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»Seit wann verstößt es gegen das Gesetz, einen Schauspieler zu bewundern?«

»Bewundern?« Barnaby schleuderte ihnen das Wort geradezu ins Gesicht, und die Lautstärke seiner Stimme schien um das Zehnfache angewachsen zu sein. Er bewegte sein Gesicht ganz dicht an die Brüder. »Ihr habt ihn nicht bewundert. Ihr habt ihn verspottet. Ihr habt ihn ausgelacht. Ihr habt mit ihm gespielt. Ihr habt ihn wie einen Bären an einem Ring in seiner Nase vorgeführt. Und Esslyn, der arme Kerl, der nie in seinem Leben einen Freund gehabt hatte, glaubte zweifellos, das sei echte Freundschaft. Hofdiener? Eher das Gegenteil. Was immer das auch sein mag.«

»Graue Eminenzen?« schlug Boris vor.

»Und ihr seid direkt für seinen Tod verantwortlich.«

Bei diesen Worten schoß Donald Everard von seinem Sitz hoch. »Habt ihr das gehört!« brüllte er und breitete seine Arme vor dem Rest der Versammlung aus. »Das ist üble Verleumdung!«

»Wir werden Sie verklagen«, kreischte sein Bruder. »Sie können nicht einfach so behaupten, wir hätten Esslyn getötet, und sich einbilden, damit kämen Sie ungeschoren davon!«

»Wir haben Zeugen!«

»Alle diese Leute hier!«

»Ich habe nicht gesagt, daß ihr ihn getötet habt«, stellte Barnaby klar und wandte sich mit einem Ausdruck tiefen Abscheus von diesen Hysterikern ab. »Ich habe gesagt, ich glaube fest daran, daß ihr für seinen Tod verantwortlich seid.«

»Das ist doch dasselbe.«

»Nicht ganz. Und das wird euch auch selbst klar werden, wenn ihr jetzt vielleicht endlich aufhört, hier diesen Zirkus zu veranstalten, euch hinsetzt, wieder beruhigt und darüber nachdenkt.« Als sie dem widerwillig folgten, sich unter zahlreichen Unmutsäußerungen wieder hinsetzten und dabei immer noch ihre Tollen, die vor Gel steif waren, in den Nacken warfen, fuhr Barnaby fort: »Wir haben es also bei Esslyn auf einmal mit einer Marionette zu tun, mit einem eitlen Mann, der völlig hohl ist und bei dem jemand die Fäden zieht. Und was, oh, so subtil, so schlau, tun diese Puppenspieler? Zuerst ermutigen sie ihn zur Kompromißlosigkeit. Ich kann sie richtig hören... >Das wirst du dir doch nicht gefallen lassen, oder? Du bist schließlich der Hauptdarsteller... merkst du denn nicht, wie mächtig du bist? Ohne dich sind die doch aufgeschmissen<. Aber nach ein paar Wochen beginnt dieser eher harmlose Unfug langweilig zu werden. Sie haben ihn bereits so weit getrieben, wie es nur irgend möglich war. Also sehen sie sich nach etwas Interessanterem um. Ich habe den Verdacht, etwa zu dieser Zeit hat Esslyn ihnen die Information gegeben, die sie zu ihrem großen Plan angestachelt und somit seinen Tod nach sich gezogen hat.

Tatsächlich war das, was mich endlich in die richtige Richtung gewiesen hat, etwas, was mein Sergeant heute im Büro gesagt hat.« Sein Sergeant, der plötzlich im Rampenlicht stand, versuchte, sich den Anschein zu geben, er sei intelligent, bescheiden und von unschätzbarem Wert. Er schaffte es sogar, Kitty heimlich zuzuzwinkern, und sie zwinkerte zurück. »Er hat eine ausgesprochene Vorliebe für schlechte Scherze, die gräßlich und überhaupt nicht witzig sind«, fuhr Barnaby fort (Troy wirkte augenblicklich weniger intelligent). »Sein letzter war ein Spiel mit dem Wort Putsch. Und das hat mich, wie es eben manchmal so geht, an etwas ganz Ähnliches erinnert, was ich neulich bei einer meiner Befragungen erlebt habe. Ich weiß nicht, ob Sie sich noch daran erinnern, Kitty...?«

Als sie so plötzlich angesprochen wurde, errötete Kitty, die immer noch Troy angaffte, und fragte: »Wie bitte?«

»Sie haben mir doch erzählt, daß Esslyn mit Ihnen über den dramatischen Effekt gesprochen hat, den er bei der Premiere erzielen wollte.«

»Ja, das ist richtig.«

»Und weil er sich in seinem Kostüm selbst so sehr bewundert hat, haben Sie vorausgesetzt, es hätte etwas mit seiner Verwandlung zu tun.«

»Nein, das haben Sie gesagt, Tom. Als Sie mir diesen französischen Kram erklärt haben.« Barnaby wiederholte den Ausdruck, machte daraus eine Frage, und Kitty entgegnete: »Ja, das stimmt.«

»Sind Sie sicher?«

Kitty sah sich um. Irgend etwas lief falsch. Die Leute starrten sie an. Ihr war plötzlich kalt. Was hatte sie denn getan, daß sie alle so angafften?

»Ja, Tom, ich bin mir ziemlich sicher. Wieso?«

»Weil das, was ich gerade gesagt habe, nicht ganz das war, was er gesagt hat.« Er war so nah dran gewesen, und es hatte trotzdem zwei Tage gedauert, bis er dahintergekommen war. »Was ich gesagt habe - was Esslyn gesagt hat, war >coup d’état<. Eine Machtübernahme.«

»O Gott...« Dieser Fetzen eines Satzes, der Dierdre entfuhr, war kaum hörbar, aber David übergab den Hund sofort seinem Vater und nahm ihre Hand.

»Zweimal ist eine Formulierung akustisch falsch verstanden oder von ihrem Sinn her falsch gedeutet worden. Und in beiden Fällen hätte das korrekte Verständnis entscheidende Anhaltspunkte geliefert.«

»Wie lautete die andere, Tom?« hakte Boris nach, das einzige Mitglied der Truppe, das entspannt genug zu sein schien, um reden zu können.

»Esslyn hat versucht, uns mit seinem letzten Atemzug eine Mitteilung über den Plan zu geben, der ihn getötet hat. Es war nur ein Wort, und dieses Wort klang wie >Dilettant<. Aber ich habe heute morgen ein einfaches Experiment durchgeführt. Und jetzt bin ich mir ziemlich sicher, daß das Wort >Debütant< war. Und daß, wenn er noch Zeit für weitere Worte gehabt hätte, sie >Onkel Wanja< gelautet hätten. Ist das nicht richtig, Harold?« Harold nickte immer noch heftig mit dem Kopf.

»Haben Sie nicht das Rasiermesser an sich genommen, als Sie durch die Kulissen gekommen sind, das Band in der Pause entfernt, den Griff mit Ihrem seidenen gelben Taschentuch abgewischt und das Messer wieder auf das Tablett zurückgelegt? Und während Sie es in der Tasche hatten, haben Sie da nicht dieses hier als Ersatz auf das Tablett gelegt?« Er zog ein altmodisches Rasiermesser aus der Tasche und hielt es hoch.

»Ja, das stimmt, Tom«, bestätigte Harold vergnügt.

»Und mit dem kompletten Publikum als Zeugen, die beschwören konnten, daß Sie Ihren Platz nicht verlassen haben, waren Sie über jeden Verdacht erhaben.«

»So hatte ich mir das jedenfalls vorgestellt. Und es schien auch alles schrecklich gut zu laufen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie Sie dahintergekommen sind.« Barnaby erklärte es ihm. »Da sieh mal einer an«, fuhr Harold reumütig fort, »und ich habe David immer für ein wenig begriffsstutzig gehalten.«

David schien das nichts auszumachen, aber sein Vater sah Harolds Hinterkopf finster an, und Dierdre wurde rot vor Wut.

»Ich werde Doris streng ins Gebet nehmen müssen, weil sie Ihnen erlaubt hat, in meinen privaten Sachen rumzuschnüffeln.«

»Sie hatte in diesem Fall gar keine andere Wahl. Ich hatte nämlich einen Durchsuchungsbefehl.«

»Hm. Das werden wir ja sehen. Gut, Tom, ich nehme an, da Sie jetzt wissen, wie, wollen Sie sicher auch wissen, warum?«

Barnaby gab zu verstehen, daß er das tatsächlich gern wüßte, und Harold stand von seinem Sitz auf und fing jetzt seinerseits an herumzulaufen, wobei er die Daumen in die Westentaschen gesteckt hatte, so als würde er das Schlußplädoyer des Staatsanwalts vortragen.

»Um Licht in diese ziemlich ärgerliche Angelegenheit zu bringen, müssen wir beträchtlich in die Vergangenheit zurückgehen. Genau 15 Jahre zurück in die Zeit, zu der das Latimer gebaut und meine gegenwärtige Truppe zusammengestellt worden ist. Wir hatten wenig Geld, zwar Unterstützung durch den Magistrat, was aber auch nicht annähernd ausreichte, um das ganze Projekt zu dem beabsichtigten Juwel in Caustons Krone zu machen. Und als der betrunkene alte Latimer starb, war sein Nachfolger längst nicht mehr so spendabel - ich glaube, er tendierte eher nach links - und kürzte noch unsere finanziellen Mittel. Zweifellos hätte er lieber eine Bingohalle gehabt. Wir hatten also von Anfang an Geldprobleme. Und natürlich mußte man einen gewissen Lebensstil aufrechterhalten. Ein Impresario kann nun mal nicht mit einem Ford Escort herumfahren und wie ein Ladenjunge angezogen sein.«