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Zedd tätschelte ihr die Schulter. »Genau das wollte ich hören, Kind. Mach dir um mich keine Sorgen. Ich bin ein Zauberer Erster Ordnung, nicht irgendein Grünschnabel.«

»Erster Ordnung?« flüsterte sie mit großen Augen. »Ich wußte nicht, daß es noch einen davon gibt. Bitte, Sir, riskiert Euer Leben nicht für jemanden wie mich.«

Zedd lächelte. »Es ist kein großes Risiko, nur ein wenig schmerzhaft. Ich heiße übrigens Zedd.«

Sie dachte einen Augenblick lang nach, dann legte sie ihm die freie Hand auf den Arm. »Zedd … wenn ich die Wahl hätte … ich möchte weiterleben.«

Zedd lächelte ein wenig und strich ihr über die kalte, schweißbedeckte Stirn. »Dann verspreche ich dir, mir allergrößte Mühe zu geben.« Sie nickte. »Kannst du irgend etwas tun, Jebra, um die Schmerzen deiner Visionen zurückzuhalten?«

Sie biß sich auf die Unterlippe und schüttelte den Kopf, während sie erneut in Tränen ausbrach. »Tut mir leid«, sagte sie leise, kaum hörbar. »Vielleicht solltet Ihr nicht…«

»Still, Kind«, tröstete er sie.

Zedd schöpfte tief Luft und legte eine Hand auf den Arm, der ihre Gedärme zurückhielt. Die andere legte er mit der Handfläche nach unten sachte über ihre Augen. Diese Wunde war keine, die er von außen hätte richten können. Es mußte von innen geheilt werden, mit Hilfe ihres eigenen Willens. Es konnte sie töten. Und ihn genauso.

Er wappnete sich und löste die Sperre in seinem Kopf. Der Aufprall der Schmerzen sog ihm die Luft aus den Lungen. Er wagte nicht, Kraft für einen Atemzug zu vergeuden. Er biß die Zähne zusammen und kämpfte mit vor Anstrengung zu Stein verhärteten Muskeln dagegen an. Dabei hatte er den Schmerz der Wunde noch nicht einmal angetastet. Er mußte sich um die Schmerzen ihrer Visionen kümmern und sie passieren, bevor er sich diesem Problem widmen konnte.

Unerträgliche Schmerzen sogen seinen Verstand in einen schwarzen Strom. Gespinste aus ihren Visionen wirbelten vorbei. Ihre Bedeutung konnte er nur erraten, doch die Schmerzen ihrer Existenz waren nur zu lebendig. Tränen schossen aus seinen fest geschlossenen Augen; er zitterte am ganzen Körper, während er sich unter größter Mühe durch den reißenden Strom der Ängste kämpfte. Auf keinen Fall durfte er sich von ihm fortschwemmen lassen, das wäre sein Ende und würde ihn verschlingen.

Die Gefühle ihrer Visionen schüttelten ihn durch, während er immer tiefer in ihren Verstand gesogen wurde. Düstere Gedanken dicht unter der Oberfläche der Wahrnehmung griffen nach seinem Willen und versuchten, ihn in die Tiefen der Hoffnungslosigkeit zu zerren. Seine eigenen schmerzhaften Erinnerungen drängten sich an die Oberfläche seines Bewußtseins und gesellten sich als entsetzliche Qualen und Wahnvorstellungen zu Jebras lebenslangem Kummer. Nur seiner Erfahrung und seiner Entschlossenheit war es zu verdanken, daß er weder Verstand noch seinen Willen verlor und nicht in die bodenlosen Wasser der Verbitterung und des Leids gesogen wurde.

Schließlich erreichte er das ruhige, weiße Licht im Zentrum ihres Seins. Zedd genoß die vergleichsweise milden Qualen ihrer lebensbedrohlichen Wunde in vollen Zügen. Die Wirklichkeit entsprach nur selten der Phantasie, und in der Phantasie war der Schmerz Wirklichkeit.

Voller Gier sog die kalte Finsternis ewiger Nacht rings um das ruhige Zentrum die schwindende Wärme und das Licht ihres Lebens in sich auf, um Jebras Geist für immer zu umnachten. Zedd riß diesen Schleier zurück, damit das Licht seiner Gabe ihren Geist mit Leben und Vitalität erfüllen konnte. Die Schatten wichen vor der Kraft seiner Additiven Magie zurück.

Die Kraft dieser Magie, ihr Verlangen nach Leben und nach Wohlergehen, sog die freigelegten Organe an die Stelle zurück, die der Schöpfer für sie vorgesehen hatte. Zedd wagte es noch immer nicht, Kraft darauf zu verschwenden, ihr Leiden abzublocken. Jebra krümmte sich und winselte vor Schmerzen. Auch er spürte ihre Pein. Sein Unterleib war von der gleichen Qual entflammt, die auch sie verspürte. Er erbebte unter ihrer brennenden Schärfe.

Als das Schlimmste, das, was jede Vorstellungskraft überstieg, vollbracht war, erübrigte er endlich einen Teil seiner Magie, um ihre Qualen abzublocken. Jebra sackte mit erleichtertem Stöhnen zusammen. Er spürte die Erleichterung am eigenen Leib.

Zedd benutzte seine Energie, um ihre Wunde zusammenzuziehen, damit sich Gewebe mit Gewebe, Fleisch mit Fleisch Schicht um Schicht wieder miteinander verbanden, bis hin zur Hautoberfläche, die sich zusammenfügte, als wäre sie nie aufgerissen gewesen.

Als er endlich fertig war, brauchte Zedd nur Jebras Gedanken zu entkommen. Das war ebenso gefährlich wie der Einstieg, und Zedds Kraft war beinahe verzehrt — er hatte sie ihr überlassen. Um nicht noch mehr Zeit mit unnützen Überlegungen zu verschwenden, überließ er sich dem Fluß der Schmerzen.

Fast eine Stunde nach Beginn fand er sich vornübergebeugt auf den Knien und unbeherrscht weinend wieder. Jebra saß aufrecht vor ihm, hatte die Arme um ihn geschlungen und drückte seinen Kopf an ihre Schulter. Als er merkte, daß er wieder zurück war, riß er sich sofort zusammen und richtete sich auf. Er sah sich in der Halle um. Die Leute waren ein gutes Stück zurückgedrängt worden, außer Hörweite. Niemand war erpicht darauf, sich in der Nähe eines Zauberers aufzuhalten, der eine Magie ausübte, bei der die Menschen derart schrien, wie Jebra das gerade getan hatte.

»Na also«, sagte er schließlich, nachdem er ein gewisses Maß an Haltung wiedergewonnen hatte, »das war doch gar nicht so schlimm. Ich glaube, jetzt ist alles wieder in Ordnung.«

Jebra lachte leise und benommen und drückte ihn fest an sich. »Ich wurde gelehrt, ein Zauberer könnte keinen Seher heilen.«

Es gelang Zedd, einen seiner dürren Finger zu erheben. »Ein gewöhnlicher Zauberer kann das auch nicht, meine Liebe. Aber ich bin Zeddicus Z’ul Zorander, ein Zauberer der Ersten Ordnung.«

Jebra wischte sich eine Träne von der Wange. »Ich besitze nichts von Wert, mit dem ich Euch bezahlen könnte, nur das hier.« Sie löste das goldene Kettchen aus ihrem Haar und legte es ihm in die Hand. »Bitte, nehmt meine bescheidene Gabe an.«

Zedd betrachtete die Kette mit dem blauen Stein. »Das ist sehr freundlich von dir, Jebra Bevinvier. Ich bin gerührt.« Zedd verspürte ein leichtes Gefühl der Schuld, schließlich hatte er ihr den Impuls eingegeben. »Es ist eine hübsche Kette, und ich werde sie in Demut und Dankbarkeit entgegennehmen.« Mit einem fadendünnen Kraftstrom löste er den Stein aus seiner Fassung. Er gab den Stein zurück, er brauchte bloß die Kette. »Doch die Kette genügt als Bezahlung. Behalte deinen Stein, er gehört rechtmäßig dir.«

Mit einem Nicken schloß sie die Finger um den Stein und gab ihm einen Kuß auf die Wange. Er ließ es lächelnd geschehen.

»Und nun, meine Liebe, mußt du dich dringend ausruhen. Ich habe eine ganze Menge deiner Kraft verbraucht, um die Dinge zu richten. Ein paar Tage Bettruhe vielleicht, und du fühlst dich praktisch wie neugeboren.«

»Ich fürchte, Ihr habt mich nicht nur gesund gemacht, sondern auch um meine Arbeit gebracht. Ich muß eine Arbeit finden, sonst habe ich nichts zu essen.« Sie ließ den Blick an dem blutverschmierten, zerfetzten Riß in ihrem Kleid entlanggleiten. »Und um mir etwas zum Anziehen zu kaufen.«

»Wieso hast du den Stein getragen, wenn du Dienerin bei Lady Ordith warst?«

»Nicht viele kennen die Bedeutung des Steins. Lady Ordith kannte sie nicht. Ihr Mann, der Graf, kannte sie. Er wollte meine Dienste, doch seine Frau hätte es niemals zugelassen, daß eine Frau in seinen Diensten steht, also stellte er mich als ihre Dienerin ein.

Ich weiß, es ist nicht gerade ehrenvoll für einen Seher, sich heimlich eine Stelle zu verschaffen, doch in Burgalass herrscht der Hunger. Meine Familie wußte von meinen Fähigkeiten und verschloß die Tür vor mir. Sie hatten Angst vor den Visionen, die ich von ihnen haben konnte. Bevor meine Großmutter starb, legte sie mir ihren Stein in die Hand und meinte, es sei eine Ehre für sie, wenn ich ihn tragen würde.«