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»Dietrich von Tarnburg sucht ebenfalls noch Männer«, sagte Mincon.

»Ach ja? Für welche Seite?«

»Wer kann das schon wissen?« kicherte er.

Dietrich von Tarnburg aus der ehrenwerten Stadt Tarnburg, etwa zweihundert Pasang nordöstlich von Hochburg – beides stattliche Bergfestungen in den südlicheren und zivilisierteren Ausläufern der Voltai –, war den Kriegern von Gor wohlbekannt. Sein Name war fast schon Legende. Er hatte auf den Schlachtfeldern von Piedmont und Cardonicus den Sieg davongetragen, er hatte den Marsch der Vierzig Tage angeführt, um dem belagerten Talmont zur Hilfe zu eilen, er hatte 10 122 C.A. – damals hatte ich mich in Torvaldsland aufgehalten – den Keibel-Hügel nachts evakuiert und den Issus erfolgreich überquert. Er war der Sieger in den Schlachten von Rovere, Kargash, Edington, des Teveh-Passes, der Gordon-Höhen und der Ebenen von Sanchez. Seine Feldzüge wurden auf sämtlichen Kriegsschulen eifrig studiert. Ich selbst kannte ihn aus den Schriftrollen, die ich vor Jahren in Ko-ro-ba gelesen hatte, sowie aus den Werken meiner Bibliothek in Port Kar wie den Kommentaren des Minicius und den anonymen Analysen in ›Den Tagebüchern‹, die manche dem Militärhistoriker Carl Commenius aus Argentum zuschreiben, der Gerüchten zufolge einst selbst Söldner gewesen sein soll.

Es war Dietrich von Tarnburg, der als erster auf Gor die ›Egge‹ in die Feldschlacht eingeführt hatte; diese Formation war nach dem harkenähnlichen großen Werkzeug aus der Landwirtschaft benannt worden, mit dem man nach dem Pflügen den Boden glättet oder auf großen Bauernhöfen das Saatgut bedeckt. Diese Formation sieht wie folgt aus: Bogenschützen bilden Spitzen, die weit aus der ersten Schlachtenreihe mit den schwerbewaffneten Kriegern und der Reserve herausragen; dabei werden sie durch eisenbeschlagene Piken und Sleengruben geschützt. Diese Formation ist außerordentlich wirkungsvoll bei der Abwehr eines Tharlarion-Kavallerieangriffs. Die einzelnen Spitzen bilden Todeskorridore, durch die die Kavallerie reiten muß und in denen sie gewöhnlich dezimiert wird, bevor sie die Reihen der Verteidiger erreicht. Ist die Kavallerie durch das gegnerische Feuer zerschlagen und so verwirrt, daß die Disziplin zusammenbricht und sie zum Rückzug wendet, können die ausgeruhten und kampfbereiten Verteidiger zum Angriff übergehen.

Dietrich hatte auch den ›schrägen Vorstoß‹ in die goreanische Taktik eingeführt. Große Abteilungen rücken gegen wichtige Teile des Feindheeres vor, solange die Masse des Gegners noch nicht in Kampfhandlungen verwickelt ist. Diese Formation ermöglicht es, nur bestimmte, zahlenmäßig unterlegene Kompanien anzugreifen; auf diese Weise kann man ein an Stärke vielleicht dreifach überlegenes Heer angreifen, seine Flanke bedrängen und Verwirrung stiften, wenn nicht gar eine wilde Flucht auslösen. Falls der Angriff scheitert, kann die vorgerückte Streitmacht in dem beruhigenden Wissen zurückfallen, daß der größte Teil des Heeres, der noch ausgeruht und frisch bis jetzt in keine Kämpfe verwickelt war, bereit ist, den Rückzug zu decken.

Am meisten jedoch hatte mich Dietrich von Tarnburgs Koordination der Luft- und Bodenstreitkräfte beeindruckt sowie die Anpassung bestimmter Belagerungstechniken und -waffen für den Kampf im Feld. Dem Luftangriff von Tarnkämpfern begegnet man normalerweise mit der militärischen Taktik des ›Schilddachs‹ oder der ›Schildhütte‹, einer Formation, die große Ähnlichkeit mit der auf der Erde bekannten römischen testudo oder ›Schildkröte‹ hat. Die Schilde bilden eine Mauer für das äußerste Glied und ein Dach für die Männer im Innern. Dies ist hauptsächlich eine Verteidigungsformation, kann aber auch für den Vorstoß unter gegnerischem Feuer verwendet werden. Die übliche goreanische Verteidigungstaktik gegen einen Tharlarionangriff – sofern man ihm auf offenem Gelände begegnen muß – ist das stationäre Karree, das mit gesenkten, in den Boden gerammten Lanzen verteidigt wird. Bei Rovere und Kargash hatte Dietrich seine Luft- und Bodenkavallerie derart koordiniert, daß der Gegner gezwungen wurde, widerstandsfähige, jedoch ziemlich unbewegliche große Karrees zu bilden. Dann ließ er die Bogenschützen in langen einkreisenden Linien vorrücken; auf diese Weise bot der Gegner eine wesentlich breitere Front für das niedrig gehaltene, aus nächster Nähe erfolgende Feuer als mit den kleinen Karrees.

Dann setzte Dietrich bei Rovere und später bei Kargash zum ersten Mal in einer goreanischen Feldschlacht mobiles Belagerungsgerät ein, auf fahrenden Plattformen errichtete Katapulte, die über die Köpfe der Zugtiere schießen konnten. Die bis zu diesem Zeitpunkt allein bei Belagerungen eingesetzte Artillerie wurde zu einer überraschenden, verheerenden neuen Waffe, zu einer Feldartillerie; Töpfe mit brennendem Pech und loderndem Öl, Belagerungsspeere und riesige Felsbrocken regneten als zerstörerische Flut auf die unbeweglichen Abwehrkarrees herab. Die Schildhütte zerbrach. Die Geschosse der Bogenschützen trafen die verwirrten, glücklosen Verteidiger. Sogar bewegliche von Tharlarion gezogene Belagerungstürme wälzten sich auf sie zu, die Wälle voller Bogenschützen und Speerwerfer. Die Karrees zerbarsten. Dann stürmte die gewaltige, donnernde, brüllende, grunzende Tharlarionkavallerie heran, ließ die Erde erbeben und brach durch die Reihen, als handle es sich um trockenes Stroh, gefolgt von Wellen schwerbewaffneter schreiender Speerträger. Die Ränge des Feindes zerbrachen endgültig. Die Luft war von panischen Schreien erfüllt. Eine wilde, unkontrollierte Flucht setzte ein. Speere und Schilde wurden weggeworfen, damit die Männer schneller laufen konnten. Danach war nur noch wenig zu tun. Die Kavallerie kümmerte sich um den zurückweichenden Feind.

»Ich hatte eigentlich daran gedacht, mich eine Zeitlang als Kutscher zu verdingen«, sagte ich.

»Es werden Kutscher gesucht«, erwiderte Mincon. »Kannst du mit einem Tharlarion umgehen?«

»Ja. Ich kann reiten.« Vor langer Zeit war ich als Wächter in der Karawane Mintars geritten, eines Kaufmanns aus Ar.

»Ich spreche von Zugtieren.«

»Mit denen komme ich schon zurecht.« Ich konnte mir nicht vorstellen, daß ich Schwierigkeiten haben sollte, diese fügsamen, langsamen Bestien zu lenken, während ich doch ihren wesentlich temperamentvolleren Bruder, den Satteltharlarion, gebändigt hatte.

»Sie brauchen viele Schläge auf Kopf und Nacken«, erklärte er.

Ich nickte. Das war beim Satteltharlarion nicht viel anders. In der Regel lenkt man die Echsen mit Befehlen und Hieben mit dem Speerschaft. Im Vergleich zu Säugetieren scheinen Tharlarion ein sehr langsam reagierendes Nervensystem zu besitzen, das gegen Schmerzen fast immun zu sein scheint. Die meisten der größeren Vertreter dieser Spezies verfügen über zwei Gehirne – oder genauer gesagt, ein Gehirn und ein kleineres gehirnähnliches Organ. Das Gehirn befindet sich im Kopf, das Organ an der Basis der Wirbelsäule.

Ich blickte zu Feiqa hinab, die neben dem Wagen herging. »Tharlarion«, sagte ich zu ihr, um Mincons Bemerkung zu erklären, »zeigen sich wenig empfänglich für Schmerzen.«

»Ja, Herr«, gab sie zur Antwort.

»Darin ähneln sie Sklavinnen.«