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Perrin verzog das Gesicht. Verdammt wenig, vor allem in wichtigen Fragen. Min schüttelte trotzig den Kopf. »Ich wünschte nur, sie wären nicht die ganze Zeit über so... so verdammt ta'veren! Auf der einen Seite ziehen die Ta'veren an einem, und auf der anderen Seite mischen sich die Aes Sedai ständig ein. Was bleibt da noch für eine Frau übrig?«

Loial zuckte die Achseln. »Sehr wenig, schätze ich, solange sie sich bei einem Ta'veren aufhält.«

»Als hätte ich eine andere Wahl«, grollte Min.

»Es war dein Glück, oder dein Unglück, falls du es so sehen willst, dich nicht nur einem, sondern gleich drei Ta'veren anzuschließen: Rand, Mat und Perrin. Ich selbst betrachte es als mein Glück und würde das sogar genauso sehen, wenn sie nicht meine Freunde wären. Ich glaube, ich würde sogar... « Der Ogier sah sie mit einem Mal schüchtern an. Sein Ohren zuckten. »Versprecht ihr mir, daß ihr mich nicht auslacht? Ich glaube, ich könnte sogar ein Buch darüber schreiben. Ich habe mir jedenfalls Notizen gemacht.«

Min lächelte. Es war ein freundliches Lächeln, und Loials Ohren richteten sich wieder auf. »Das ist doch wunderbar«, sagte sie zu ihm. »Aber einige von uns fühlen sich wie die Marionetten an den Fäden der Ta'veren.«

»Ich habe mich nicht aufgedrängt«, platzte Perrin heraus. »Ich habe wirklich nicht darum gebeten, so etwas sein zu wollen.«

Sie beachtete ihn nicht. »Ist es dir so ergangen, Loial? Begleitest du deshalb Moiraine? Ich weiß, daß ihr Ogier fast nie eure Stedding verlaßt. Hat einer dieser Ta'veren dich mitgerissen?«

Loial widmete sich konzentriert dem Studium seiner Pfeife. »Ich wollte nur die Haine sehen, die einst von Ogiern angelegt worden sind«, murmelte er. »Nur die Haine wollte ich sehen.« Er sah Perrin hilfesuchend an, doch der grinste nur.

Mal sehen, wie dir dieser Schuh paßt. Er wußte nicht genau Bescheid, war aber sicher, daß Loial von zu Hause weggelaufen war. Er war neunzig Jahre alt, aber das war bei den Ogiern noch zu jung, um das Stedding ohne Erlaubnis der Ältesten zu verlassen — nach Draußen zu gehen, wie sie es nannten. Ogier lebten nach menschlichem Ermessen sehr lang. Loial meinte, die Ältesten wären nicht gerade erfreut, wenn sie ihn wieder in die Finger bekämen. Er schien diesen Augenblick so lange wie möglich hinausschieben zu wollen.

Die Schienarer rührten sich und standen auf. Rand kam aus Moiraines Hütte.

Selbst auf die Entfernung konnte Perrin ihn genau sehen: einen jungen Mann mit rötlichem Haar und grauen Augen. Er war gleich alt wie Perrin und etwa einen halben Kopf größer, wenn sie Seite an Seite standen. Aber Rand war schlanker und trotzdem auch noch breitschultrig. Aufgestickte goldene Dornen bedeckten den Ärmel seines roten Mantels, und auf der Brust seines dunklen Umhangs sah man das gleiche Wesen wie auf der Flagge: die vierbeinige Schlange mit der goldenen Mähne. Rand und er waren als Freunde miteinander aufgewachsen. Sind wir immer noch Freunde? Können wir das überhaupt sein? Jetzt noch?

Die Schienarer verbeugten sich gemeinsam. Sie hielten die Köpfe hoch, doch die Hände lagen auf den Knien.

»Lord Drache«, rief Uno, »wir sind bereit. Es ist uns eine Ehre, Euch zu dienen.«

Uno, der sonst kaum einen Satz sprechen konnte, ohne dabei zu fluchen, sprach jetzt mit einem Ausdruck tiefsten Respekts. Die anderen taten es ihm gleich. »Es ist uns eine Ehre, Euch zu dienen.« Masema, der alte Schwarzseher, in dessen Augen niemals wirkliche Hingabe zu erkennen war; Ragan; alle standen sie da und erwarteten Befehle, als habe Rand nichts anderes im Sinn.

Von oben blickte Rand einen Augenblick lang auf sie herab, drehte sich dann um und verschwand im Wald. »Er hat sich wieder mit Moiraine gestritten«, sagte Min ruhig. »Den ganzen Tag schon.«

Perrin überraschte das nicht, aber trotzdem überlief ihn immer noch ein leichtes Erschrecken. Sich mit einer Aes Sedai zu streiten! Er erinnerte sich an all die Geschichten aus seiner Kindheit. Aes Sedai, die Throne und Länder an ihren verborgenen Fäden tanzen ließen. Aes Sedai, deren Geschenke immer einen Haken hatten, deren Preis immer geringer war, als man glauben konnte, aber letztlich viel höher, als man sich vorgestellt hatte. Aes Sedai, deren Zorn die Erde aufreißen und Blitze herabzucken lassen konnte. Er wußte inzwischen, daß einige dieser Geschichten erlogen waren. Und doch enthielten sie noch nicht einmal die halbe Wahrheit.

»Ich sollte besser zu ihm gehen«, sagte er. »Nach solchen Streitigkeiten braucht er immer jemanden, mit dem er sprechen kann.« Und von Moiraine und Lan abgesehen waren es eben nur sie drei — Min, Loial und er —, die Rand nicht so ansahen, als stünde er über allen Königen der Welt. Und von ihnen wiederum war Perrin der einzige, der ihn schon von Kindheit an kannte.

Er ging nach oben und blieb nur einen Moment stehen, um die geschlossene Tür von Moiraines Hütte versonnen anzublicken. Leya war jetzt dort drinnen, und natürlich auch Lan. Der Behüter war nur selten anderswo anzutreffen als an der Seite der Aes Sedai.

Rands viel kleinere Hütte befand sich ein Stück unterhalb davon, gut zwischen den Bäumen versteckt und von den anderen abgesetzt. Er hatte zuerst versucht, bei den anderen Männern zu wohnen, aber ihre ständigen Ehrfurchtsbezeugungen trieben ihn davon. Mittlerweile blieb er meist für sich. Er zog sich für Perrins Geschmack zu sehr zurück. Aber er wußte, daß Rand im Augenblick bestimmt nicht zu seiner Hütte ging.

Perrin eilte weiter zu der Seite der schüsselförmigen Mulde, an der sie durch eine fast senkrechte Felswand abgeschlossen wurde. Fünfzig Schritt hoch war sie und ganz glatt, bis auf ein paar Büsche, die sich hier und da an sie klammerten. Er wußte genau, wo sich in der grauen Felswand ein Riß befand, eine Öffnung, die kaum breiter war als seine Schultern. Von dort aus konnte er nur einen schmalen Streifen Spätnachmittagshimmel sehen. Es war, als betrete er einen Tunnel.

Der Riß war eine halbe Meile lang und öffnete sich dann plötzlich zu einem kleinen Tal, weniger als eine Meile lang, die Talsohle mit Steinen und Felsblöcken bedeckt. Selbst die steilen Seitenhänge waren noch dicht bewaldet. Hohe Lederblattbäume, Kiefern und Tannen wuchsen dort. Die Sonne hinter den Bergspitzen warf lange Schatten. Die Wände dieses Tals zeigten keine Lücke bis auf diesen Spalt, und der Einschnitt wirkte, als sei er von der Axt eines Riesen ins Gebirge gehauen worden. Man konnte sich hier mit nur wenigen Männern noch leichter verteidigen als in der Mulde, aber es gab keine Quelle, keinen Bach. Niemand ging sonst hierher. Außer eben Rand, wenn er sich mit Moiraine gestritten hatte.

Rand stand unweit des Eingangs an den rauhen Stamm eines Lederblatts gelehnt und starrte seine Handflächen an. Perrin wußte, daß sich auf jeder ein ins Fleisch eingebrannter Reiher befand. Rand rührte sich nicht, als Perrins Stiefel über den steinigen Boden scharrten.

Plötzlich begann Rand, leise etwas zu zitieren, ohne dabei von seinen Händen aufzublicken.

»Zwei und zweimal wird er gezeichnet, zweimal zum Leben und zweimal zum Tod. Einmal der Reiher, seinen Weg zu bestimmen, wieder der Reiher, ihn beim wahren Namen zu nennen. Einmal der Drache, der verlorenen Erinnerung wegen. Zum zweiten der Drache für den Preis, den er zahlen muß.«

Mit einem Schaudern steckte er die Hände unter die Arme. »Aber noch keine Drachen.« Er lachte rauh. »Noch nicht.«

Einen Augenblick lang sah ihn Perrin nur einfach an. Ein Mann, der die Eine Macht lenken konnte. Ein Mann, der dazu verdammt war, durch das befleckte Saidin zum Wahnsinn getrieben zu werden. Saidin — die männliche Hälfte der Wahren Quelle. Und in seinem Wahn würde er alles um sich herum zerstören. Ein Mann — ein Ding! —, von dem jedes Kind lernte, daß man ihn verachten und fürchten müsse. Nur... es war schwer, in ihm nicht mehr den Jungen zu sehen, mit dem er aufgewachsen war. Kann man mit einem Mal aufhören, Freunde zu sein? Perrin wählte einen kleinen Felsbrocken mit flacher Oberfläche aus und setzte sich wartend darauf.