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›Der Mantel unterdrückt keine Schmerzen.«

»Aber er wird mich heilen, sobald ich die Pfeile herausziehe, nicht wahr?«

›Ja. Aber erwarte keine Wunder.‹

»Das alles ist ein Wunder«, sagte Nafai. »Sorge dafür, daß Elemak mein Herz verfehlt.«

Elemak verfehlte sein Herz, aber nur knapp. Nafai verlangsamte den Paritka, damit sie in Ruhe zielen konnten. Er sah nur einen Augenblick, nachdem die Überseele selbst es gesehen hatte, daß der Paritka ihnen beiden einen Schrecken einjagte und Meb fast die Nerven verloren, den Bogen davongeworfen hätte und geflohen wäre. Doch Elemak zögerte nicht, und sein gemurmelter Befehl hielt Meb an Ort und Stelle, und dann zielten und schössen sie.

Nafai spürte, wie die Pfeile in seinen Körper eindrangen, Elemaks Pfeil tief in seine Brust, Mebs Pfeil in den Hals. Der zweite Pfeil war schmerzhafter, der erste gefährlicher. Was nicht heißen sollte, daß der erste nicht auch schmerzhaft war. Nafai hätte fast das Bewußtsein verloren.

›Wach auf! Du hast zu viel zu tun, um jetzt ein Nickerchen zu halten.‹

Es tut so weh, es tut so weh, rief Nafai stumm.

›Es war dein Plan, nicht meiner.‹

Aber es war der richtige Plan, und deshalb zog Nafai die Pfeile nicht heraus, bis der Paritka ihn in die Dorfmitte gebracht hatte. Wie er erwartet hatte, waren Vas und Obring entsetzt, als sie sahen, wie der Paritka heranflog und dann über dem Gras des Versammlungsplatzes schwebte, Nafai zusammengesackt auf dem Sitz, ein Pfeil in der Brust, der zweite deutlich sichtbar im Hals steckend.

Luet! rief Nafai stumm. Komm her und ziehe die Pfeile aus mir heraus. Alle sollen sehen, daß ich in einen Hinterhalt geraten bin. Daß ich keine Waffen trug. Du mußt deinen Teil dazu tun.

Er sah durch Luets Augen; jene Nähe, die ihn damals, als er vor so langer Zeit Vaters Vision empfangen hatte, fast in den Wahnsinn getrieben hätte, war jetzt viel leichter zu ertragen, denn der Mantel schützte ihn vor den verrückt machenden Aspekten der gespeicherten Erinnerungen der Überseele. Er sah deutlich, was ihre Augen sahen, nahm aber nur Andeutungen ihrer Gefühle wahr und fast nichts von dem Bewußtseinsstrom, der ihm damals so zugesetzt hatte.

Er sah, wie ihr Herz einen Sprung machte, als sie ihn erblickte, wie ihr der Anblick der Pfeile in ihm schwer zu schaffen machte. Wie sehr sie mich liebt! dachte er. Wird sie je wissen, wie sehr ich sie liebe?

»Kommt heraus«, rief sie, »kommt alle heraus und seht selbst!«

Sofort erklang in der Ferne Elemaks Stimme. »Bleibt in euern Häusern!«

»Kommt!« rief Luet. »Seht, wie sie versucht haben, meinen Gatten zu ermorden!«

Sie strömten aus den Häusern, Erwachsene und Kinder zugleich. Viele von ihnen schrien auf, als sie Nafai und die Pfeile in ihm erblickten.

»Seht — er hat nicht einmal einen Bogen dabei«, sagte sie. »Sie haben ohne den geringsten Anlaß auf ihn geschossen!«

»Das ist gelogen!« rief Elemak, der nun ebenfalls zum Versammlungsplatz schritt. »Ich habe mir schon gedacht, daß sie so etwas versuchen würden! Nafai hat die Pfeile selbst in sich hineingesteckt, damit es so aussieht, als hätten wir ihn angegriffen.«

Nun waren Zdorab und Volemak bei Luet, und sie waren es, die nach Nafai griffen und die Pfeile herauszogen. Der Pfeil im Hals mußte durchgebrochen werden, damit sie ihn von der Spitze her herausziehen konnten. Elemaks Pfeil riß Nafais Brust schlimm auf. Er fühlte, wie das Blut aus beiden Verletzungen strömte, und konnte noch immer nicht sprechen, aber er fühlte auch, daß der Mantel in ihm an der Arbeit war, ihn heilte, verhinderte, daß die Verletzungen ihn töteten.

»Ich lasse mir dafür nicht die Schuld geben«, sagte Elemak. »Nafai ist ein Experte, wenn es darum geht, das Opfer zu spielen.«

Aber Nafai sah, daß niemand Elemaks Lügen glaubte, von Kokor und Dol vielleicht abgesehen, die nie schrecklich intelligent und stets leicht zu täuschen gewesen waren.

»Niemand glaubt euch«, sagte Vater. »Nafai hat genau gewußt, daß ihr dies geplant habt.«

»Ach ja?« sagte Elemak. »Warum ist er dann in den angeblichen Hinterhalt gelaufen, wenn er so klug ist?«

Nafai legte die Antwort in Vaters Verstand.

»Weil er wollte, daß alle eure Pfeile in ihm sehen«, sagte Vater. »Er wollte, daß alle genau sehen, wer und was ihr seid, damit nie wieder Zweifel darüber bestehen kann.«

»Die meisten von uns haben es von Anfang an gewußt«, sagte Rasa. »Es ist unnötig, daß Nafai solche Verletzungen erträgt.«

»Es spielt keine Rolle«, sagte Luet. »Nafai trägt den Mantel der Überseele. Er ist jetzt der Herr der Sterne. Der Mantel heilt ihn. Elemak und Mebbekew können ihm nicht mehr schaden.«

Bin ich schon bereit? fragte Nafai. Der Schmerz hatte beträchtlich nachgelassen.

›Fast.‹

Elemak war sich genau bewußt, daß jetzt niemand mehr zu ihm hielt außer Meb, der keine andere Wahl hatte. Sogar Vas und Obring wandten die Gesichter von ihm ab — von ihnen würde er keine Unterstützung bekommen. Aber damit hatte er auch nicht gerechnet. »Was auch immer wir getan haben«, sagte Elemak, »wir haben es für unsere Kinder getan, für unsere Frauen — und auch für eure Frauen und Kinder. Wollt ihr diesen Ort wirklich verlassen? Ist einer unter euch, der diesen Ort verlassen will?«

»Keiner von uns will gehen«, sagte Luet. »Aber wir alle wissen, daß es von Anfang an so geplant war: Wir sollen zur Erde gebracht werden. Daraus hat niemand ein Geheimnis gemacht. Niemand hat euch belegen.«

Und dann —, und es war die alles krönende Beleidigung — ergriff Eiadh das Wort: »Ich möchte Dostatok nicht verlassen«, sagte sie. »Aber ich möchte lieber auf ewig durch die Wüste wandern, als daß ein anständiger Mann sterben muß, nur damit wir hier bleiben.«

Sie sprach mit Feuer, und Elemak fühlte, daß es in ihm brannte. Meine eigene Frau, und sie verdammt mich mit ihren Anklagen.

»Ah, jetzt seid ihr alle so tapfer!« rief er. »Aber gestern wart ihr mit mir einer Meinung. Habt ihr wirklich geglaubt, daß unser Frieden und unser Glück hier ohne Blutvergießen erhalten bleiben können? Ihr habt es alle von Anfang an gewußt — solange Nafai ständig Streit entfacht, wird es Meutereien und Uneinigkeit zwischen uns geben. Die einzige Hoffnung auf Frieden lag in dem, was ich vor über acht Jahren versucht habe.«

›Jetzt.‹

Er erhob sich. Zu seiner Überraschung war er unsicher auf den Füßen und benommen im Kopf. Sofort ›erinnerte‹ er sich an den Grund — der Mantel entzog seinem Körper im Notfall Energie, und seine schnelle Heilung hatte ihn mehr Energie gekostet, als er durch das Sonnenlicht ersetzen konnte. Doch Nafai wußte auch, daß diese befristete Schwäche ihn nicht daran hindern konnte, das zu tun, was er tun mußte.

»Elemak«, sagte er. »Ich habe auf dem ganzen Weg hierher geweint. Was du versucht hast, erfüllt mich mit Schmerz. Hättest du dich nur bereit erklärt, den Plan der Überseele auszuführen — ich wäre dir dann gern gefolgt. Aber von Anfang an hast du, hat dein Ehrgeiz zu herrschen, diese Gruppe auseinandergerissen. Glaubst du, diese Schwächlinge hätten sich jemals der Überseele widersetzt, hättest du dich nicht mit ihnen verschworen, hättest du sie nicht geführt? Elemak, siehst du nicht, daß du dich an den Rand des Todes gebracht hast? Die Überseele handelt zum Nutzen der gesamten Menschheit und wird sich nicht aufhalten lassen. Mußt du sterben, bevor du dies glaubst?«

»Ich weiß nur, wann auch immer die Überseele erwähnt wird, versuchen deine jammernde Frau oder deine Mutter, die Königin, die Herrschaft an sich zu reißen.«

»Keiner von uns hat versucht, dich oder irgend jemanden sonst zu beherrschen«, sagte Nafai. »Nur, weil du jeden wachen Augenblick davon träumst, andere Menschen zu beherrschen, müssen wir nicht genauso sein. Glaubst du etwa, mein Ehrgeiz habe diesen Paritka erschaffen, auf dem ich stehe? Glaubst du, Mutter habe Ränke geschmiedet, damit er in der Luft schwebt? Glaubst du, Luets — wie hast du es genannt? — Jammern habe mich hierher gebracht, eine Tagesreise in einer Stunde?«