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Er wusste, dass sie Recht hatte. Keiner von ihnen würde irgendetwas tun, das die Kinder in Gefahr brachte. Als sie den Zustand der Elfin erkannt hatten, hatten sie sofort ihre eigenen Bemühungen um den Wiederaufbau der zertrümmerten Allianz eingestellt und sich in einer der friedlichsten Regionen niedergelassen, die es noch gab – nahe dem zerstörten Dalaran. Doch nicht zu nahe. Jetzt lebten sie in einem einfachen, aber nicht vollkommen bescheidenen Haus, und die Leute der in geringer Entfernung gelegenen Stadt achteten sie.

Die Gewissheit und Hoffnung seiner Frau versetzten den Magier noch immer in Staunen, wenn er bedachte, was sie selbst alles verloren hatte. Wenn Rhonin ein Loch in seinem Herzen gefühlt hatte, nachdem ihm eine Familie genommen worden war, die er kaum noch gekannt hatte, so musste es bei Vereesa ein bodenloser Abgrund gewesen sein, der sich in ihrem Herzen auftat. Quel’Thalas, legendärer noch – und gewiss sicherer – als selbst das von Magie regierte Dalaran, war vollkommen vernichtet worden. Elfische Festungen, seit Jahrhunderten von keiner feindlichen Hand berührt, waren in nur wenigen Tagen gefallen, und ihr einst stolzes Volk war so einfach in die Reihen der Geißel gepresst worden, als wären es nur Menschen gewesen. Zu den lebenden Leichen hatten auch mehrere Mitglieder von Vereesas fest zusammenhaltenden Clan gehört … und ein paar aus ihrer eigenen Familie.

Ihr Großvater hatte ihr von seinem verzweifelten Kampf erzählt, wie er versuchte, den grauenhaften Kadaver seines eigenen Sohnes zu vernichten, ihres Onkels. Von dem alten Mann hatte sie auch erfahren, wie ihr jüngerer Bruder von einem hungrigen Mob Untoter unter der Führung ihres eigenen älteren Bruders, den später die überlebenden Verteidiger angezündet und zusammen mit dem Rest der Geißel in den Flammen vernichtet hatten, zerfetzt worden war. Was mit ihren Eltern geschehen war, wusste bisher noch niemand, aber auch von ihnen nahm man an, dass sie nicht mehr am Leben waren.

Und was Rhonin ihr nicht erzählt hatte – und wahrscheinlich auch niemals erzählen würde –, waren die monströsen Gerüchte, die er über Sylvanas, eine der beiden Schwestern Vereesas, gehört hatte.

Vereesas andere Schwester, die große Alleria, war während des Krieges gegen die Brennende Legion zur Heldin aufgestiegen. Aber Sylvanas, sie, der Rhonins Frau stets nachzueifern bemüht gewesen war, hatte die Waldläufer in die Schlacht gegen den Verräter geführt – Arthas, Prinz von Lordaeron. Einst die leuchtende Hoffnung seines Landes, nun der grauenhaften Diener von Legion und Geißel, hatte er sein eigenes Königreich verwüstet und dann die untote Horde gegen die Elfenhauptstadt Silvermoon geführt. Sylvanas hatte seinen Truppen immer wieder den Weg versperrt, und eine Zeit lang hatte es tatsächlich so ausgesehen, als würde sie ihn besiegen. Doch wo schlurfende Leichen, Ungetüme und Abscheulichkeiten versagt hatten, hatte schließlich die finstere Nekromantie des verräterischen Edelmannes den Sieg davon getragen.

Die offizielle Version besagte, Sylvanas sei tapfer im Kampf gefallen, als sie verhinderte, dass Arthas’ Lakaien das Volk von Silvermoon abschlachteten. Die Anführer der Elfen – sogar Vereesas Großvater – behaupteten, der Leichnam der Waldläuferin sei in dem gleichen Feuer verbrannt, das die Hälfte der Hauptstadt verwüstete.

Doch während für Vereesa die Geschichte hier endete, hatte Rhonin durch Quellen unter den Kirin Tor und in Quel’Thalas Dinge erfahren, die ihn mit Entsetzen erfüllten. Ein überlebender Waldläufer, von den Schrecken des Krieges seines Verstandes beraubt, hatte etwas davon gebrabbelt, dass seine Anführerin nicht im Kampf gefallen, sondern gefangen genommen worden sei. Man hätte sie schrecklich gefoltert und verstümmelt und dann zuletzt zu Arthas’ purem Vergnügen getötet. Schließlich hätte der Prinz ihre Leiche in seinen dunklen Tempel gebracht und dort ihre Seele und ihren toten Leib verdorben und sie von einer heroischen Elfin in eine Botin des Bösen verwandelt … ein trauriges, klagendes Phantom, eine Banshee, die angeblich noch immer die Ruinen von Quel’Thalas durchstreifte.

Rhonin war bisher nicht in der Lage gewesen, diese Gerüchte auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen, doch er war sich sicher, dass sie mehr als nur ein Körnchen Wahrheit enthielten. Er betete, dass Vereesa diese Version niemals zu Ohren kommen würde.

So viele Tragödien … es war kein Wunder, dass Rhonin seine Sorgen nicht abstreifen konnte, wenn es um seine neue Familie ging.

Er seufzte. »Vielleicht werde ich mich besser fühlen, wenn sie erst einmal geboren sind. Ich bin wahrscheinlich nur nervös.«

»Womit du beweist, dass du ein fürsorglicher Vater sein wirst«, erwiderte Vereesa von ihrem Bett aus. »Außerdem stehen wir nicht alleine da. Jalia hilft sehr.«

Jalia war eine ältere Frau mit einem drallen, runden Bauch. Sie hatte sechs Kinder zur Welt gebracht und bei Dutzenden Geburten als Hebamme Beistand geleistet. Rhonin war sich sicher gewesen, dass eine Menschenfrau einer Elfin nicht helfen wollen würde – noch dazu einer Elfin, die einen Zauberer zum Gemahl hatte –, aber Jalia hatte nur einen Blick auf Vereesa geworfen, und ihre mütterlichen Instinkte waren durchgebrochen. Obwohl Rhonin sie gut für ihre Zeit entlohnte, hatte er den starken Verdacht, dass Jalia sich so oder so als Unterstützung angeboten hätte, so lieb hatte sie seine Frau gewonnen.

»Ich nehme an, du hast Recht«, begann er. »Ich habe mir nur …«

Eine Stimme – eine sehr vertraute Stimme – füllte plötzlich seinen Kopf aus. Eine Stimme, die ihm mit Gewissheit keine guten Nachrichten überbrachte.

Rhonin … ich brauche dich

»Krasus?«, stieß der Magier hervor.

Vereesa setzte sich auf, und alle Freude war aus ihrem Gesicht verschwunden. »Krasus? Was ist mit ihm?«

Sie kannten beide den Meisterzauberer, ein Mitglied der Kirin Tor. Krasus war derjenige gewesen, der sie zusammengeführt hatte. Und er war auch derjenige gewesen, der ihnen damals nicht die volle Wahrheit über die Situation gesagt hatte, insbesondere, so weit es ihn selbst betraf. Erst unter dramatischen Umständen hatten sie entdeckt, dass er auch der Drache Korialstrasz war.

»Es … es ist Krasus«, war alles, was Rhonin in diesem Augenblick zu erwidern vermochte.

Rhonin … ich brauche dich …

Ich werde dir nicht helfen!, antwortete der Magier sofort. Ich habe meinen Teil getan! Du weißt, dass ich sie jetzt nicht allein lassen kann.

»Was will er?«, wollte Vereesa wissen. Wie Rhonin war auch ihr klar, dass Krasus nur dann mit ihnen Kontakt aufnahm, wenn sich irgendwo eine Krise anbahnte.

»Das ist doch gleichgültig. Er wird jedenfalls einen anderen finden müssen.«

Bevor du mich abweist, erlaube mir, es dir zu zeigen, blieb die Stimme beharrlich. Erlaube mir, es euch beiden zu zeigen

Bevor Rhonin protestieren konnte, durchströmten Bilder seinen Geist. Er erlebte noch einmal Krasus’ Erstaunen, als der Herr der Zeit mit ihm Kontakt aufnahm, erkannte den Schrecken des Drachenmagiers, als ihm die Verzweiflung des Aspekts bewusst geworden war. Alles, was Krasus erfahren hatte, wurde nun von dem Zauberer und seiner Frau geteilt.

Zuletzt überwältigte Krasus sie mit einem Bild jenes Ortes, von dem er glaubte, dass er der Ursprung von Nozdormus Not war: eine Region kalter, unwirtlicher, zerklüfteter Berge.

Kalimdor.

Die Vision hatte nur ein Sekunden gedauert, aber als sie vorbei war, ließ sie Rhonin vollkommen erschöpft zurück. Er hörte ein Keuchen vom Bett her. Als er sich umwandte, fand der Magier Vereesa auf das Daunenkissen zurückgesunken.

Er trat sofort eilig auf sie zu, aber sie hob eine Hand und wischte seine Sorgen mit einer lässigen Bewegung fort. »Es geht mir gut! Bin nur … etwas außer Atem. Gib mir einen Augenblick …«

Die Ewigkeit hätte Rhonin für sie gegeben, aber für einen anderen hatte er nicht einmal eine Sekunde übrig. Der Zauberer beschwor das Bild von Krasus in seinem Kopf und antwortete: Such dir andere für deine Missionen! Diese Tage sind für mich endgültig vorbei! Ich muss mich jetzt um wichtigere Dinge kümmern!