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»Ich muss gestehen, Hildemara, dass ich – einsam war, teils auch – weil meine Gemahlin so oft – beschäftigt war. Ich hätte nie gedacht, plötzlich eine Frau zu haben, die so oft unabkömmlich ist.«

Sie gab ein verständnisvolles, schnalzendes Geräusch von sich. »Mein armer Liebling. Ich weiß genau, wie du dich fühlst. Mein Gemahl ist selbst so oft beschäftigt.«

Dalton wandte sich ab, als wäre er peinlich berührt. »Da meine Gemahlin nicht mehr an unseren Treueschwur gebunden ist, stelle ich bei mir – Begierden fest, die sie nicht mehr zu befriedigen imstande ist. Ich schäme mich, es zuzugeben, aber es mangelt mir in diesen Dingen an Erfahrung. Die meisten Männer würden dieses Ansinnen vermutlich für ganz natürlich halten, ich hingegen nicht.«

Sie stellte sich ganz dicht hinter ihn und brachte ihren Mund ganz nah an sein Ohr. »Sprich weiter, Dalton. Ich bin ganz Ohr. Sei nicht so schüchtern – wir sind doch alte Freunde.«

Er drehte sich um, sodass er ihr von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand und sie Gelegenheit erhielt, ihren Busen zur Schau zu stellen – ihrer Ansicht nach offenbar ein Objekt größter Bewunderung.

»Da meine Gemahlin jetzt, da sie vom Herrscher einberufen wurde, nicht mehr an ihren Treueschwur gebunden ist, vermag ich nicht einzusehen, wieso ich noch an meinen gebunden sein sollte. Zumal ich … gewisse Begierden verspüre.«

»Nun, natürlich nicht.«

»Außerdem hast du gesagt, ich solle mich als Erstes an dich wenden, sobald sich etwas am Status meines Treueschwurs ändert. Falls du noch immer interessiert bist, die Dinge haben sich geändert.«

Statt einer Antwort gab sie ihm einen Kuss. Er fand es weniger abstoßend als befürchtet; wenn er die Augen schloss, konnte er es auf gewisse Weise sogar genießen.

Er war allerdings überrascht, als sie ohne Umschweife zu den fortgeschritteneren Aspekten der Zusammenkunft überging. Nun, im Endeffekt würde das ohnehin kaum etwas ändern. Wenn sie sofort zur Sache kommen wollte, so war er damit einverstanden.

69

Der Ort, das Hochland oberhalb des Nareef-Tales, war genauso abweisend, wie Richard gehört hatte: eine trostlose Ödnis. Heulend fegte der Wind in staubigen Böen darüber hinweg.

Er hatte beinahe erwartet, dass Joseph Ander einen solchen Ort auswählen würde.

Genauso tot waren die Berge, die den vollkommen stillen See umgaben. Sie waren felsig, braun und bar jeden Lebens, ihre Gipfel sämtlich schneebedeckt. Die Abertausende Rinnsale, die die Flanken hinabstürzten, blitzten im Sonnenlicht wie Reißzähne. Im Kontrast zu dieser Kargheit stand das Grün der Pakapflanzen, die sich auf der endlosen Wasserwüste, die die weite Senke zwischen den umliegenden Bergen füllte, beinahe wie Wasserlilien ausnahmen.

Richard hatte die Pferde weiter unten zurückgelassen und kletterte den schmalen Fußpfad hinauf, den er entdeckt hatte und der zum See hinaufführte. Er hatte die Pferde mit lockeren Haltestricken festgebunden und ihnen das Zaumzeug abgenommen, damit sie sich nach einer Weile befreien konnten, sollte ihm eine Rückkehr unmöglich sein.

Nur eines trieb ihn weiter, und das war seine Liebe zu Kahlan. Er musste die Chimären vertreiben, um sie heilen zu können, das war sein einziger Lebenszweck. Jetzt stand er auf dem unfruchtbaren Boden neben dem giftigen Gewässer und wusste, was er zu tun hatte.

Er musste Joseph Ander übertreffen, im Denken wie in seiner schöpferischen Kraft.

Es gab keinen Schlüssel für das Rätsel der Chimären, keine Antwort, keine Lösung, die ihrer Entdeckung harrte. Joseph Ander hatte im feinen Geflecht seiner Magie keinerlei Lücken hinterlassen.

Seine einzige Chance bestand darin, etwas zu tun, das Joseph Ander nie erwartet hätte. Richard hatte den Mann gut genug studiert, um zu wissen, wie er gedacht hatte. Er wusste, woran Ander geglaubt hatte und was die Menschen seiner Erwartung nach versuchen würden. Richard durfte nichts von alledem tun, wenn er Aussicht auf Erfolg haben wollte. Richard würde genau das tun, wofür Joseph Ander die Zauberer gescholten hatte, was diese jedoch nicht hatten erkennen können.

Er hoffte nur, die nötige Kraft zu besitzen, es bis zum Ende durchzustehen. Tagsüber war er hart geritten und hatte die Pferde gewechselt, damit sie ihn auch wieder zurückbringen konnten: Nachts war er zu Fuß gegangen, so lange die Füße ihn trugen.

Er war erschöpft und hatte nur eine Hoffnung: lange genug durchhalten zu können. Lange genug für Kahlan.

Der golddurchwirkten Ledertasche an seinem Gürtel entnahm er weißen Zauberersand. Mit diesem Sand begann Richard behutsam eine Huldigung zu zeichnen. Mit den die Gabe darstellenden Strahlen beginnend, zeichnete er ihn in Zedds Beschreibung, wie er gezeichnet werden musste, exakt entgegengesetzt. In der Mitte stehend, legte er die Linien der Gabe so an, dass sie auf ihn selbst gerichtet waren.

Als nächstes zeichnete er den Stern, der den Schöpfer darstellte, anschließend den Kreis des Lebens, das Quadrat für den Schleier und zuletzt die äußere Umgrenzung für den Beginn der Unterwelt.

Es sei die Phantasie, hatte Joseph Ander gesagt, die einen großen Zauberer ausmache, denn nur ein Zauberer mit Phantasie sei imstande, die Grenzen der Tradition hinter sich zu lassen.

Eine Huldigung könne in Abhängigkeit eines phantasievollen, schöpferischen Bannes entstehen.

Richard hatte die Absicht, weit mehr entstehen zu lassen.

Auf seinem Platz im Innern der Huldigung reckte Richard die Fäuste gen Himmel.

»Reechani! Sentrosi! Vasi! Ich rufe euch!«

Er wusste, was sie verlangten. Joseph Ander hatte es ihm selbst verraten.

»Reechani! Sentrosi! Vasi! Ich rufe euch herbei und biete euch meine Seele!«

Das Wasser kräuselte sich, als Wind aufkam. Es bewegte sich mit Bedacht und absichtsvoll. Der über das Wasser heranwehende Wind entflammte sich und ging in ein loderndes Feuer über.

Sie kamen.

Erfüllt von Verlangen und von Zorn senkte Richard die Arme und richtete sie auf das Ufer des Sees, dort, wo er sich schließlich über den felsendurchsetzten Überlauf und hinunter in das Nareef-Tal ergoss. Er richtete sein ganzes Sein auf diese eine Stelle.

Über sein Verlangen und seinen Zorn rief er die subtraktive Seite seiner Kraft herbei, die Seite der dunkelsten Dinge, die Seite aus der Unterwelt, aus den Schatten im ewigen Dunkel der Welt des Jenseits.

Explosionsartig entlud sich ein schwarzes Unwetter, während die Blitze aus seinen Fäusten sich zu einem Seil von gewaltiger Vernichtungskraft zusammendrehten, gelenkt von seinem Verlangen, genährt von seinem Zorn.

Am Ufer des Bergsees kam es zu einem explosionsartigen Ausbruch von Gewalt. Das dahinter liegende Felsgestein zerbarst unter der Berührung des schwarzen Blitzes zu einem Hagel aus Dampf und Geröll. Mit einem Schlag hatte das untere Seeufer an der Felskante aufgehört zu existieren. Die zerstörerische Kraft der Subtraktiven Magie hatte es verdampfen lassen.

Mit ohrenbetäubendem Getöse begann der See sich zu leeren.

Aufgewühlt zog sich das Wasser selbst über den Rand. An der Kante schäumte und gischtete es. Die Pakapflanzen wirbelten im Wasser, als sie vom Grund des Sees gerissen wurden. Der gewaltige See aus giftigem Wasser stürzte über den Rand in die Tiefe.

Das über den See herannahende Feuer, der Wind auf dem Wasser und die aufgewühlten Wassermassen beruhigten sich, als sie näher kamen. Sie waren das Wesen der Chimären, das Destillat, das in ihrem Namen sprach.

»Kommt zu mir«, befahl Richard. »Ich biete euch meine Seele.«

Als die Chimären kreisend immer näher kamen, entnahm Richard der Tasche an seinem Gürtel noch eine andere Substanz.

Und dann, während der See sich leerte und er dort, wo einst giftiges Wasser gewesen war, einen schlammigen Grund zurückließ, begann die Luft draußen, unmittelbar über den in die Tiefe stürzenden Wassermassen, zu flirren. Etwas gewann Substanz und nahm in der Welt des Lebendigen Gestalt an.

In der Luft über der Wasseroberfläche begann sich flackernd eine Gestalt abzuzeichnen: eine Gestalt in einem Gewand, ein alter Mann aus Rauch und flimmerndem Licht, eine Gestalt, die Qualen litt.