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»Du siehst wütend und unglücklich aus.«

Schedemei drehte sich um und sah, daß Rasa ihr Kamel auf dem breiten, steinigen Pfad zu dem ihren hatte auf schließen lassen. Rasa, ihre Lehrerin — fast ihre Mutter. Aber nicht in Wirklichkeit ihre Mutter, nicht durch das Blut, nicht von Rechts wegen.

»Ja«, sagte Schedemei.

»Wütend auf mich?« fragte Rasa.

»Zum Teil«, sagte Schedemei. »Du hast uns alle in diese Lage gebracht. Ich habe nichts mit diesen Leuten gemein, außer durch dich.«

»Wir alle haben etwas gemein«, sagte Rasa. »Die Überseele hat dir einen Traum geschickt, nicht wahr?«

»Ich habe nicht darum gebeten.«

»Wer von uns hat das schon?« sagte Rasa. »Nein, ich verstehe, was du meinst, Schedja. Alle anderen haben Entscheidungen gefällt, die dazu führten, daß sie ins Exil gehen mußten. Nafai und Luet und Huschidh und ich sind freiwillig mitgekommen … mehr oder weniger. Und Elemak und Meb — ganz zu schweigen von meinen Töchtern, gesegnet seien ihre bösen kleinen Herzen — sind hier, weil sie ein paar dumme und gemeine Entscheidungen getroffen haben. Die anderen sind hier, weil sie Eheverträge haben, obwohl für einige die Entscheidung, uns zu begleiten, den ursprünglichen Fehler nur noch schlimmer macht. Aber dich, Schedemei, dich führt lediglich dein Traum hierher. Und deine Treue zu mir.«

Die Überseele hatte ihr einen Traum geschickt, in dem sie durch die Luft schwebte, Samen verstreute und beobachtete, wie er wuchs, wie sich eine Wüstenei in Wälder und Wiesen verwandelte, voll von üppigem Grün, wimmelnd vor Tieren. Schedemei schaute sich in der öden Wüstenlandschaft um, sah die paar dornigen Pflanzen, die sich hier und da ans Leben klammerten, und wußte, daß ein paar Eidechsen von den wenigen Insekten lebten, die genug Wasser zum Überleben fanden. »Das ist nicht mein Traum«, sagte sie.

»Aber du bist gekommen«, sagte Rasa. »Zum Teil wegen des Traums und zum Teil aus Zuneigung zu mir.«

»Weißt du, es besteht keine Aussicht auf Erfolg«, sagte Schedemei. »Das sind keine Kolonisten. Nur Elemak hat die nötigen Fertigkeiten, um hier zu überleben.«

»Er ist der Erfahrenste, was Wüstenreisen betrifft. Njef und Meb schlagen sich ebenfalls recht gut. Und wir anderen werden es lernen.«

Schedemei schwieg. Sie wollte nicht streiten.

»Ich kann es nicht ausstehen, wenn du einem Streit auf diese Weise ausweichst«, sagte Rasa.

»Ich mag keine Konflikte«, sagte Schedemei.

»Aber du machst immer dann einen Rückzieher, wenn du der anderen Person gerade genau das sagen willst, was die sich unter die Nase reiben sollte.«

»Ich weiß nicht, was andere Personen sich unter die Nase reiben sollten.«

»Sag, woran du gerade gedacht hast«, forderte Rasa sie auf. »Sag mir, warum du glaubst, daß unsere Expedition zum Scheitern verdammt ist.«

»Basilika«, sagte Schedemei.

»Wir haben die Stadt verlassen. Sie kann uns jetzt keinen Schaden mehr zufügen.«

»Basilika wird uns in tausenderlei Hinsicht Schaden zufügen. Sie wird uns immer an ein sanfteres, einfacheres Leben erinnern. Wir werden immer von der Sehnsucht bedrängt werden, zu ihr zurückzukehren.«

»Aber das Heimweh bereitet dir doch bestimmt keine Sorgen«, sagte Rasa.

»Wir tragen die halbe Stadt bei uns«, sagte Schedemei. »Alle Krankheiten der Stadt, aber keine ihrer Stärken. Wir kennen den Luxus des Müßiggangs, haben aber nicht den Reichtum und den Besitz, der ihn erst ermöglicht. Wir sind daran gewöhnt, uns vielen unserer Gelüste hinzugeben, denen man sich aber in einer so winzigen Kolonie, wie die unsrige es sein wird, niemals hingeben darf.«

»Wir sind nicht die ersten, die die Stadt verlassen und eine Kolonie gründen.«

»Ich weiß. Die, die sich anpassen wollen, werden sich anpassen«, sagte Schedemei. »Aber wie viele wollen das? Wie viele sind bereit, ihre Gelüste hintanzustellen, zum Wohl von uns allen darauf zu verzichten? Nicht einmal ich bin so hingebungsvoll. Mit jedem Kilometer, den wir uns weiter von meiner Arbeit entfernen, werde ich wütender.«

»Nun, dann haben wir ja Glück«, sagte Rasa. »Sonst hatte niemand hier eine Arbeit, die der Rede wert ist. Und die, die eine hatten, haben alles verloren, so daß sie sowieso nicht zurückkehren könnten.«

»Mebs Arbeit wartet hier auf ihn«, sagte Schedemei.

Rasa schaute einen Augenblick lang verwirrt drein. »Ich wüßte nicht, daß Meb irgendeine Arbeit hatte, wenn du nicht seine traurige kleine Laufbahn als Schauspieler meinst.«

»Ich meine sein lebenslanges Vorhaben, sich mit jeder Frau in Basilika zu paaren, die nicht mit ihm blutsverwandt, ausgesprochen häßlich oder tot ist.«

»Oh«, sagte Rasa und lächelte fahl. »Diese Arbeit.«

»Und er ist nicht der einzige«, sagte Schedemei.

»Oh, ich weiß«, sagte Rasa. »Du bist zu freundlich, um es zu sagen, aber meine eigenen Töchter sehnen sich zweifellos danach, dort wieder anzufangen, wo sie mit ihrer Version dieses Vorhabens aufgehört haben.«

»Ich wollte dich nicht beleidigen«, sagte Schedemei.

»Ich bin nicht beleidigt. Ich kenne meine Töchter viel zu gut. Sie haben zu viel von ihrem Vater in sich, als daß ich nicht wüßte, was ich von ihnen zu erwarten habe. Aber sage mir ganz ehrlich, Schedja, welchen dieser Männer sie wohl attraktiv finden werden?«

»Nach ein paar Wochen oder ein paar Tagen werden für sie alle Männer immer besser aussehen.«

Rasa lachte leise. »Ich bin geneigt, dir beizupflichten, meine Liebe. Aber alle Männer in unserer kleinen Gruppe sind verheiratet — und du kannst darauf wetten, ihre Frauen werden dafür sorgen, daß niemand in ihr Territorium eindringt.«

Schedemei schüttelte den Kopf. »Rasa, du gehst von einer falschen Voraussetzung aus. Nur weil du dich entschlossen hast, mit ein und demselben Mann verheiratet zu bleiben, den Vertrag mit ihm seitdem Jahr für Jahr zu erneuern — nun ja, zumindest seit du Nafai geboren hast —, bedeutet das noch lange nicht, daß irgendeine der anderen Frauen hier so besitzergreifend und eifersüchtig auf ihren Ehemann achten wird.«

»Meinst du nicht?« sagte Rasa. »Meine liebe Tochter Kokor hätte ihre Schwester Sevet fast umgebracht, weil sie mit Kokors Gatten Obring geschlafen hat.«

»Also … wird Obring nicht noch einmal versuchen, mit Sevet zu schlafen. Das hindert ihn aber nicht daran, es zum Beispiel bei Luet zu versuchen.«

»Bei Luet!« sagte Rasa. »Sie ist ein wunderbares Mädchen, Schedja, aber sie hat nicht die Schönheit, die ein Mann wie Obring sucht, und sie ist auch sehr jung, und sie ist eindeutig in Nafai verliebt. Doch am wichtigsten ist, daß sie die Wasserseherin von Basilika ist und Obring viel zu viel Angst hat, um sich ihr zu nähern.«

Schedemei schüttelte den Kopf. Begriff Rasa nicht, daß alle diese Argumente mit dem Lauf der Zeit zur Bedeutungslosigkeit verblassen würden? Begriff sie nicht, daß Menschen wie Obring und Meb, Kokor und Sevet für die Jagd lebten und sich nur wenig darum kümmerten, wer die Beute war?

»Und wenn du glaubst, daß Obring es bei Eiadh versuchen wird, lache ich laut auf«, sagte Rasa. »Ja, er möchte vielleicht gern, aber Eiadh ist ein Mädchen, das bei einem Mann nur Starke liebt und bewundert, und diese Tugend wird Obring niemals haben. Nein, ich glaube, Obring wird Kokor ziemlich treu bleiben.«

»Rasa, meine liebe Lehrerin und Freundin«, sagte Schedemei, »bevor dieser Monat verstrichen ist, wird Obring versucht haben, sogar mich zu verführen.«