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Ein beunruhigendes Vorzeichen, entschied Rhonin, während seine lebhaften, grünen Augen weiter über die Ergebnisse seines Weissagungszaubers wanderten. Jeder Magier wäre in der Lage, dies zu erkennen.

»Bist du sicher?«, rief Vereesa aus dem anderen Raum. »Hast du deine Ergebnisse überprüft?«

Der rothaarige Magier nickte, dann verzog er das Gesicht zu einer Grimasse, als er sich daran erinnerte, dass die Elfin ihn natürlich nicht sehen konnte. Er würde es ihr von Angesicht zu Angesicht sagen müssen. Sie verdiente es. Ich bete, dass sie stark genug ist.

In der Hose und der Jacke, deren dunkelblauer Stoff mit Gold besetzt war, sah Rhonin dieser Tage eher wie ein Politiker aus denn wie ein Zauberer. Aber schließlich hatten die letzten paar Jahre von ihm auch ebenso viel Diplomatie verlangt wie Magie. Die Politik war ihm, der es vorzog, sich kopfüber in eine Situation zu stürzen, niemals leicht gefallen. Seine dichte, rote Haarmähne und der kurze Bart verliehen ihm das charakteristische Erscheinungsbild eines Löwen, das so gut zu seinem schwer bezähmbaren Temperament passte, wenn er gezwungen war, mit verwöhnten und arroganten Botschaftern zu verhandeln. Seine vor langer Zeit gebrochene Nase, die – aufgrund seiner eigenen Entscheidung – niemals anständig gerichtet worden war, wirkte draufgängerisch und unterstrich das hitzköpfige Temperament, das man ihm nachsagte.

»Rhonin … gibt es da etwas, das du mir nicht verraten hast?«

Er konnte sie nicht länger warten lassen. Sie musste die Wahrheit erfahren, wie schrecklich diese auch sein mochte. »Ich komme, Vereesa.«

Rhonin packte seine Weissagungsinstrumente ein, nahm einen tiefen, schweren Atemzug und begab sich wieder in das Zimmer der Elfin. Doch noch in der Tür zögerte er. Alles, was Rhonin sehen konnte, war ihr Gesicht – dieses wunderschöne, perfekte Oval, in das ein großer Künstler mandelförmige Augen vom Blau eines klaren Himmels, eine winzige, nach oben gerichtete Nase und einen verlockenden Mund, der ständig halb zu lächeln schien, gesetzt hatte. Eingerahmt wurde dieses Gesicht von einer schweren Kaskade silberweißen Haares. Trotzdem hätte man sie für eine Menschenfrau halten können, hätten aus dem Haar nicht die langen, spitz zulaufenden Ohren heraus geragt, die typisch für ihr Volk waren.

»Und?«, fragte sie geduldig.

»Es … es werden Zwillinge.«

Ihr Gesicht leuchtete auf, und, wenn dies überhaupt möglich war, so wurde es damit in seinen Augen noch perfekter. »Zwillinge! Wie großartig! Wie wundervoll! Ich war so sicher.«

Sie änderte ein wenig ihre Lage auf dem hölzernen Bett. Die schlanke und dennoch mit wohl gewachsenen Rundungen gesegnete elfische Waldläuferin war jetzt seit mehreren Monaten schwanger. Verschwunden waren der Brustpanzer und die Lederrüstung, ohne die man sie früher niemals angetroffen hatte. Jetzt trug sie ein silbriges Gewand, das die kurz bevorstehende Niederkunft in keinster Weise verbarg.

Die Schnelligkeit, mit der die Schwangerschaft sich gezeigt hatte, hätte es ihnen verraten können, doch Rhonin hatte es verleugnen wollen. Sie waren erst seit wenigen Monaten verheiratet gewesen, als seine Frau ihre Umstände erkannt hatte. Beide hatten sich zunächst große Sorgen gemacht, denn nicht nur war ihre Heirat etwas höchst Seltenes, es hatte auch noch niemals jemand eine erfolgreiche menschlich-elfische Geburt für die Nachwelt aufgezeichnet.

Und jetzt erwarteten sie nicht nur ein Kind, sondern zwei!

»Ich glaube, du verstehst nicht, Vereesa. Zwillinge! Zwillinge von einem Magier und einer Elfin!«

Aber ihr Gesicht strahlte weiterhin Freude aus. »Elfen gebären nicht oft Kinder, und wir bringen nur sehr, sehr selten Zwillinge zur Welt, mein Geliebter! Sie sind für große Dinge bestimmt!«

Rhonin konnte seinen säuerlichen Gesichtsausdruck nicht verbergen. »Ich weiß. Das ist es ja, was mir Sorgen bereitet …«

Er und Vereesa hatten bereits einiges an »großen Dingen« hinter sich. Während der letzten Tage des Krieges gegen die Horde hatte das Schicksal sie zusammengeführt. Gemeinsam waren sie in die Orc-Festung von Grim Batol eingedrungen, wo sie es nicht nur mit Orcs zu tun bekommen hatten, sondern auch mit Drachen, Kobolden, Trollen … und einigem mehr. Danach waren sie von Reich zu Reich gezogen und zu einer Art von Botschaftern geworden, hatten die Allianz ständig daran erinnert, wie wichtig es war, dass ihr Bündnis intakt blieb. Das hatte jedoch nicht bedeutet, dass sie während dieser Zeit nicht ständig ihr Leben riskiert hätten, denn den Frieden, der auf den Krieg gefolgt war, hatte man bestenfalls als unsicher bezeichnen können.

Dann war, ohne Vorwarnung, die Brennende Legion erschienen.

Zu dieser Zeit war das, was als eine Zweckgemeinschaft zweier sich misstrauisch beäugender Agenten begonnen hatte, zu einer Verbindung von zwei zwar ganz und gar andersartigen, aber dennoch seelenverwandten Geschöpfen geworden. Im Krieg gegen die mörderischen Dämonen hatten der Magier und die Waldläuferin ebenso füreinander wie für ihre Länder gekämpft. Mehr als einmal hatten sie den anderen für tot gehalten, und für beide war der Schmerz, den sie dann fühlten, unerträglich gewesen.

Vielleicht war der Schmerz, einander zu verlieren, dadurch noch schlimmer erschienen, dass so viele andere geliebte Wesen bereits den Tod in diesem Krieg gefunden hatten. Dalaran und Quel’Thalas waren von der Untoten Geißel dem Erdboden gleich gemacht, Tausende von den fauligen Abscheulichkeiten hingeschlachtet worden – den Dienern des fürchterlichen Totenkönigs, der die Sache der Legion unterstützt hatte. Ganze Städte hatten ein grauenhaftes Ende gefunden, und die Lage war dadurch, dass viele der Opfer sich bald von den Toten erhoben und ihre nun verdammten sterblichen Hüllen den Rängen der Geißel angeschlossen hatten, nur noch verschlimmert worden.

Die wenigen Menschen, die von Rhonins Familie übrig gewesen waren, hatten in diesem Konflikt schon früh den Tod gefunden. Seine Mutter war bereits lange tot gewesen, sein Vater, sein Bruder und zwei Cousins waren beim Fall der Stadt Andorhal gestorben. Glücklicherweise hatten die verzweifelten Verteidiger, als ihnen alle Hoffnung auf Rettung geschwunden war, ihre eigene Stadt angezündet. Selbst die Geißel hatte aus der verbleibenden Asche keine Krieger mehr rekrutieren können.

Rhonin hatte seit seinem Eintritt in die Welt der Zauberkunst keinen seiner Verwandten mehr gesehen – selbst seinen Vater nicht –, aber er hatte eine Leere in seinem Herzen verspürt, kaum dass ihn die Nachricht von ihrem Tod erreichte. Die Kluft zwischen ihm und seinen Verwandten, die zu einem großen Teil auf den Beruf zurückging, den er sich gewählt hatte, war von einer Sekunde auf die andere verschwunden gewesen. Jetzt hatte nur noch gezählt, dass er der Letzte seiner Familie war … und vollkommen allein.

Vollkommen allein – bis er erkannt hatte, dass die Gefühle, die er für die tapfere Elfen-Waldläuferin an seiner Seite entwickelt hatte, erwidert wurden.

Als der schreckliche Kampf schließlich zu Ende war, hatte es für sie beide nur einen logischen Weg gegeben, den sie nehmen konnten. Trotz der entsetzten Stimmen, die sich sowohl aus Vereesas Volk als auch aus Rhonins magischer Zunft meldeten, hatten beide sich entschieden, sich niemals wieder zu trennen. Sie hatten ein Heiratsversprechen besiegelt und versucht, ein Leben zu beginnen, das so normal war, wie zwei Wesen ihrer so gegensätzlichen Natur es in einer gespaltenen Welt nur irgend führen konnten.

Natürlich, dachte der Magier bitter, sollte es für uns keinen Frieden geben.

Vereesa erhob sich in ihrem Bett, noch bevor er ihr helfen konnte. Selbst so kurz vor der Geburt, bewegte sich die Elfin flink und sicher. Sie fasste Rhonin an den Schultern und blickte ihm in die Augen.

»Ihr Zauberer! Immer seht ihr nur das Schlimmste! Und ich dachte, meine eigenen Leute wären trübsinnig! Mein Geliebter, dies wird eine glückliche Geburt werden, ein glückliches Paar Kinder! Wir werden dafür sorgen, dass es so kommt!«