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Bolitho sah beschädigtes Tauwerk ellenlang von den Schutznetzen baumeln. Und über allem Wirrwarr wölbte sich noch immer derselbe friedliche Himmel.

Eine Kanonenkugel schlug an Backbord ein und traf die Bedienung eines vorderen Achtzehnpfünders. Zwei Mann wurden zu blutigen Brocken zermalmt, ein dritter rollte schreiend längs Deck. Sein Bein wurde nur noch von einem Hautfetzen gehalten.

Bolitho biß die Zähne zusammen und versuchte sich zu konzentrieren. Alle seine Einheiten mußten jetzt im Gefecht sein. Der Schlachtenlärm hörte sich an, als ob an allen Seiten Schiffe kämpften. Ihr eigener Rauch verbarg sie voreinander. Geschützfeuer grollte wie gigantischer Trommelwirbel auf dem Wasser hin und her.

Bolitho befahclass="underline" »Signal an alle: Aufschließen zum Flaggschiff, formiert Schlachtlinie!«Wie sie das mit den Flaggen übermitteln würden, war ihm selbst nicht klar. Doch schon bald kam Jenour.»Alles bestätigt, Sir Richard.»

Ein abseits stehender spanischer Zweidecker setzte mehr Segel. Sein Kommandant strebte entweder näher zum eigenen Flaggschiff oder wollte einen Zusammenstoß mit der bewegungsunfähigen Castor vermeiden.

Bolitho begriff.»Dort, Val! Greift ihn an!»

Keen gellte:»Achtung an Steuerbord!»

Der Spanier schien schneller zu werden, aber es war nur eine durch den Rauch verursachte Illusion. Bolitho erwartete, daß er wenden und den Kurs der Hyperion kreuzen würde. Er konnte auf seiner Fock das große Kreuz, das rotgoldene Banner Spaniens erkennen.

Keen hob wieder seinen Degen.»Einzelfeuer!»

Das gegnerische Schilf feuerte fast zu gleicher Zeit. Eisenstücke und Holztrümmer flogen über ihr Batteriedeck, während die Segel, so sehr durchlöchert, daß sie kaum noch den Wind hielten, kraftlos erschlafften. Bolitho wischte sich übers Gesicht und sah den Vormast des Gegners fallen. Takelage und Leinwandfetzen verschwanden längsseits.

Den konnte er nun vergessen. Aber Hyperion hatte es schwer getroffen. Ein Teil der feindlichen Breitseite war mit der Wucht eines Bergrutsches in ihren unteren Rumpf geschlagen. Bolitho wollte über Deck gehen, da wurde sein Fuß festgehalten. Er blickte hinab und sah den jungen Seemann Naylor. Er lehnte an seinem umgeworfenen Geschütz und versuchte, Worte zu stammeln. Sein Gesicht war schmerzverzerrt.

Keen rief:»Hierher, Sir Richard! Ich glaube, wir können. «Seine Füße rutschten in Blut aus, und als er Bolitho neben dem sterbenden Seemann knien sah, verstummte er. Bolitho ergriff die Hand des Jünglings. Die Spanier mußten ihre Breitseite mit Kartätschen geladen haben; Naylor hatte ein Bein verloren, und in seiner Seite klaffte ein faustgroßes Loch.

«Lieg still, Naylor. «Bolitho hielt die Hand des Schwerverwundeten. Das Deck schien unter ihm zu schwanken. Er wurde verlangt, dringend sogar. Ringsumher tobte die Schlacht ohne Unterbrechung.

Der Seemann keuchte:»Ich — ich sterbe, Sir!«In seinen Augen standen Tränen. Er betrachtete sein Blut, das in die Speigatten floß, wie etwas Fremdes. Verwirrt über das, was geschah, stemmte er sich noch einmal hoch, und Bolitho spürte eine letzte Festigkeit in seinem Griff. Naylor fragte:»Warum ich, Sir?«Dann fiel er zurück, aus seinem Mundwinkel sickerte ein rotes Rinnsal.»Warum gerade ich?»

Keen wartete, bis Bolitho die Hand losließ, die ihm nun kraftlos entglitt.

Dann meldete er: «Capricious ist wieder manövrierfähig, Sir Richard! Aber dort drüben bricht ein Spanier durch!«Er bestaunte seinen erhobenen Arm. Der Ärmel war aufgerissen, und doch hatte er die Musketenkugel nicht einmal bemerkt.

Bolitho eilte zur Reling. Ein zweites Schiff überholte schon den Spanier, der die Breitseite abgefeuert hatte.»Will sicherlich zu seinem Admiral.»

Keen winkte.»Mr. Quayle! Sagen Sie der unteren Batterie, wir werden den dort gleich angreifen!»

Der Vierte Leutnant hatte alle Arroganz verloren. Vielmehr war er fast außer sich vor Angst.

Keen drehte sich um.»Mr. Furnival!»

Doch der Fähnrich war ebenfalls gefallen, während sein Kamerad stocksteif neben Jenour stand. Sein Blick war auf die Flaggen gerichtet, zwischen denen sein getöteter Freund lag, als wolle er sich von der Hitze des Gefechts ausruhen.

Bolitho bellte:»Gehen Sie unter Deck, Mr. Quayle! Dies ist ein

Befehl!»

Keen strich sich das Haar aus der Stirn und merkte, daß auch sein Hut weggerissen war.»Verflucht noch mal!«»Alle feuerbereit, Sir!«Keens Degen zuckte nieder.»Feuer!»

Schuß um Schuß der Breitseite bemalte das Kabbelwasser zwischen den Schiffen mit blutrotem Schein. Man hörte deutlich, wie das Eisen der Hyperion in die Bordwand des Gegners krachte und Menschen und Geschütze zerschlug.

Eine zunehmende Brise wirbelte den Pulverdampfweg.

Keen warnte:»Sie treibt auf uns zu! Ihr Ruder ist weggeschossen!»

Bolitho hörte es platschen. Als er sich umwandte, sah er einige Gehilfen des Bootsmanns von dem umgestürzten Geschütz wegtreten. Sie hatten Naylors Leiche schon über Bord geworfen, nur noch sein Blut markierte die Stelle, wo er gekämpft hatte und gestorben war. Immer noch hatte er seine Stimme im Ohr:»Warum gerade ich?«Es gab so viele, die diese Frage stellten.

Allday schätzte mit dem bloßen Entersäbel in der Faust das näherkommende spanische Schiff kalt ab. Parris schrie gellend:»Klar zur Abwehr von Enterern!»

Major Adams hastete nach vorn, als der lange Klüverbaum des Gegners den Rauch durchstach und sich mit einer Erschütterung im Bugsprit der Hyperion verhakte, die selbst die Geschützbedienungen innehalten ließ.

Keen brüllte:»Weiterfeuern!»

Die unteren Zweiunddreißigpfünder schossen gnadenlos über das mit Trümmern bedeckte Dreieck verräucherten Wassers. Wieder und wieder und noch einmal, bis des Feindes Klüverbaum brach, das Schiff mit einem Ruck längsseit klappte und die Mündungen von Freund und Feind zusammenstießen.

Gewehrfeuer knallte aus den Masten, Männer fielen neben ihren Geschützen oder brachen beim Aufräumen der heruntergefallenen Takelage getroffen zusammen. Aus dem Großmast der Hyperion bellten die Drehbassen und fegten eine Anzahl Spanier hinweg, die sich auf die Enternetze schwangen.

Keen brüllte:»Wir haben kein Ruder mehr im Schiff, Sir Richard! Müssen sehen, daß wir den hier loswerden. Der andere Zweidecker hat sich auch an ihm verfangen.»

Drei Schiffe, ineinander verkeilt. Dennoch wagten sie jetzt nicht, in das längsseit liegende Schiff zu feuern. Denn es bedurfte nur einer glimmenden Kartusche, um beide, Freund und Feind, in ein Flammenmeer zu verwandeln.

«Räumt die Unterbatterie, Val, schließt die Pforten! Ich brauche jede Hand hier oben!»

Mit nackten, von Pulverrauch geschwärzten Oberkörpern quollen sie herauf, um Major Adams Seesoldaten beizustehen. Gemeinsam gingen sie gegen die Angreifer vor.

Keen warf die Scheide fort und wog seinen Degen in der Hand. Er schaute im treibenden Rauch nach seinen Leutnants aus.

«Und wo ist mein verdammter Bootssteurer?«Seine Miene erhellte sich, als Tojohns auf ihn zurannte, mit hoch erhobenem

Entersäbel, um die anderen Seeleute im Getümmel nicht zu verletzen.»Hier, Sir!»

Jetzt kam auch Allday.»Zur Stelle, Sir!»

Keens Augen suchten den Ersten Leutnant an der Reling.»Bleiben Sie hier, Mr. Parris, und verteidigen Sie das Achterdeck!«Sein Blick streifte Bolitho, es war wie ein Händedruck zum Abschied.

Dann rannte auch er auf dem Steuerbord-Seitendeck nach vorn, wo der Feind herüberkletterte. Leutnant Lovering deutete mit seinem Degen.»Nach vorn auf die Back, ihr Burschen!«brüllte er. Doch mitten im Sprung stürzte er zu Boden, der Degen baumelte noch an seinem Handgelenk. Ein verborgener Scharfschütze hatte sein Ziel gefunden.

Dacie, der einäugige Bootsmannsgehilfe, war schon auf der Galion im Handgemenge. Er schwang sein furchtbares Enterbeil. Drei Spanier hatte er bereits niedergehauen, ehe einige Seesoldaten ihm beisprangen. Sie stachen mit ihren Bajonetten durch die Netze und schleuderten die Feinde beiseite, die sich wie Fliegen in einem Spinngewebe verfangen hatten.