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Harold unterbrach sich hier. Er war mittlerweile oben auf der Treppe angekommen, drehte sich theatralisch um, holte tief Luft und fuhr mit seiner Rede fort.

»Ich habe, wie ihr alle wißt, ein Import/Exportunternehmen, und ich kann mir durchaus zugute halten, daß ich in den Stunden, in denen ich gearbeitet habe, auch befriedigende Gewinne erzielt habe. Meine Haushaltskosten habe ich gleichzeitig sehr niedrig gehalten und den Profit in das gesteckt, was man sehen konnte, also in meine Person und in die Produktionen des Latimer. Doch so groß der Gewinn auch war, ein großer Prozentsatz davon ging für die Mehrwertsteuer und den Einfuhrzoll an die Haie vom Amt für Zölle und Verbrauchssteuern drauf, und einen weiteren dicken Brocken schnappte sich das Finanzamt. Verständlicherweise hat mich das geärgert, vor allem, als das Häppchen, das ich davon in Form von öffentlichen Geldern zurückbekommen habe, gekürzt worden ist. Also beschloß ich, die Lage etwas auszugleichen. Natürlich hatte ich die Absicht, einen Teil meiner Steuern zu bezahlen und auch einen gewissen Anteil der geforderten Mehrwertsteuer, denn ich bin ja kein Krimineller. Das besonnene Jonglieren mit den Zahlen hat mir in diesem ersten Jahr einige hundert Pfund an Steuerzahlungen erspart - das meiste davon ist in unsere Eröffnungsproduktion geflossen, Der Zauberer von Oz. Ich weiß nicht, ob Sie sich noch daran erinnern können, Tom?«

»Eine wunderbare Vorstellung.«

»Natürlich wußte ich, daß Esslyn, der meine Steuererklärung machte, meine Fingerfertigkeiten bemerken würde, aber ich war sicher, daß er als Star der Truppe die Notwendigkeit einer solchen Vorgehensweise einsehen würde. Wie auch immer, zu meiner Verwunderung hat er nichts dazu gesagt. Er hat sie als korrekt durchgehen lassen. Natürlich habe ich dem mit gemischten Gefühlen gegenübergestanden. Auf der einen Seite will ja niemand einen derart inkompetenten Steuerberater, der nicht mal ein oder zwei notwendige Tricks erkennen kann. Aber auf der anderen Seite verhieß es für die Zukunft Gutes. Und so kam es dann auch. Ich habe jedes Jahr etwas Geld zurückbehalten - einige tausend, für die ich unter anderem den Morgan gekauft habe -, und niemals gab es eine Beanstandung. Aber wissen Sie was, Tom... ?«

Harold stand jetzt dicht vor Barnaby. Sein Kopf, den er nur selten im Einklang mit seinen Bewegungen hatte wippen lassen, begann nun, auf erschreckende Weise zu zucken und sich zu schütteln. »Er hat von Anfang an gewußt, was ich getan habe. Er hat es gewußt und nichts gesagt. Kann man sich etwas Hinterlistigeres vorstellen?«

Barnaby, der dem Mörder von Esslyn Carmichael gegenüberstand, dachte sich, er käme da durchaus auf ein oder zwei Dinge, doch er fragte nur: »Wann sind Sie dahintergekommen?«

»Am vergangenen Samstag nachmittag. Ich kam gerade von einem Interview aus dem Theater zurück. Er rief an und sagte, er würde vorbeikommen. Doris war zum Einkaufen, also würden wir unter uns sein. Er ist nicht lange um den heißen Brei herumgeschlichen, sondern hat mir geradewegs mitgeteilt, daß er, beginnend mit der Produktion von Onkel Wanja, die Leitung des Latimer übernehmen und diese Änderung nach dem Schlußvorhang am Montag bekanntgeben würde. Ich habe gesagt, das käme gar nicht in Frage, woraufhin er mir all diese Zahlen vorgelegt und gesagt hat, ich könne entweder abtreten oder ins Gefängnis wandern. Mir ist allerdings sofort eine dritte Alternative eingefallen, und ich habe keine Zeit verloren, sie auszuführen. Am Montag morgen habe ich in einem Laden in Uxbridge ein Duplikat des Rasiermessers erstanden. Ich kannte Dierdres Gewohnheiten, und daher wußte ich, daß sie alles lange vor fünf Uhr noch einmal überprüfen würde. Esslyn hat die Requisiten niemals angerührt, und daher wußte ich, wie unwahrscheinlich es war, daß er etwas von diesem Austausch spitzkriegt. Das Original habe ich einfach mitgehen lassen, als ich durch die Kulissen gegangen bin, und in der Pause habe ich dann das Klebeband entfernt...«

»Wo war das?«

»Nun, ich wollte es eigentlich in der Schauspielertoilette tun, aber Esslyn und seine Schleimer hingen dort rum. Also bin ich auf dem Weg in die Garderoben, um den Schauspielern Dampf zu machen, für eine Minute durch den Bühneneingang nach draußen gegangen. Und auf dem Rückweg habe ich dann den Austausch vorgenommen. Dazu brauchte ich nur eine Sekunde. Ich habe Doris’ Blumenmesser benutzt, das ist wirklich sehr scharf. Es ging ganz einfach.«

Harold schenkte allen ein begeistertes Lächeln, blinzelte in jedes Gesicht in der Runde und freute sich über seine eigene Gerissenheit. Sein Bart hatte den klaren, nahezu skulpturhaften Umriß verloren und wirkte jetzt zerzaust, fast schon wie Kraut und Rüben.

»Natürlich wußte ich, daß Esslyn nicht von allein auf diese Erpressung gekommen ist, vor allem, als er mir das alberne Buch geschickt hat. Es sollte ein Hinweis sein, hat er gesagt. Ich wäre ja in übelriechende Geschäfte verwickelt, Sie verstehen. Und ein Kochbuch, weil ich meine Bücher >kochen< würde. Also wirklich, wieso konnte er sich nicht auch etwas ähnlich Subtiles ausdenken, um sein Leben zu retten? Aber ich wußte bereits, aus welcher Ecke das kam. Und dann alle diese Stolpersteine bei den Proben, nur um mich als inkompetent entlarven und damit die Machtübernahme gerechtfertigt erscheinen zu lassen.«

Die Everards, die versucht hatten, Selbstgefälligkeit und hochmütige Distanz zum Ausdruck zu bringen, sahen nun so aus, als wünschten sie sich tausend Meilen weit weg. Der Rest der Truppe drückte überraschte Empörung aus, Aufregung, Belustigung und in zwei Fällen (Dierdre und Joyce Barnaby) Spuren von Mitleid. Troy erhob sich von den Stufen und überquerte die Bühne. Harold sprach weiter.

»Sie verstehen doch, daß ich gar keine andere Wahl hatte, oder etwa nicht? Das hier...«, er vollführte eine grandiose Geste mit weit ausgebreiteten Armen, die seine Schauspieler, das Theater und alle vergangenen Erfolge zu beinhalten schien, »... ist mein Leben.«

»Ja«, sagte Barnaby, »das verstehe ich.«

»Nun, ich muß Ihnen gratulieren, Tom.« Harold hielt ihm die Hand hin. »Und ich kann nicht einmal sagen, daß es mir leid tut, daß alles herausgekommen ist. Zweifellos wäre es ja früher oder später ohnehin ans Licht gekommen, aber es ist schön, eine neue Saison mit einer weißen Weste zu beginnen. Und ich kann Ihnen versichern, daß ich niemandem etwas nachtrage.« Seine Hand kehrte ungeschüttelt an seine Seite zurück. »Aber ich muß jetzt unbedingt weitermachen. Wir haben heute abend noch viel vor uns. Komm, Dierdre. Hopp, Hopp.«

Niemand rührte sich. Tom Barnaby stand unentschlossen da, machte den Mund auf, um etwas zu sagen, und schloß ihn dann wieder. Er hatte im Lauf der Jahre schon viele Verbrecher verhaftet, einige davon auch wegen Mordes, aber er war noch keinem begegnet, der gestanden hatte, ihm die Hand hatte drücken wollen und sich dann umdrehte, um weiterhin unbeirrt seinen Geschäften nachzugehen. Oder vielmehr einem, der so offensichtlich verrückt war.

»Harold...«

Harold wandte sich stirnrunzelnd um. »Sie sehen doch, daß ich viel zu tun habe, Barnaby. Ich war bisher recht entgegenkommend, aber ich bin sicher, Sie werden mir zustimmen ...«

»Ich will, daß Sie mit uns kommen.«

»Was - jetzt?«

»Richtig, Harold.«

»Ich fürchte, das kommt nicht in Frage. Ich muß heute abend >Wanja< besetzen.«

Barnaby spürte, daß Troy sich bewegte, und er legte eine Hand auf seinen Arm, um ihn zurückzuhalten. Abgesehen von Barnabys eigenem Taktgefühl, das ihm die Aufgabe, einen geistig umnachteten, vermutlich schreienden Mann aus dem Theater in den Wagen zu schleifen, nicht gerade reizvoll erscheinen ließ, war da noch zu bedenken, daß auch seine Frau und seine Tochter anwesend waren. Ganz zu schweigen von Dierdre, die sicherlich schon genug von diesen Dingen hatte. Harold stand jetzt mitten auf der Bühne und fuchtelte wild mit den Armen herum. Keiner lachte. Barnaby betete um eine Eingebung.