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»Was wollt Ihr damit sagen?«

»Warum tötet Ihr ihn nicht?«

Jennsen klappte der Unterkiefer herunter, ihre Mutter dagegen schien weniger verblüfft. »Das ist völlig ausgeschlossen«, beharrte sie. »Er ist ein mächtiger Mann und wird von zahllosen Personen beschützt, angefangen bei einfachen Soldaten bis hin zu Personen, die Magie heraufbeschwören können. Wir dagegen sind nichts weiter als zwei einfache Frauen.«

Ihre Ausflüchte vermochten Sebastian nicht zu beeindrucken. »Er wird nicht aufgeben, bis er Euch getötet hat.« Er nahm das Stück Papier in die Hand und bemerkte, wie sie es mit den Augen verschlang. »Dies ist der Beweis. Er wird niemals aufgeben. Wieso bringt Ihr ihn nicht um, bevor er Euch – Eure Tochter – umbringt? Oder zieht Ihr es vor, die Rolle lebender Leichen zu spielen, die nur darauf warten, von ihm eingesammelt zu werden?«

Die Stimme ihrer Mutter wurde hitzig. »Und wie, bitte, sollen wir es Eurer Meinung nach anstellen, Lord Rahl zu töten?«

Sebastian spießte ein weiteres Stück Fisch auf. »Zunächst einmal solltet Ihr das Messer behalten. Es ist dem, das Ihr bei Euch tragt, als Waffe überlegen. Schlagt ihn mit seinen eigenen Waffen. Eure sentimentale Weigerung, es anzunehmen, nützt ausschließlich ihm, nicht aber Euch oder Jennsen.«

Ihre Mutter saß regungslos da, als wäre sie aus Stein. Noch nie hatte Jennsen jemanden so reden hören. Er verstand es, sie die Dinge aufgrund seiner Worte in einem völlig neuen Licht sehen zu lassen.

»Ich muß gestehen, was Ihr sagt, klingt durchaus plausibel«, erwiderte ihre Mutter. Sie sprach mit leiser Stimme, in der Schmerz, vielleicht sogar ein gewisses Bedauern mitschwang. »Ihr habt mir die Augen geöffnet, jedenfalls ein kleines Stück. Was den Versuch betrifft, ihn umzubringen, bin ich nicht einer Meinung mit Euch, dafür kenne ich ihn viel zu gut. Ein solcher Versuch käme im günstigsten Fall einem Selbstmord gleich, im ungünstigsten würde er ihm zu seinem Ziel verhelfen. Aber ich werde das Messer behalten und es benutzen, um mich selbst und meine Tochter zu verteidigen. Danke, Sebastian, für Eure klaren Worte, obwohl ich sie gar nicht hören wollte. Ihr sagt, die Barrieren sind gefallen. Ich habe die Absicht, D’Hara zu verlassen. Wir werden versuchen, uns bis in ein anderes Land durchzuschlagen, wo Darken Rahl uns nicht verfolgen kann.«

Sebastian sah auf, während er ein weiteres Fischstück aufspießte. »Darken Rahl? Darken Rahl ist lange tot.«

Jennsen, die seit ihren Kindertagen vor diesem Mann hatte weglaufen müssen, war wie vom Donner gerührt. Erst in diesem Moment begriff sie, daß sie den Mann immer für unsterblich gehalten hatte – so unsterblich wie das Böse selbst.

»Darken Rahl ... tot? ... Das ist unmöglich«, stammelte Jennsen, während ihr Tränen der Erleichterung in die Augen traten.

Sebastian nickte. »Aber wahr. Soweit ich gehört habe, schon seit ungefähr zwei Jahren.«

»Wenn Darken Rahl nicht mehr lebt...«

»Darken Rahls Sohn ist jetzt Lord Rahl«, erklärte Sebastian.

»Sein Sohn?« Jennsen spürte, wie ihre Hoffnung wieder schwand.

»Es ist Lord Rahl, der uns verfolgt«, erklärte ihre Mutter in deren ruhiger und fester Stimme nichts auch nur für einen einzigen Augenblick auf übertriebene Hoffnung hindeutete. »Lord Rahl ist Lord Rahl. Es hat sich nicht das Geringste geändert. Und es wird sich auch niemals etwas ändern.«

So unsterblich wie das Böse selbst.

»Richard Rahl«, warf Sebastian ein. »Er ist jetzt Lord Rahl.«

Richard Rahl. Jetzt kannte Jennsen also auch den neuen Namen ihres Häschers. Ihr kam ein entsetzlicher Gedanke, Früher hatte sie die Stimme nie mehr sagen hören als »Gib dich hin« sowie ihren Namen und gelegentlich jene fremdartigen Worte, die sie nicht verstand. Jetzt verlangte sie, daß sie ihren Körper und sogar ihren Willen hingab. Wenn es die Stimme ihres Verfolgers war, wie ihre Mutter behauptete, dann mußte dieser neue Lord Rahl auf geradezu beängstigende Weise mächtiger sein als sein teuflischer Vater. Das flüchtige Gefühl der Erlösung wich bitterster Verzweiflung.

Als Sebastian sich vorbeugte, wurde plötzlich Wut in seinen Augen sichtbar. »Richard Rahl wurde Lord Rahl von D’Hara, nachdem er seinen Vater ermordet und die Herrschaft an sich gerissen hatte. Und falls Ihr als Nächstes andeuten wollt, daß der Sohn vielleicht eine geringere Bedrohung darstellt als sein Vater, dann laßt Euch eines Besseren belehren. Denn Richard Rahl war es, der die Barrieren zum Einsturz gebracht hat.«

Daraufhin warf Jennsen verwirrt die Arme in die Luft. »Aber dadurch erhielten doch nur jene, die es in die Freiheit zieht, eine Möglichkeit, aus D’Hara zu fliehen und somit auch ihm zu entkommen.«

»Nein. Er hat diese alten Schutzbarrieren niedergerissen, um seine Tyrannei auch auf jene Länder ausweiten zu können, die sogar für seinen Vater noch unerreichbar waren.« Sebastian schlug sich mit der geballten Faust vor die Brust. »Er will mein Land! Lord Rahl ist ein Wahnsinniger. Es genügt ihm nicht, D’Hara zu beherrschen, er ist geradezu versessen darauf, die gesamte Welt zu unterwerfen.«

Jennsens Mutter starrte mit leerem Blick in die Flammen; sie schien allen Mut verloren zu haben. »Ich dachte immer, wenn Darken Rahl erst tot ist, hätten wir vielleicht eine Chance. Aber das Stück Papier mit ihrem Namen darauf, das Jennsen heute fand, sagt mir, daß der Sohn sogar noch gefährlicher ist als sein Vater und ich mir nur etwas vorgemacht habe. So nah ist uns selbst Darken Rahl niemals gekommen. Ich werde das Messer behalten. Die Wahrheit ist so, wie sie ist. Sie hilft uns, Entscheidungen zu treffen.« Ihre Mutter lächelte sie an. »Jennsen hat den Dingen schon immer auf den Grund gehen wollen, und ich habe nie versucht, ihr die Wahrheit zu verschweigen. Sie ist das Einzige, was einen am Leben hält; so einfach ist das.«

»Wenn Ihr schon nicht versuchen wollt, ihn zu töten, um die Bedrohung auszuschalten, vielleicht habt Ihr dann ja eine Idee, wie Ihr den neuen Lord Rahl dazu bringen könntet, das Interesse an Euch und Jennsen zu verlieren.«

Jennsens Mutter schüttelte den Kopf. »Es geht um sehr viel mehr, als wir Euch heute Abend verraten können – um Dinge, von denen Ihr keine Kenntnis habt. Dieser Dinge wegen wird er niemals ruhen, niemals locker lassen. Ihr begreift nicht, welche Mühen Lord Rahl – jeder Lord Rahl – auf sich nehmen würde, um Jennsen zu töten.«

»Nun, wenn das so ist, habt Ihr wahrscheinlich Recht. Vielleicht solltet Ihr beide tatsächlich fliehen.«

»Würdet Ihr uns – oder zumindest Jennsen – helfen, D’Hara zu verlassen?«

Sein Blick wanderte von einer Frau zur anderen. »Wenn es in meiner Macht steht, kann ich es versuchen. Aber laßt Euch eins gesagt sein, Verstecken könnt Ihr Euch nicht. Wenn Ihr jemals frei sein wollt, werdet Ihr ihn töten müssen.«

»Ich bin keine Mörderin«, warf Jennsen ein.

Sebastian begegnete ihrem Blick, sein weißes Haar, rötlich im Schein des Feuers, umrahmte seine kalten blauen Augen. »Ihr wäret nicht so überrascht, wenn Ihr wüßtet, zu was ein Mensch fähig ist sobald er nur über die richtigen Beweggründe verfügt.«

Ihre Mutter hob die Hand, um dieses Gerede zu unterbinden. Sie war eine praktisch denkende Frau und nicht gewillt, kostbare Zeit mit wilden Plänen zu vergeuden. »Im Augenblick ist für uns nur wichtig, daß wir von hier fortgehen. Lord Rahls Handlanger sind uns zu dicht auf den Fersen, das ist die schlichte Wahrheit. Der Beschreibung und dein Messer zufolge gehörte der Tote, den ihr heute gefunden habt, wahrscheinlich einem Quadron an.«

Sebastian hob stirnrunzelnd den Kopf. »Einem was?«

»Einem Trupp aus vier Meuchelmördern. Manchmal arbeiten auch mehrere Quadronen Hand in Hand – wenn sich ihr Opfer als besonders schwer zu fassen herausstellt oder von unschätzbarem Wert ist. Beides trifft auf Jennsen zu.«

Sebastian dachte nach. »Für jemanden, der lange Jahre auf der Flucht war und in Verstecken lebte, scheint Ihr eine Menge über diese Quadronen zu wissen. Seid Ihr sicher, daß Ihr mit Eurer Vermutung richtig liegt?«, fragte er dann.