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Rasa sah Schedemei mit einer Verblüffung an, die sie nicht verbergen konnte. »Jetzt hör aber auf«, sagte sie. »Du bist nicht sein …«

»Sein Typ ist jede Frau, die in letzter Zeit nicht nein zu ihm gesagt hat«, erwiderte Schedemei. »Und ich warne dich – unsere Gruppe ist zu klein, um sexuelle Spannungen tolerieren zu können. Wären wir Paviane, und waren unsere Frauen nur ein paar Mal zwischen den Schwangerschaften sexuell attraktiv, könnten wir die improvisierten, kurzen Partnerschaften eingehen, die auch die Paviane bilden. Wir könnten die periodischen Konflikte zwischen den Männern ertragen, weil sie schnell wieder ein Ende finden und wir dann den Rest des Jahres über Frieden haben würden. Aber leider sind wir Menschen, und wir gehen andere Beziehungen ein. Unsere Kinder brauchen Stabilität und Frieden. Und wir sind zu wenige, um hier und da ein paar Morde tolerieren zu können.«

»Morde«, sagte Rasa. »Schedemei, was ist nur in dich gefahren?«

»Nafai hat bereits einen Menschen getötet«, sagte Schedemei. »Und er ist wahrscheinlich der netteste dieser Gruppe, von Vas vielleicht abgesehen.«

»Die Überseele hat es ihm aufgetragen.«

»Ja. Also ist Nafai der einzige in dieser Gruppe, der der Überseele gehorcht. Die anderen werden wahrscheinlich eher ihrem Gott gehorchen.«

»Und was ist das für einer?«

»Er baumelt zwischen ihren Beinen«, sagte Schedemei.

»Ihr Biologen habt eine furchtbar zynische Sicht von uns Menschen«, sagte Rasa. »Man könnte glauben, ihr haltet uns für die niedrigsten aller Tiere.«

»Ach, nicht für die niedrigsten. Unsere Männchen versuchen nicht, ihre Jungen zu fressen.«

»Und unsere Weibchen verschlingen nicht ihre Gefährten«, sagte Rasa.

»Obwohl einige es versucht haben.«

Beide lachten. Sie hatten ziemlich leise gesprochen, und ihre Kamele waren ein gutes Stück von den anderen entfernt, doch ihr Gelächter drang zu ihnen hinüber, und einige drehten sich zu ihnen um.

»Schenkt uns gar keine Beachtung!« rief Rasa. »Wir haben nicht über euch gelacht!«

Aber Elemak schenkte ihnen Beachtung. Er war an der Spitze der Karawane geritten. Nun lenkte er sein Tier herum und ritt an den anderen vorbei, bis er sie erreicht hatte. Sein Gesicht war von kalter Wut gezeichnet.

»Du mußt versuchen, etwas mehr Selbstbeherrschung zu zeigen, Herrin Rasa«, sagte er.

»Was«, sagte Rasa, »war mein Gelächter zu laut?«

»Dein Gelächter — und dann dein kleiner Scherz. Alles aus vollster Kehle. Der Wind kann eine Frauenstimme hier kilometerweit tragen. Diese Wüste ist nicht dicht besiedelt, doch sollte jemand dich hören, kannst du ganz schnell vergewaltigt, ausgeraubt und getötet werden.«

Schedemei wußte natürlich, daß Elemak recht hatte — er hatte schon zahlreiche Karawanen durch die Wüste geführt. Aber sie konnte die Herablassung in seinem Tonfall, den Sarkasmus, nicht ausstehen. Kein Mann hatte das Recht, so mit Herrin Rasa zu sprechen.

Doch Rasa schien die Beleidigung, die Eljas Worte ausdrückten, nicht mitzubekommen. »Eine so große Gruppe wie die unsrige?« fragte Rasa unschuldig. »Ich dachte, Räuber würden sich von uns fernhalten.«

»Sie hoffen geradezu auf Gruppen wie die unsrige«, sagte Elemak. »Mehr Frauen als Männer. Langsames Tempo. Schwer beladen. Unvorsichtig laute Gespräche. Zwei Frauen bleiben zurück und trennen sich vom Rest der Gruppe.«

Erst da wurde Schedemei klar, wie verletzbar sie und Rasa gewesen waren. Es machte ihr angst. Sie war es nicht gewohnt, so zu denken — darüber nachzudenken, wie man einen Angriff vermeiden konnte. In Basilika waren sie sicher gewesen. Frauen waren in Basilika immer sicher gewesen.

»Und sieh dir doch einmal die Männer unserer Karawane an«, sagte Elemak. »Von wem kannst du erwarten, daß er für dich kämpft und dich vor einer Bande von nur drei oder vier Räubern rettet, geschweige denn vor einem Dutzend?«

»Von dir«, sagte Rasa.

Elemak betrachtete sie einen Augenblick lang ruhig. »Hier auf offenem Gelände, wo man sie schon in einiger Entfernung bemerken würde, könnte ich das wohl. Aber mir wäre es lieber, ich müßte es nicht. Also bleibt bei den anderen und seid leise. Bitte.«

Das Bitte am Ende trug nur wenig dazu bei, die Strenge seines Tonfalls zu mildern, doch das hinderte Schedemei nicht daran, ihm aus vollstem Herzen beizupflichten. Sie hatte nicht Rasas Zuversicht, daß Elemak sie auch nur vor einer kleinen Gruppe Plünderer schützen konnte.

Elemak warf Schedemei einen kurzen Blick zu, doch sie konnte den Ausdruck in seinen Augen nicht deuten. Dann zog er sein Kamel herum, und es schwankte zur Spitze der kleinen Karawane voran.

»Mal sehen, ob dein Gatte oder Elemak herrscht, sobald wir Wetschiks Lager erreicht haben«, sagte Schedemei.

»Schenke Eljas Poltern keine Beachtung«, sagte Rasa. »Mein Gatte wird herrschen.«

»Da wäre ich mir nicht so sicher. Elemak vereinnahmt die Autorität auf ganz natürliche Art und Weise.«

»O ja, er mag das Gefühl, das sie mit sich bringt«, sagte Rasa. »Aber er kann sie nur durch Furcht aufrechterhalten. Ist ihm nicht klar, daß die Überseele diese Expedition schützt? Wenn irgendwelche Plünderer auch nur auf den Gedanken kommen, sich in unsere Nähe zu begeben, wird die Überseele dafür sorgen, daß sie die Idee sofort wieder vergessen. Wir sind so sicher, als lägen wir zu Hause im Bett.«

Schedemei erinnerte sie nicht daran, daß sie sich noch vor ein paar Tagen in ihren Betten ziemlich unsicher gefühlt hatten. Und sie erwähnte auch nicht, daß Rasa gerade Schedemeis Standpunkt bewiesen hatte — wenn Rasa an Heimat und Sicherheit dachte, hatte sie Basilika im Sinn. Der Geist ihres alten Lebens in der Stadt würde sie noch lange heimsuchen.

Nun hielt Kokor ihr Tier an und wartete darauf, daß Rasa. zu ihr aufschloß. »Du warst böse, nicht wahr, Mama?« sagte sie. »Mußte der abscheuliche alte Elemak kommen und dich zurechtweisen?«

Schedemei widerte Kokors kleinmädchenhafte Albernheit an — aber andererseits widerte Kokor sie eigentlich immer an. Ihr Benehmen schien immer falsch und manipulativ zu sein. Schedemei wunderte sich nur darüber, daß dieser Trick bei den Leuten ziemlich oft funktionieren mußte, sonst hätte Kokor sich schon längst einen neuen einfallen lassen.

Nun, bei wem auch immer Kokors kleinmädchenhaftes Gehabe funktionieren mochte, bei ihrer Mutter jedenfalls nicht. Rasa bedachte Kokor lediglich mit einem eisigen Blick. »Schedja und ich haben uns unter vier Augen unterhalten, meine Liebe. Es tut mir leid, daß du uns falsch verstanden und gedacht hast, wir hätten dich eingeladen, dich an unserem Gespräch zu beteiligen.«

Kokor brauchte einen Augenblick, bis sie verstanden hatte; und als sie begriff, verdunkelte ihr Gesicht sich einen Augenblick lang — vor Wut? Dann bedachte sie Schedemei mit einem steifen, schmalen Lächeln. »Mutter ist fortwährend enttäuscht, daß ich nicht wie du geworden bin, Schedja. Aber ich fürchte, weder mein Gehirn noch mein Körper hatten dafür genug innere Schönheit.« Dann trieb Kokor ihr Kamel unbeholfen an und ritt schon bald wieder ein Stück vor ihnen.

Schedemei wußte, daß Kokor sie hatte beleidigen wollen, indem sie sie daran erinnerte, daß die einzige Schönheit, die Schedemei je besitzen würde, die innere war. Doch Schedemei war schon lange aus ihrer pubertären Eifersucht auf körperlich schöne Mädchen herausgewachsen.

Rasa mußte ähnlich gedacht haben. »Ist es nicht seltsam, daß körperlich unscheinbare Menschen imstande sind, bei anderen körperliche Schönheit zu sehen, während moralisch verkrüppelte Menschen für Güte und Anstand blind sind? Sie glauben wirklich, daß es diese Eigenschaften gar nicht gibt.«