Выбрать главу

»Das ist doch nur eine uralte Maschine«, sagte Elemak. »Eine uralte Maschine, genau wie die Überseele. Lassen wir uns jetzt von Maschinen Befehle erteilen?«

Er sah sich um, nach Unterstützung suchend, doch das Blut auf Nafais Hals und Umhang war zu frisch; außer Mebbekew begegnete niemand seinem Blick.

»Wir verlegen das Dorf nach Norden, in die Nähe von Vusadka«, sagte Nafai. »Und wir alle, die älteren Kinder eingeschlossen, werden gemeinsam mit den Maschinen der Überseele ein Sternenschiff wiederherstellen. Und wenn es bereit ist, werden wir alle dieses Schiff betreten und ins All starten. Wir werden hundert Jahre benötigen, um die Erde zu erreichen, aber den meisten von uns wird es wie eine einzige Nacht vorkommen, weil sie die ganze Reise über schlafen werden, und den anderen wie ein paar Monate. Und wenn die Reise endet, werden wir das Schiff verlassen und auf dem Boden der Erde stehen, die ersten Menschen seit vierzig Millionen Jahren. Willst du etwa uns allen dieses Abenteuer nehmen?«

Elemak schwieg; Mebbekew ebenfalls. Aber Nafai wußte, was in ihnen vorging: die grimmige Entschlossenheit, jetzt zurückzuweichen, ihn aber bei erster Gelegenheit bewußtlos zu schlagen, ihm die Kehle durchzuschneiden und seine Leiche ins Meer zu werfen.

Es reichte noch nicht. Sie mußten einsehen, daß Widerstand sinnlos war. Sie mußten aufhören, Ränke zu schmieden, und ihre Anstrengungen darauf konzentrieren, das Schiff raumtauglich zu machen.

»Siehst du nicht ein, daß du mich nicht töten kannst, obwohl du, Elemak, dir in diesem Augenblick vorstellst, mir die Kehle durchzuschneiden und meine Leiche ins Meer zu werfen?«

Elemaks Zorn und seine Furcht verdoppelten sich in ihm. Nafai fühlte die Regungen; sie schlugen wellenförmig auf ihn ein.

»Siehst du nicht, daß die Überseele die Wunden in meinem Hals und meiner Brust bereits heilt?«

»Falls es überhaupt echte Wunden waren!« rief Meb. Armer Meb, der noch immer glaubte, Elemaks ursprüngliche Lüge könne wiederbelebt werden.

Als Antwort steckte Nafai den Finger in die Wunde in seinem Hals. Es hatte sich bereits Narbengewebe gebildet, das er durchstoßen mußte — aber niemand konnte übersehen, daß Nafais Finger fast bis zum dritten Knöchel in der Wunde steckte. Ein paar mußten würgen; die anderen keuchten oder stöhnten oder schrien in mitfühlendem Schmerz auf. Und um die Wahrheit zu sagen, der Schmerz war beträchtlich — und wurde noch stärker, als er den Finger wieder herauszog. Ich muß lernen, so theatralische Gesten demnächst zu vermeiden, dachte Nafai.

Er hielt seinen blutigen Finger hoch. »Ich vergebe dir dies, Elemak«, sagte er. »Ich vergebe auch dir, Mebbekew. Falls ich euren heiligen Eid bekomme, mir und der Überseele zu helfen, wenn wir ein gutes Schiff bauen.«

Es war zuviel für Elemak. Diese Erniedrigung war viel schlimmer als die vor acht Jahren in der Wüste. Er konnte nicht an sich halten. In seinem Herzen war nur noch mörderische Wut. Ihm war nun völlig gleichgültig, was die anderen dachten — er wußte, daß er ihren Beistand verloren hatte. Er wußte, er hatte seine Frau und seine Kinder verloren — was blieb ihm noch? Der Schmerz, den er in sich fühlte, konnte auch nur ansatzweise abheilen, wenn er Nafai tötete; wenn er ihn zum Meer schleppte und untertauchte, bis er nicht mehr um sich trat und schlug. Danach konnten die anderen tun, was sie wollten — Elemak war zufrieden, wenn Nafai nur tot war.

Elemak trat einen Schritt auf Nafai zu. Dann noch einen.

»Haltet ihn auf«, sagte Luet. Aber niemand trat ihm in den Weg. Niemand wagte es — der Ausdruck auf Elemaks Gesicht war zu schrecklich.

Mebbekew lächelte und trat neben Elemak.

»Faßt mich nicht an«, sagte Nafai. »Die Macht der Überseele ist wie Feuer in mir. Die Wunden, die ihr mir zugefügt habt, haben mich geschwächt — ich habe nicht mehr die Kraft, die Macht in mir zu kontrollieren. Wenn ihr mich berührt, werdet ihr sterben!«

Er sprach mit solcher Schlichtheit, daß in seinen Worten die einfache Kraft der Wahrheit lag. Er fühlte, wie in Elemak etwas zerbröckelte. Nicht, daß sein Zorn erstorben wäre; nein, in ihm zerbrach jener Teil, der es nicht ertragen konnte, Angst zu haben. Und als diese Barriere eingerissen war, verwandelte sich der gesamte Zorn zurück in das, was er eigentlich von Anfang an gewesen war: Furcht. Furcht, daß er seinen Rang an seinen jüngeren Bruder verlieren würde. Furcht, daß die Leute ihn ansehen und Schwäche statt Stärke bemerken würden. Furcht, daß die Leute ihn nicht lieben würden. Und über allem die Furcht, daß er keine Kontrolle mehr über irgend jemanden oder irgend etwas auf der Welt hatte. Und nun wurden all diese Ängste, die er so lange vor sich selbst verborgen hatte, in ihm entfesselt — und sie alle waren Wirklichkeit geworden. Er hatte seinen Rang verloren. Alle sahen seine Schwäche, sogar seine Kinder. Niemand hier konnte ihn noch gern haben. Und er hatte keine Kontrolle mehr, nicht einmal genug Kontrolle, um diesen Jungen zu töten, der ihn verdrängt hatte.

Als Elemak stehenblieb, verharrte auch Meb — immer der .Opportunist; er schien keinen eigenen Willen zu haben. Aber Nafai wußte genau, daß Mebs Geist bei weitem nicht so gebrochen war wie der Elemaks. Er würde auch weiterhin seine Ränke schmieden, und da Elemak nun keine Rolle mehr spielte, würde dies ihn auch nicht mehr zurückhalten können.

Daher war Nafai klar, daß er noch nicht gewonnen hatte. Er .mußte ein für allemal demonstrieren — Meb und Elemak und allen anderen —, daß es sich nicht nur um einen Kampf zwischen Brüdern handelte, daß nicht Nafai, sondern die Überseele Elemak und Meb besiegt hatte. Und im Hinterkopf klammerte Nafai sich an die Hoffnung: Wenn Elja und Meb begreifen könnten, daß die Überseele sie heute gebrochen hat, werden sie vielleicht mir selbst vergeben und wieder meine wahren Brüder sein.

Genug Energie, um sie bewußtlos zu machen, sagte Nafai stumm. Nicht genug, um sie zu töten.

›Der Mantel wird handeln, wie du es beabsichtigst.‹

Nafai streckte die Hand aus. Er sah, wie sie Funken sprühte, doch es war viel beeindruckender, als er es durch die Augen der anderen sah. Indem er auf die Überseele zugriff, sah er Dutzende von Bildern von sich auf einmal. Sein Gesicht schimmerte von tanzendem Licht, das immer heller wurde. Und seine Hand lebte vor Licht, als würden tausend Glühwürmchen sie umschwärmen. Er zeigte mit dem Finger auf Elemak, und ein Feuerbogen sprang wie ein Blitz aus der Fingerkuppe und traf Elemak am Kopf.

Eljas Körper verkrampfte sich brutal, und er wurde zu Boden geschleudert.

Habe ich ihn getötet? rief Nafai in stummer Qual.

›Nur betäubt. Hab ein wenig Vertrauen in mich, ja?‹

Tatsächlich, Elemak bewegte sich wieder, zuckte verkrampft auf dem Boden. Also richtete Nafai die Hand auf Meb.

»Nein!« schrie Meb. Nachdem er gesehen hatte, was mit Elemak passiert war, wollte er verschont bleiben. Aber Nafai sah, daß er in seinem Herzen noch immer Ränke schmiedete. »Ich verspreche dir, ich tue alles, was du willst! Ich wollte Elemak sowieso nicht helfen, er hat mich gezwungen.«

»Meb, du bist ein solcher Narr! Glaubst du, ich wüßte nicht, daß Elemak dich daran gehindert hat, mich in der Wüste zu ermorden, als ich dich daran hinderte, einen Pavian zu töten?«

Mebs Gesicht wurde eine Maske der schuldbewußten Furcht. Zum erstenmal in seinem Leben wurde Mebbekew mit einem seiner Geheimnisse konfrontiert, vom dem er glaubte, niemand könne davon wissen; nun mußte er die Konsequenzen tragen. »Ich habe Kinder!« schrie er. »Töte mich nicht!«