nickte. »Ich habe keinen Hader mit dem Söldner Ha-Keel«, sagte er und wandte sich an mich. »Du aber wirst ihm vielleicht noch einmal begegnen, nachdem er nun weiß, worum es hier geht. Saphrar ist tot, und seine Hintermänner brauchen einen neuen Helfershelfer. Vielleicht siehst du diesen Mann schneller wieder, als du jetzt glaubst.« Kamchak grinste mich an — das erste Lächeln seit dem Tod seines Vaters. »Es heißt, das Schwert Ha-Keels ist kaum weniger schnell als das von Pa-Kur, des Führers der Meuchelmörder.«

»Pa-Kur ist tot«, erwiderte ich. »Er kam bei der Belagerung Ars ums Leben.«

»Hast du die Leiche gesehen?«

»Nein«, sagte ich.

Kamchak lächelte. Tarl Cabot, ich glaube, du gäbst nie einen richtigen Tuchuk ab.«

»Wieso?«

»Du bist zu vertrauensselig.«

»Pa-Kur wurde auf dem Justizzylinder Ars besiegt, und um der Gefangenschaft zu entgehen, stürzte er sich über den Rand in die Tiefe. Ich glaube nicht, daß er fliegen konnte.«

»Hat man die Leiche gefunden?« fragte Kamchak noch einmal.

»Nein«, sagte ich. »Aber was heißt das schon?«

»Einem Tuchuk würde das etwas ausmachen«, sagte Kamchak.

»Ihr Tuchuks seid eben ein mißtrauischer Haufen«, antwortete ich ärgerlich. »Wahrscheinlich wurde der Tote von der aufgebrachten Menge in Stücke gerissen.«

»Dann sieht es also so aus, als sei er tot?«

»Sicher.«

»Hoffen wir, daß es stimmt«, sagte Kamchak. »Um deinetwillen.«

Wir wendeten unsere Kaiila und ritten aus der Stadt. Eine Unterhaltung kam nicht mehr auf, aber zum erstenmal seit vielen Wochen pfiff Kamchak leise vor sich hin. Einmal wandte er sich an Harold. »Ich glaube, wir sollten ein paar Tage auf Tumitjagd gehen«, bemerkte er.

»Das würde mir Spaß machen«, erwiderte Harold.

»Willst du mitkommen?« fragte mich Kamchak.

»Ich glaube, ich werde die Wagen bald verlassen, denn ich habe meine Mission für die Priesterkönige nicht erfüllen können«, sagte ich.

»Was war das für eine Mission?« fragte Kamchak unschuldig.

»Ich sollte das letzte Ei der Priesterkönige finden«, sagte ich etwas gereizt, »und es ins Sardargebirge zurückbringen.«

»Warum erledigen die Priesterkönige solche Dinge nicht selbst?« fragte Harold.

»Sie vertragen die Sonne nicht«, sagte ich. »Sie unterscheiden sich sehr von den Menschen. Und wenn ein Mensch sie sähe» könnte er Angst vor ihnen bekommen und sie töten wollen. Dadurch käme das Ei in große Gefahr.«

»Eines Tages«, sagte Harold, »mußt du mir von den Priesterkönigen erzählen.«

»Sehr gern«, erwiderte ich.

»Ich dachte mir gleich, daß du der Mann bist«, warf Kamchak ein.

»Welcher Mann?«

»Der Mann, den mir die beiden Fremden ankündigten — die Männer, die damals das Ei brachten.«

»Die beiden sind tot. Ihre Städte haben einen Krieg gegeneinander geführt, und sie sind auf dem Schlachtfeld umgekommen.«

»Das tut mir leid«, sagte Kamchak. »Es schienen mir ausgezeichnete Krieger zu sein.«

»Wann kamen sie zu den Wagen?«

»Es ist erst zwei Jahre her«, antwortete er.

»Sie gaben dir das Ei?«

»Ja«, sagte er. »Ich sollte es für die Priesterkönige aufbewahren. Das war natürlich klug von ihnen, denn die Wagenvölker gehören zu den wildesten Stämmen Gors und leben viele hundert Pasang von den Städten entfernt in Freiheit — mit Ausnahme von Turia natürlich.«

»Weißt du, wo das Ei jetzt ist?« fragte ich.

»Natürlich«, sagte er.

Ich begann im Sattel meiner Kaiila zu zittern. Die Zügel fielen mir aus der Hand, und das Tier wurde unruhig.