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Ich zählte die Geschosse – insgesamt siebzig. Fünfzig waren Federpfeile, zwanzig Flugpfeile. Der goreanische Federpfeil ist etwas über einen Meter lang, während der Flugpfeil nur achtzig Zentimeter mißt. Beide haben Metallspitzen und sind mit drei Halbfedern aus den Flügeln der Voskmöven versehen.

Ich hatte Telima gebeten, das Boot stabiler und breiter zu machen als gewöhnlich. Ich war kein Rencebauer, und wenn ich den Bogen abfeuerte, mußte ich stehen und durfte das Gleichgewicht nicht verlieren.

Als das Fahrzeug schließlich fertig war, war ich zufrieden, und kaum eine Ahn nach unserer Rückkehr zur Insel stakte uns Telima vom Ufer los, steuerte uns hinter den großen Barken der Sklavenhändler her.

Die Pfeile lagen vor mir, lose aufgereiht in dem großen Ledertuch. In meiner Hand ruhte der riesige Bogen, dessen Sehne ich noch nicht eingehängt hatte. Die Linie der sechs Barken hatte die Fahrt verlangsamt, hatte schließlich gestoppt, die Ruder halb eingezogen, wartend. Es ist sogar für ein kleines Renceboot manchmal schwierig, sich durch das dichte Schilf und den Rencebewuchs einen Weg zu bahnen.

Vom Flaggschiff war ein kleines Holzboot ausgesetzt und nach vorn geschickt worden. Zwei Sklaven standen am Heck des flachen Fahrzeugs und stakten es voran. Zwei weitere Sklaven hockten im Bug und hantierten mit langen Stangen, an deren Enden Klingen blitzten; sie schnitten den Weg für die nachfolgenden Barken frei – eine Passage, die für die Schiffe und ihre breit ausladenden Ruder ausreichen mußte.

Die sechste Barke begann etwas nach Lee abzutreiben, bewegte sich im Halbkreis herum. Ihr Rudermeister brüllte wütend auf und wandte sich an den Steuermann, der sich nicht rührte. Er hatte in der Mittagshitze des Deltas seinen Helm abgesetzt.

Der Rudermeister verlor die Beherrschung, sprang die Stufen zum Ruderdeck empor und packte wütend den Arm des Steuermanns und schüttelte ihn. Abrupt ließ er los, und der Steuermann stürzte leblos zu Boden.

Der Rudermeister schrie angstvoll auf und rief Krieger hervor, die auf dem Ruderdeck zusammenliefen.

Der Pfeil meines Langbogens hatte den Kopf des Mannes glatt durchbohrt und war hundert Meter weiter unsichtbar im Sumpf niedergegangen.

Die Männer konnten sich nicht erklären, was geschehen war. Unsicher sahen sie sich um. Der Sumpf war still. Nur in der Ferne war das Pfeifen einer Marschgans zu hören.

Geschickt steuerte Telima das Boot durch das Schilf, brachte uns ungesehen in die Nähe der schweren, langsamen Barken, die durch ihren Tiefgang durch die Sumpfvegetation besonders behindert wurden. Es gab Augenblicke, da waren wir nur wenige Meter von den Booten entfernt, ständig in Bewegung, doch vorzüglich gedeckt durch das dichte Schilf.

Wir passierten die fünfte Barke, dann die vierte und dritte. Ich hörte die Rufe der Verwirrung, die von Boot zu Boot weitergegeben wurden.

Bald hatten wir den Bug der ersten Barke, des Flaggschiffs, erreicht. Die Krieger aus Port Kar drängten sich mittschiffs und am Heck und blickten nach hinten, um zu sehen, was los war. Auch einige Rudersklaven standen auf und schauten zurück. Auf dem schmalen Vorderdeck standen unter dem hohen, gebogenen Bug der Offizier und Henrak und starrten ebenfalls nach hinten. Auf dem hohen Bug, an dem das dunkelhaarige Mädchen festgebunden war, stand ein Ausguck, den ich mir nun zum Ziel nahm.

Ich stand auf dem kleinen Boot, die Beine gespreizt, den Kopf nach links gewandt. Ich zog den Pfeil durch, bis seine Federn an meiner Wange lagen; ich hielt den Atem an und zielte. Dann ließ ich die Sehne los.

Auf die kurze Entfernung durchstieß der Pfeil mühelos den Körper. Während der Mann keinen Laut von sich gab, schrie das Mädchen am Bug laut auf. Wasser spritzte.

Die vier Sklaven in dem kleinen Boot stießen ebenfalls erschreckte Rufe aus. Auf der anderen Seite der Barke wurde das Wasser aufgewühlt, doch der Mann blieb stumm; wahrscheinlich war er schon tot, als er vom Schiff fiel. Auf der Barke lief der Offizier mit dem goldverzierten Helm an die Reling, während das Mädchen am Bug hysterisch kreischte. Lautlos setzte Telima unser Boot wieder in Bewegung, stakte zurück zur letzten Barke.

»Schneidet!« hörte ich den Offizier den Sklaven in dem kleinen Boot zurufen, die sofort hektisch die Arbeit wieder aufnahmen.

Den ganzen Nachmittag hindurch umkreisten Telima und ich wie lauernde Sleen ohne Eile die Reihe der Barken und gaben ganz nach Belieben weitere Pfeilschüsse ab. Zuerst nahm ich mir die Steuermänner vor, und bald fand sich niemand mehr, der auf das Ruderdeck steigen wollte.

Nach einiger Zeit sprangen Krieger in das kleine Boot, um den Sklaven beim Freimachen des Wegs zu helfen, doch diese Männer waren eine leichte Beute für meine Pfeile.

Und war die Bahn einigermaßen frei und wagte es ein Rudermeister, seinen Sitz einzunehmen, um die Rudersklaven anzutreiben, so endete er prompt mit einer Pfeilspitze im Herzen. Nun wagte sich auch niemand mehr auf den Platz des Rudermeisters.

Bei Einbruch der Dunkelheit entzündeten die verängstigten Männer aus Port Kar zu ihrem Unglück Fackeln auf den Barken; denn im Schein der Flammen fanden die Pfeile des Langbogens mühelos ihr Ziel.

Daraufhin wurden die Flammen wieder gelöscht, und angstvoll warteten die Männer aus Port Kar in der Dunkelheit auf den Morgen.

Wir hatten von verschiedenen Seiten und zu verschiedenen Zeiten zugeschlagen, und Telima hatte oft das Pfeifen der Marschgans erklingen lassen. Die Männer von Port Kar wußten im Gegensatz zu mir genau, daß sich die Rencebauern durch diese Laute verständigen, so daß die Wirkung recht befriedigend war, zumal Telimas Rufe ständig durch echte Gänse beantwortet wurden. Die Männer an Bord der Barken mußten annehmen, von Rencebauern völlig eingekreist zu sein.

Von Zeit zu Zeit erwiderten sie mein Feuer, doch ihre Pfeile fielen harmlos in den Sumpf. Nur selten kam ein Geschoß in gefährliche Nähe, weil Telima ständig unsere Position veränderte.

In der Dunkelheit aßen Telima und ich Rencekuchen, den wir von der Insel mitgebracht hatten, und tranken Wasser.

»Wie viele Pfeile hast du noch?« fragte sie.

»Zehn.«

»Das genügt nicht.«

»Stimmt«, sagte ich, »aber wir genießen jetzt den Schutz der Dunkelheit.«

Ich hatte mir einige Sumpfranken zurechtgeschnitten und daraus eine Schlinge gemacht.

»Was willst du tun?« fragte sie.

»Bring mich zur vierten Barke«, erwiderte ich.

Wir hatten ausgerechnet, daß an Bord der Barken etwa hundert Krieger sein mußten. Davon mochten abzüglich der Ausfälle noch fünfzig Männer übrig sein – auf die sechs Barken verteilt.

Lautlos steuerte Telima die vierte Barke an.

Wie wir festgestellt hatten, waren die Krieger hauptsächlich auf die letzte und die erste Barke konzentriert.

Während des Nachmittags waren die großen Schiffe enger zusammengerückt und Bug an Heck vertäut worden, so daß die Besatzungen sich gegenseitig zu Hilfe kommen konnten. Sollte etwa in der Mitte der Schiffskette ein Enterversuch gemacht werden, konnten die Eindringenden von den Flanken her aufgerollt werden. Dieses Arrangement ließ die Barken zu einem langen, schmalen Holzfort werden.

Diese Verteidigungsmaßnahmen ließen es logisch erscheinen, daß die Angreifer – wahrscheinlich die männliche Bevölkerung einer oder vielleicht zweier Renceinseln – entweder die erste oder die letzte Barke angriff, um nicht zwischen zwei Fronten zu geraten.

Wir hatten nun die Bordwand der vierten Barke erreicht. Da ich keine große Streitmacht zur Verfügung hatte, schien es mir das beste, die Männer aus Port Kar für mich kämpfen zu lassen.

Dicht an der Außenwand des Schiffes stehend, von dem kleinen Boot sanft gewiegt, stieß ich ein klickendes Geräusch aus, das bedeutungslos war, aber dennoch eine erschreckende Wirkung hatte.

Ich hörte einen scharfen Atemzug, ein Laut, der mir den Standort eines Mannes verriet.