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Bolitho fuhr sich durchs Haar.»Wie viele Schiffe hat Nelson?»

Keen sah ihn an und wußte, worauf er hinauswollte.

«Es war von zwei Dutzend Linienschiffen die Rede, Sir Richard. Die Franzosen und ihre spanischen Verbündeten, sagt man, hätten mehr als dreißig. Darunter befinden sich einige der größten und erstklassigsten, die zur Zeit schwimmen.»

Bolitho lauschte dem Ächzen des Windes. Teile und herrsche. Wie gut Villeneuve alles vorbereitet hatte. Dieser gewaltigen Kampfkraft, die Phaedra rein zufällig entdeckt hatte, dieser zahlenmäßigen Übermacht war Nelson unterlegen.

Er stellte fest:»Wenn sie durch die Straße entkommen, kriegen wir sie niemals rechtzeitig zu fassen. «Und mit Blick auf Keen:»Signal an Phaedra: zum Flaggschiff aufschließen. Und wenn das kleine Schiff dicht genug heran ist, im Klartext: gut gemacht.»

Als Keen gegangen war, äußerte Herrick plötzlich entschlossen:»Ich mache mit! Sag mir, was ich tun soll.»

Bolitho starrte durch die fleckigen Fenster.»Möglichst wenig signalisieren, Thomas, wir sprachen schon darüber.»

«Und dein Auge?«Es klang bedrückt.

«O nein, nichts mehr davon, Thomas. Die kleine Phaedra hat meine Blindheit aufgewogen. Aber wenn meine Flagge niedergeholt wird, muß Benbow die Führung übernehmen.»

Herrick nickte.»Einverstanden.»

«Darum sei nicht so streng, mein Freund. Zusammen können wir doch noch gewinnen.»

Er wandte sich wieder ab und schaute reglos aufs Wasser hinaus, bis er die Tür ins Schloß fallen hörte.

Bolitho setzte seine Unterschrift unter das letzte Schreiben und verfiel für mehrere Minuten in Nachdenken.

Der Seegang war so steil wie zuvor, aber der Wind hatte nachgelassen, so daß sich das Schiff mit majestätischer Schwerfälligkeit hob und senkte. Bleiches Licht durchdrang den Dunst und ließ die Salzflecken auf dem Fensterglas wie Rauhreif funkeln. Die Luft war getränkt mit Feuchtigkeit, mit den Ausdünstungen von Hängematten, Kleidung, Menschen.

Er überflog noch einmal den Schluß des Briefes, den Phaedra zur Flotte bringen sollte. Nelson würde als Seemann besser als alle anderen verstehen, was Bolithos Männer und Schiffe versuchen wollten.

Der Brief endete mit dem Satz:»Und ich danke Euch, Mylord, daß Ihr meinen Neffen mit der gleichen Begeisterung erfüllt, die Eure Flotte so inspiriert.»

Er schob ihn Yovell zum Versiegeln hin und wog den anderen zwischen den Fingern. Dabei malte er sich Catherines dunkle Augen aus, wie sie jene Worte las, mit denen er ihr seine Liebe versicherte. Auch eine Menge anderer Briefe gingen mit der Phaedra ab. Was würde Herrick seiner Dulcie erzählen? Ihr gestriges Gespräch hatte bei ihm einen schlechten Nachgeschmack hinterlassen. Früher wäre so etwas unmöglich gewesen. Vielleicht änderten sich die Menschen doch, und er hatte sich geirrt.

Keen mochte seiner Zenoria geschrieben haben. Es war ihm ein großer Trost, daß Catherine bei ihr wohnte. Er stand auf, trotz der lauen Luft fror er plötzlich bis ins Mark. Val durfte nichts zustoßen. Nicht nach allem, was sie miteinander durchgemacht hatten.

Keen erschien und meldete:»Der Kommandant der Phaedra kommt an Bord, Sir Richard.»

Bolitho blickte überrascht zur Tür, als Dunstan hereinplatzte: ein junger Mann voll unerschöpflicher Energie und sicherlich einer der zerrauftesten Kommandanten, die ihm je unter die Augen gekommen waren. Bolitho streckte die Hand aus.»Gut, daß Sie selbst kommen. Man wollte Ihnen schon die Post an einer Leine übergeben.»

Dunstan verbeugte sich und schaute sich um.»Ich dachte, pfeif auf den Seegang und fahre selbst rüber, Sir Richard.»

Bolitho deutete auf den Poststapel.»Ich lege alles in Ihre Hände. Es ist ein Brief für Lord Nelson dabei, den sollten Sie ihm selbst aushändigen. «Er lächelte flüchtig.»Es ist mir offenbar bestimmt, ihm nie persönlich zu begegnen. «Er hob den Blick.»Ich höre, Sie hatten Verluste?»

«Aye, Sir Richard. Zwei Tote und zwei Mann durch Splitter verwundet.»

Einen Augenblick sah Bolitho den Kommandanten hinter der Maske des jungen Draufgängers; die Erfahrungen und Risiken, den Moment der Wahrheit, wenn Tod in der Luft lag.

Dunstan fuhr fort:»Ich bedaure nur, daß ich nicht so lange bleiben konnte, um die Kampfkraft der Spanier genau abzuschätzen. Aber die verdammte Fregatte saß mir im Nacken, und der Dunst verbarg viel. «Er zuckte die Achseln.

Bolitho bedrängte ihn nicht. Keen würde Dunstans Beobachtungen und Kalkulationen neben seine eigenen in die Seekarten eintragen.

Dunstan sagte:»Dabei kam mir in den Sinn, wie seltsam es im Krieg zugeht, Sir Richard. Es war nur ein kleines Gefecht, aber mit eigenartigen Gegnern.»

«Ich weiß. Eine gekaperte britische Fregatte kämpfte unter spanischen Farben gegen eine französische Prise unter englischer Flagge.»

Dunstan sah ihn voll an.»Ich möchte Sie bitten, jemand anderen zu Lord Nelson zu schicken. Mein Platz ist hier bei Ihnen.»

Bolitho nahm ihn am Arm.»Die Flotte muß wissen, was vor sich geht, und erfahren, daß ich die gesichteten Schiffe daran hindern will, sich mit Villeneuve zu vereinigen. Es ist lebenswichtig. Und ich kann keinen anderen erübrigen. «Er schüttelte ihn leicht. »Phaedra hat schon genug für mich und für uns alle getan. Denken Sie daran, und sagen Sie es auch Ihren Leuten.»

Dunstan nickte. Seine Augen suchten Bolithos Gesicht, als wolle er es sich für immer einprägen. Ungestüm streckte er die Hand aus.»Dann gehe ich, Sir Richard. Und Gott sei mit Ihnen!»

Später stand Bolitho noch eine ganze Weile allein in seiner Kajüte, beobachtete die Korvette beim Wenden und sah ihre Stückpforten eintauchen, als der Wind in die Segel griff. Er hörte ferne Hochrufe, ob von der Phaedra oder von anderen Schiffen, war schwer zu sagen.

Er setzte sich hin und massierte sein Auge, dessen Trübung er so haßte.

Allday polterte herein und beäugte ihn kritisch. »Phaedra ist also unterwegs.»

«Aye. «Bolitho wollte an Deck, das Geschwader wartete.

Noch vor der Abenddämmerung mußte es seine Schlachtformation eingenommen haben. Er dachte an seine Kommandanten. Wie würden sie wohl reagieren? Vielleicht zweifelten sie an seinen Fähigkeiten oder erkannten Herricks Widerstand gegen seine Pläne.

Allday fragte:»Kommt es zum Kampf?»

«Kann schon sein, alter Freund. «Bolitho sah ihn an.»Wenn wir ihnen in die Quere kommen, sind sie gezwungen zu kämpfen. Wenn sie uns entwischen, werden wir sie jagen.»

Allday nickte, Ferne im Blick.»Also nichts Neues.»

Bolitho grinste, die Spannung wich von ihm.

«Nein, nichts Neues. Deine Prägnanz, Allday, könnten sie im Parlament gebrauchen.»

Am nächsten Morgen hatte sich das Wetter wieder geändert. Der Wind hatte gedreht und kam direkt aus Osten. Das ließ jedenfalls auf einen glatten Weg Richtung Toulon hoffen. Das Geschwader schob sich nach Nordwesten, irgendwo an Steuerbord lagen die Balearen.

Der sechste in der Linie, seine eigenen Schiffe führend, war Konteradmiral Herrick. Seit Tagesanbruch war er auf den Füßen, unfähig zu schlafen, aber auch nicht gewillt, seine Zweifel mit Flaggkapitän Gossage zu teilen.

Er stand auf dem breiten Achterdeck der Benbow und blickte nach den Schiffen aus. Unter dem fast klaren Himmel, den nur Schäfchenwolken sprenkelten, boten sie einen schönen Anblick. Sein Gesicht wurde weicher, als er sich seiner Mutter erinnerte, in dem kleinen Haus in Kent, wo sie ihn geboren hatte. Achte immer auf die großen Schafe, Tommy! hatte sie ihm eingeprägt.

Herrick drehte sich nach dem Ersten Leutnant um, der mit einigen Decksoffizieren die Tagesarbeit besprach. Was hätte die liebe alte Dame jetzt von ihrem Tommy gehalten?

Kapitän Gossage überquerte das Deck, seinen Hut in dem flotten Winkel aufgedrückt, den er zu bevorzugen schien. Aber Herrick hatte keine Lust, die Zeit mit müßiger Konversation zu verbringen. Er fühlte sich unsicher, als hätte man ihn plötzlich seiner Autorität beraubt. Er beschattete die Augen und spähte durch die Steuerbordwanten. Die einzige ihm verbliebene Fregatte, Tybalt, stand weit ab vom Geschwader und würde als erste die feindlichen Schiffe sehen. Er biß sich auf die Lippen, bis es schmerzte. Vorausgesetzt, der Feind hatte sie nicht schon überholt.