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»Wer hat hier den Befehl?« rief ein Unteroffizier verwirrt.

»Ich!« rief ich zurück. »Haltet Ausschau nach Bosk aus Port Kar!«

Der Unteroffizier winkte zwei Männer heran und eilte in die Grube. Ich sah mich um. Die Ubarloge befand sich genau hinter mir. Ich warf einen Blick in die Sandarena. Der Kur mußte den Sleen einen weiteren Befehl gegeben haben. Plötzlich stellten sie zu meinem Erstaunen ihren Angriff ein und zogen sich knurrend und fauchend zu dem vergitterten Tor zurück, durch das sie die Grube betreten hatten. Dann verschwanden sie nacheinander in der Dunkelheit des darunterliegenden Ganges. Ein Soldat humpelte zu dem kleinen Tor und verriegelte es schnell.

Ein anderer Soldat trat gegen einen im Sand liegenden Gegenstand und schrie auf.

»Was ist?«

»Hier liegt eine Gürteltasche im Sand«, rief der Soldat.

»Und hier ist das Siegel des Ubars«, sagte ein anderer Soldat und hob das Siegel mitsamt der dazugehörigen Kette in die Höhe.

»Die Gürteltasche trägt ebenfalls Belnars Siegel«, sagte der Mann, der sie gefunden hatte.

»Hier liegen Körperteile herum«, rief ein anderer Mann. »Die Sleen haben davon gefressen.«

»Der Ubar ist tot! Dort liegt sein Kopf!«

»Das war die Bestie!« schrie der Offizier entsetzt. »Tötet sie! Tötet sie!«

Die Soldaten wandten sich gegen den Kur. Die Bestie zog einen brennenden Holzscheit aus dem Eisenkasten unter dem Ölkessel und schleuderte ihn in das Öl. Eine Flammensäule schoß in die Höhe. Die Soldaten wichen zurück. Dann trat der Kur hinter den brennenden Kessel und stemmte ihn mit seinen Riesenkräften langsam in die Höhe. Schreie hallten durch die Grube.

»Paßt auf!«

»Zurück!«

Der Kur schleuderte den Kessel in Richtung der Männer. Sie flohen, doch zwei wurden unter dem Kessel begraben. Einen schrecklichen Augenblick lang schien es, als stünde die Luft selbst in Flammen.

»Gruppiert euch!« brüllte ein Offizier. »Gruppiert euch!«

Der Kur versuchte gar nicht erst zu fliehen, obwohl er es bestimmt bis zur Tribüne geschafft hätte. Statt dessen hob er sechs brennende Holzscheite auf, die aus dem Kasten geflogen waren, und rammte sie wie Fackeln rings um sich herum in den Sand. Er selbst blieb in der Mitte dieses Kreises stehen, der etwa einen Durchmesser von sechs Metern hatte. Ich fragte mich, ob man wohl in den Stahlwelten solche Kreise errichtete und ob er je in einem solchen gestanden hatte. Die Zahl sechs hat für die Kurii eine tiefere Bedeutung. Das hat vermutlich mit den tentakelähnlichen, mehrgelenkigen, sechsfingerigen Pranken der Bestien zu tun. Diese Zahl und alle ihre Formen finden sich im Alltag, in der Zeitrechnung und der Chronologie der Bestien wieder. Ihre Mathematik basiert auf der Zahl Zwölf.

Der Kur stand jetzt in der Mitte des Kreises. Ich verstand nicht, was der Kreis sollte, aber vermutlich war er wichtig für ihn. Er hatte die Sleen zurück in ihre Käfige geschickt, also wollte er sich den Männern ganz allein stellen – ohne Hilfe der Tiere. Ohne meine Hilfe.

Plötzlich sprang er in dem Kreis umher, machte einen Salto rückwärts und stieß unverständliche Laute aus, dann hüpfte er auf und ab und schlug sich auf Knie und Oberschenkel. Ich glaube, die Soldaten fürchteten, die Bestie könnte wahnsinnig geworden sein. Allerdings drücken die Kur auf diese Weise ihre Freude aus. Er blieb aufrecht stehen und sah in meine Richtung. Ohne jeden Zweifel konnte er mich mit seiner Nachtsicht deutlich erkennen. Er entblößte die Reißzähne. Ich lächelte. Auch wenn es furchterregend aussah, handelte es sich doch um die kurische Entsprechung eines menschlichen Lächelns. Es unterscheidet sich stark von dem Blecken der Reißzähne, was natürlich eine ernsthafte Drohung darstellt. Außerdem werden bei dem Lächeln die Ohren nicht angelegt, ein weiteres untrügliches Zeichen, daß der Kur angreifen will.

»Leb wohl«, flüsterte ich. Das Lächeln wurde noch breiter. Plötzlich wurde mir klar, daß er mich im Gegensatz zu den zwischen uns befindlichen Soldaten gehört hatte.

»Macht euch bereit!« rief ein Offizier.

Speere senkten sich. Die Bestie in dem Kreis wurde nun von Stahl umzingelt.

Der Kur knurrte die Männer an, und sie zögerten. Dann warf er den zotteligen großen Kopf in den Nacken und schleuderte den drei Monden, den Männern, die ihn umkreisten, dem Universum, den Sternen, der ganzen Welt seine Verachtung entgegen. Männer zitterten, unterbrachen den Ring aber nicht. Ich bewunderte sie. Es waren gute Soldaten. Dann wandte der Kur seine Aufmerksamkeit wieder den Feinden zu. Ich glaubte ein leises Knurren zu hören. Reißzähne wurden entblößt, aber diesmal handelte es sich nicht um ein Lächeln. Einen Augenblick lang wandte er den Kopf, und seine Augen, in denen sich das Licht einer Fackel spiegelte, loderten wie geschmolzenes Metall. Ohren legten sich eng an den Kopf an.

Plötzlich ertönte der Befehl, und die Soldaten stürmten vorwärts. Der Kur griff nach den Speeren, schlug einige beiseite, packte ein paar von ihnen und zerbrach sie, aber etwa ein Dutzend Speere drangen tief in seinen Körper ein. Ich sah zu, wie er kämpfend in der Mitte der Soldaten stehenblieb. Mehr als ein Mann wurde hochgehoben und beiseite geschleudert. Dann verschwand der Kur unter der Masse der Körper. Soldaten liefen um ihn herum, stachen mit ihren Speeren zu, schlugen mit den Schwertern auf in ein.

»Wir haben ihn getötet!« rief ein Soldat.

›Ich rieche Ruhm‹, hatte der Kur gesagt. ›Das ist eine noch aufregende Witterung als Fleisch.‹

»Er ist tot!« jubelten die Soldaten.

Ich fragte mich, ob es dort unten tatsächlich so etwas wie Ruhm gegeben hatte. Der von Fackeln und Mondlicht erhellte Sand einer Arena fern der Heimat schien kaum der passende Ort für das Erringen von Ruhm zu sein. Für den Kur würde man keine Denkmäler errichten. Man würde keine Gesänge komponieren, und sein Volk würde ihn nicht feiern. Sein Ruhm, wenn er ihn denn nun errungen hatte, war nur von ihm allein wahrgenommen worden. Vielleicht hatte er im Glanz eines einsamen Augenblicks bestanden, den nur der Kur selbst in seinem ganzen Ausmaß verstanden hatte, eines Augenblicks, der sich selbst rechtfertigte und dazu keinen anderen brauchte.

»Er bewegt sich!« schrie ein Soldat voller Entsetzen.

Plötzlich schoß der Kur mit den in ihm steckenden Speeren in die Höhe, hieb mit den Klauen um sich und wütete wie eine Naturgewalt, bis sich um ihn die Gefallenen häuften.

»Tötet ihn!« brüllte der Offizier. Wieder griffen die Männer mit Speeren und Schwertern an. In dem blutigen Tumult brachten sich die Männer sogar gegenseitig Verletzungen bei. Ich sah, wie der Kur einen Soldaten aus den Reihen seiner Kameraden holte, mit einem Prankenhieb beinahe enthauptete und dann den nächsten packte. Dann brach er unter dem Ansturm von Männern und Eisen zusammen. Das war der Kur, den seine Artgenossen wegen angeblicher Verweichlichung aus ihrer Welt ausgestoßen hatten. »Er bewegt sich!« schrie ein Soldat.

Der Kur erhob sich erneut. Ich hörte Männer weinen und blindlings auf ihn einschlagen. Wie stolz war er auf seine Kultiviertheit gewesen, wie eitel! Wie sehr hatte mich seine verflucht herablassende Art gestört. Er ging wieder zu Boden.

»Wir können ihn nicht töten!« schrie ein Soldat. »Wir können ihn nicht töten!« Der Kur stand wieder auf und bahnte sich einen Weg durch seine Angreifer. Schwerter und Speere trafen ihn immer wieder. ›Sie werden erfahren, daß selbst ein Ehrenmann zu kämpfen versteht‹ hatte er gesagt. Noch zweimal griff er sie an; erst dann traten die Soldaten erschöpft, aber siegreich zurück. Tote wurden weggebracht. Der Kur lag allein im Sand; er war ebenfalls tot. Ich konnte nicht einmal seinen Namen aussprechen.

»Wartet«, sagte einer der Offiziere. »Wo ist der andere, wo ist Bosk?«

Ich schlüpfte hinter die Ubarloge, hob die Falltür und sprang in die Tiefe. Dann schloß ich die Geheimtür über mir. So wie sie gebaut war, war es fast unmöglich, sie von den Fliesen hinter der Ubarloge zu unterscheiden.