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»Ja, er ist unser Kommandeur«, sagte er nach kurzem Schweigen.

Als auch die anderen Jungen zu uns heraufgeklettert waren, wurde es eng auf der Plattform. Um die beiden Außerirdischen herum, den toten wie den lebendigen, bildete sich ein freier Raum. Während Meloman erzählte, was passiert war, entfernte ich mich zum Rand der Plattform. Der lebende Vogelmensch sah mir mit sorgenvollem Blick hinterher; es war ihm augenscheinlich unangenehm, von einem Haufen aufgekratzter, hasserfüllter Kämpfer umringt zurückzubleiben. Er hoffte darauf, dass ich, der Kommandeur der Menschen, ihn schützen würde. Ich, der Kommandeur der Menschen …

Chris hatte nicht gescherzt, das hatte ich an seinem

Für Augenblicke fühlte ich mich so einsam wie noch nie zuvor auf den Inseln. Der Anführer ist immer einsamer als seine Untergebenen. Das mag daran liegen, dass er niemanden über sich spürt. Offenbar ist es äußerst wichtig, nicht nur neben und unter sich, sondern auch über sich jemanden zu wissen. Jetzt wurde mir bewusst, wie angenehm es ist, wenn dir jemand die Last deiner eigenen Zweifel abnimmt.

Nun war ich ein Kommandeur auf den Inseln.

Diese Realität hatte ich noch nicht verinnerlicht. Ich befand mich in einer Art Schockzustand, wie gelähmt von der Größe der Aufgabe, und war noch nicht in der Lage, meine neue Rolle auch wertzuschätzen.

Die Gestalten, die unten auf der ins orangefarbene Licht der Scheinwerfer getauchten Eisfläche langsam näher kamen, spürte ich eher, als dass ich sie sah. Es waren viele, mindestens zwei Dutzend, und langsam begriff ich, dass von mindestens zwei Inseln Unterstützung unterwegs war. Rita, Inga, Tanja und Olja hatten es also geschafft, unsere ehemaligen Feinde zu überzeugen.

Freudig kletterte ich hinunter in den Schnee, um den Nachschub zu begrüßen. Und während ich Seite an Seite mit Inga wieder zur Plattform hinaufstieg, wiederholte ich unentwegt ein und dasselbe: »Wir werden siegen. Wir werden ganz bestimmt siegen.«

Chris und Timur fesselten dem Außerirdischen die Klauen. Als sie den Knoten brutal festzogen, quiekte er wie ein Schwein.

»Dafür besteht keine Notwendigkeit«, jammerte er entrüstet.

Ungerührt stand ich daneben und mischte mich nicht ein.

»Sind deine Gefährten bewaffnet?«, fragte ich dann.

In seiner jetzigen Lage, mit den am Rücken gefesselten Armen, hatte das bizarre Geschöpf überhaupt keine Ähnlichkeit mehr mit einem Menschen.

»Alle verfügen über Waffen«, begann er mit ruhiger, mechanischer Stimme. »Aber der Reaktor ist zerstört, die Strahlenpistolen können nicht geladen werden.« Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: »Der Kapitän des Schiffs verfügt als Einziger über eine einsatzbereite Strahlenpistole, deren Ladung aber nur für zehn Schuss reicht. Ihr könntet die am wenigsten nützlichen Individuen vorausschicken, die Munition reicht nur für ihre Vernichtung...«

Der Rest des Satzes wurde abgewürgt, denn eine krachende Rechte von Timur traf den Fremdplanetarier mitten im fratzenhaften Gesicht.

»Dafür besteht keine Notwendigkeit«, wimmerte er heftig taumelnd.

»Lass ihn, Tim«, befahl ich knapp. »Weißt du, auf welche Weise der Reaktor zerstört wurde?«, fragte ich mit einem Blick auf die verwirrten Gesichter der Jungen von den anderen Inseln.

»Ja. Es gab eine Explosion in der Abfallrecyclinganlage. Der erste und zweite Wärmeträgerkreislauf wurden unterbrochen. Notabschaltung des Reaktors. Beendigung der Synthese im Hauptblock sowie der Spaltung im Nebenblock. Disbalance des Chronogenerators. Nach Zuschaltung der Schutzmechanismen war die Gruppe

Kampfeisen? Stirnrunzelnd betrachtete ich mein Schwert. So wurden sie also von ihren Erfindern genannt. Genauso eine Attrappe wie alles Übrige. Klingen, die auf die Emotionen ihrer Besitzer reagierten und mal zur Waffe, mal zum Spielzeug wurden. Nun gut, heute würden sich die Kampfeisen noch einmal nach Herzenslust austoben können.

»Führe uns«, befahl ich dem Außerirdischen. »Und vergiss nicht: Wenn du versuchst, uns zu täuschen, stirbst du als Erster.«

4

DAS SCHIFF

Der Fremdplanetarier machte keinerlei Anstalten, uns zu täuschen. In seiner Logik existierten die Begriffe »Verrat« und »Betrug« überhaupt nicht, sein Verstand kannte nur den etwas gestelzten Ausdruck »Verhaltensänderung«. Infolge einer nüchternen Abwägung von Für und Wider hatte er sein Verhalten geändert, indem er auf die Seite der Stärkeren übergelaufen war. Und in dieser Situation waren die Stärkeren seiner Einschätzung nach wir Menschen.

Zunächst verließen wir das Labyrinth der verschlungenen Gittertunnel, das die Kuppel des Versuchsgeländes durchzog. Der dunkle, stählerne Korridor mündete in einen kunststoffverkleideten Gang, der vom pulsierenden Licht orangeroter Alarmlampen schwach erleuchtet wurde.

In einem runden Saal, dessen Decke aus einem riesigen Spiegel bestand, stießen wir auf drei Fremdplanetarier. Sie trugen keine Umhänge, und an ihren Gürteln hingen undefinierbare Gegenstände aus Metall.

»Das sind Waffen. Nicht geladen«, erklärte unser Führer stoisch.

Die drei Figuren wuselten um durchsichtige Behälter herum, in denen eine rosafarbene gallertartige Masse brodelte. Mit ihren Gummiklauen hantierten sie an einem Gewirr aus Hähnen und Schläuchen, mit denen die Tanks vernetzt waren.

Für einige Augenblicke beobachteten wir das emsige Treiben. Die tänzerischen Bewegungen der Außerirdischen waren von bizarrer Eleganz. Unwillkürlich empfand ich einen gewissen Respekt vor den fremdartigen Wesen. Doch als die Tänzer uns bemerkten und an ihren Klauen die messerscharfen Krallen ausfuhren, war es mit der Bewunderung rasch vorbei.

»Mörder!«, knurrte Meloman.

Es war wie ein Kommando zum Angriff. Mit Gebrüll stürzte sich die ganze Meute, einschließlich der Mädchen, in den Kampf. Im letzten Moment gelang es mir, Inga an den Schultern zu packen und sie zurückzuhalten.

»Bleib hier«, flüsterte ich ihr zu. »Das hast du nicht nötig.«

»Wieso, ich bin auch nicht schlechter als die anderen«, entgegnete sie stur und versetzte mir einen empörten Blick.

»Du bist besser als die anderen. Wage es nicht zu töten, Inga!«

»Warum denn nicht?«

»Darum... Ich... du bist ein Mädchen. Du darfst nicht töten.«

Sie sah mich an, als hätte sie eine andere Begründung von mir erwartet. Dann entwand sie sich meinem Griff und verschränkte trotzig die Arme.

»Also gut«, sagte sie spöttisch. »Ich halte mich zurück, solange alles gut geht.«

Wir schwiegen beide einen Augenblick lang, ehe sie weitersprach: »Aber wehe, wenn sie dir etwas antun, das würde ich dir nie verzeihen!« Diese letzten Worte hatte sie regelrecht herausgeschrien und mich dabei zornig angesehen. Ich wusste nicht, was ich sagen, ja

»Diese Art von Reaktion konnten wir bis zuletzt nicht verstehen«, sagte er. »Eine seltsame Eigenschaft des menschlichen Verstandes. Die Übertragung des Selbsterhaltungsbestrebens auf offensichtlich bedeutungslose Individuen. Wenn man versuchte, diese Reaktion aus der Sicht des Reproduktionsgedankens...«

»Halt den Mund!«, bellte ich ihn an.

Mit einem glucksenden Laut verschluckte er den Rest des Satzes. Als ich mich dem Schlachtfeld zuwandte, war der Kampf bereits vorüber. In drei Gruppen standen unsere Leute um die drei getöteten Außerirdischen herum. Ein Junge von einer der anderen Inseln, den ich nicht kannte, saß verletzt auf dem Boden. Rita verband ihm den Arm.

»Jetzt sind es noch elf«, resümierte ich. »Hey, Führer, was haben die drei hier eigentlich gemacht?«

»Sie haben versucht, die Simulationseinrichtungen wieder in Gang zu setzen. Unvernünftig. Eine Arbeit für zwei volle Zeitzyklen. Nicht zu schaffen.«

»Führe uns weiter!«, befahl ich.

Die Gänge, die wir nun passierten, waren derart abenteuerlich verwinkelt, dass selbst die Avantgarde der irdischen Architekten darüber nur den Kopf geschüttelt hätte. In Nischen und kleinen Räumen entlang unseres Weges standen skurrile Maschinen, riesige Kessel, in denen farbige Flüssigkeiten brodelten, und eine seltsame Metallkonstruktion, die aussah wie ein achtlos aufgetürmter