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»Paga!« rief ein Mann.

Wir tauschten Schlucke aus unseren Botas. Er schwankte weiter.

Kinder liefen vorbei und spielten Fangen.

Mein Blick fiel auf eine Frau, die bis zur Taille nackt war. Um die Hüften hatte sie einen schmalen Stoffstreifen geschlungen. Sie sah mich an und wandte sich dann ab.

An mindestens einem Dutzend Stellen des großen Platzes spielten Musikanten.

Ich entdeckte Tab, einen Kapitän, der einmal meinem Haus angehört hatte und mit dem ich gelegentlich noch Geschäfte tätigte. An seiner Seite war seine Sklavin Midice. Sie klammerte sich an seinem linken Arm fest. Ich rief ihm einen Gruß zu, doch in dem Lärm hörte er mich nicht. Seine Schwertscheide war leer. Genau wie meine auch. Wir hatten die Waffen vor Betreten des Platzes abgegeben.

»Ich muß dich bitten, mir dein Schwert zu geben«, hatte einer der Arsenalwächter gesagt, die heute abend im Dienst waren.

»Nein«, hatte sein Kamerad gesagt. »Erkennst du ihn nicht? Das ist Bosk, der Admiral, Mitglied des Kapitänrates.«

»Vergib mir, Kapitän, Geh, wie du bist.«

»Nein, das ist schon in Ordnung«, hatte ich erwidert und ihm mein Schwert und das Messer überlassen, das ich gewöhnlich bei mir trug, ein Quiva. Das Sattelmesser der Tuchuk war ein ausbalanciertes Wurfmesser. Ich selbst hatte im Rat dafür gestimmt, während des Karnevals die Leute vor dem Betreten des Platzes nach Waffen zu kontrollieren. Es war nur richtig, fand ich, mich einer Regel zu unterwerfen, die ich selbst öffentlich unterstützt hatte.

Plötzlich fiel mir ein, daß ich den Mann, der mich vor der Bühne des Zauberers angesprochen hatte, schon einmal gesehen hatte. Er hatte in der Nähe des Kontrollpunktes gestanden, den ich gerade benutzt hatte.

Die Waffenkontrolle wird folgendermaßen durchgeführt: Man gibt seine Waffe ab, und der Wächter reißt einen an beiden Enden numerierten Papierstreifen in zwei Hälften. Die eine Hälfte verbleibt bei der Waffe, die andere Hälfte erhält ihr Besitzer. Um die Waffe wiederzubekommen, gibt man seinen Schein ab. Ich trug meinen Abschnitt im Geldbeutel. Der Schein besteht aus Rencepapier, das in Port Kar nicht viel kostet, da sich die Stadt in unmittelbarer Nähe des größten Vorkommens der Rencepflanze befindet, des großen Sumpflandes im Voskdelta.

»Kapitän«, sagte da eine Stimme.

Ich drehte mich um.

»Kapitän Henrius?« Er schob grinsend die Maske hoch. Er war es tatsächlich, also hatte ich die Stimme richtig erkannt. Der junge Kapitän Henrius gehörte zur Linie der Sevarii. Er hatte meinem Haus angehört, herrschte aber nun über sein eigenes Haus. In seiner Begleitung war seine Vergnügungssklavin Vina, die einst dem abstoßenden Lurius aus Jad versprochen gewesen war und an seiner Seite auf dem Thron zur Ubara von Cos ausgerufen werden sollte. Jetzt war sie Sklavin in Port Kar. Wegen der bunten Farben, die ihren Körper schmückten, hatte ich sie nicht sofort erkannt. Sie kniete neben Henrius und klammerte sich an seinem Oberschenkel fest, damit sie ihm in der Menge nicht abhanden kam.

»Jemand sucht nach dir«, sagte Henrius.

»Wer?« fragte ich.

»Ich kenne ihn nicht. Er hat vorgeschlagen, daß ihr euch bei den purpurfarbenen Pavillons trefft, und zwar in Nummer siebzehn.«

»Danke«, sagte ich.

Henrius rückte mit einem Grinsen seine Maske zurecht, zog Vina auf die Füße, nahm sie beim Ellbogen und verschwand in der Menge.

Ich sah ihnen nach. Ich mochte beide.

Eine freie Frau, bekleidet mit einem wirbelnden Gewand der Verhüllung und einem Schleier, stellte sich mir in den Weg. »Nimm meine Gunstbezeugung an, bitte!« lachte sie und schwenkte kokett ein Halstuch vor meinem Gesicht herum. »Bitte, du hübscher Bursche, bitte!«

»Gern«, sagte ich lächelnd.

Sie trat nahe an mich heran.

»Hiermit wage ich, eine freie Frau, dir meinen Gunstbeweis zu überlassen, und zwar aus meinem eigenen, freien Willen!«

Sie schob das Halstuch in eine Öse am Kragen meines Gewandes und zog es bis zur Mitte durch. So würde ich es kaum verlieren.

»Vielen Dank, hübscher Herr!« lachte sie. Dann lief sie weiter.

An ihrem Gürtel steckten nun nur noch zwei Halstücher. Üblicherweise beginnt eine Frau dieses Spiel mit zehn Tüchern. Die erste, die alle zehn Gunstbezeugungen an den Mann gebracht hat und wieder am Start ist, hat gewonnen. Ich sah ihr grinsend nach. Es wäre unhöflich gewesen, das Halstuch abzulehnen. Außerdem hatte sie so nett gebettelt.

Natürlich kann sich eine freie Frau eine derartige Kühnheit nur im Karneval erlauben. Das Spiel mit dem Gunstbeweis hat vermutlich eine komplizierte Geschichte, die sich sicher bis zur Erde zurückverfolgen läßt. Das ergibt sich allein schon aus der Tatsache, daß die Gunstbezeugung beziehungsweise das Symbol für die Bezeugung der Gunst traditionellerweise ein Taschentuch oder Halstuch ist. Soviel ich weiß, hat der Champion einer Dame eine derartige Gunstbezeugung bei sich getragen, am Helm befestigt oder in den Kampfhandschuh geschoben.

Es ist nicht schwer, die verborgene Bedeutung einer solchen Gunstbezeugung zu erkennen. Dazu muß man nur wissen, daß sie von freien Frauen aus freiem Willen vergeben werden. Es bedeutet in Wahrheit nichts anderes, als daß eine freie Frau einem Mann ihre Gunst schenkt oder auch verkauft. So offensichtlich diese Erkenntnis im klaren Licht des Verstandes auch ist, wird die freie Frau sie vermutlich erschrocken als entlarvend und skandalös empfinden. Es ist einer jener Fälle, in der eine Sache, die sie lange zu verbergen versucht hat, ihr plötzlich unwiderruflich bewußt wird, vielleicht sogar zu ihrer Verblüffung und ihrem Entsetzen.

Diese Interpretation wird von der Tatsache gestützt, daß bei diesem Wettbewerb die Frau dem Mann ihre Gunstbezeugung überreicht und daß im allgemeinen starke, gutaussehende Männer die bevorzugten Empfänger solcher Halstücher sind. Die Frauen wetteifern darum, die Gunstbezeugungen zu verteilen, und diejenige, deren ›Gunst‹ als erste angenommen wird, hält sich ihren weniger erfolgreichen Schwestern für überlegen, zumindest in dieser Hinsicht. Dieses Spiel verschafft freien Frauen das aufregende, gesellschaftlich anerkannte Gefühl prickelnder Unartigkeit, ohne jeden Zweifel ein Hinweis auf die damit verbundene körperliche Erregung, eine Erregung, die allgemein für unter der Würde einer hochrangigen freien Frau gehalten wird.

Kurz gesagt, das Spiel der Halstücher erlaubt freien Frauen auf gesellschaftlich anerkannte Weise, ihre körperlichen Bedürfnisse zumindest zum Teil zu befriedigen, wenn auch nur durch eine symbolische Handlung. Es kommt allerdings vor, daß auf diese Weise interessierten Männern Anträge gemacht werden.

Die Frau mit dem Sklavenkragen, die bis zur Taille nackt war und nur ein Stück Stoff um die Hüften geschlungen hatte, kam wieder zum Vorschein. Als sich unsere Blicke trafen, sah sie schnell zur Seite.

Ich trat einen Schritt auf sie zu, sie wandte sich erschrocken ab und bahnte sich einen Weg durch die Menge. Ich folgte ihr, schlug jedoch einen Bogen um sie herum. Wie erwartet blieb sie ein paar Augenblicke später stehen und drehte sich um, um zu sehen, ob ich sie noch verfolgte. Sie blieb unsicher stehen. War sie nun verfolgt worden oder nicht? Sie konnte es nicht sagen. Plötzlich trat ich hinter sie und zog sie mit dem Rücken an mich. Sie kam nicht von mir los. Sie war so hilflos, als wäre sie in den Käfigen von Tyros eingesperrt.

»Herr?« fragte sie ängstlich und versteifte sich.

»Du bist eine Sklavin, richtig?«

»Ja, aber natürlich.«

»Aber natürlich was?«

»Aber natürlich, Herr!« sagte sie.

»Du hast hübsche Brüste.«

»Vielen Dank, Herr«, flüsterte sie.

Ich ließ meine Hand über ihren Körper gleiten, gab sie dabei aber nicht frei.

»Du hast einen schönen Körper«, sagte ich. »Ich glaube, du würdest auf dem Sklavenblock einen guten Preis erzielen.«

»Tatsächlich?« fragte sie erfreut.

»Ja. Aber was soll dieses Tuch um deine Hüften? Nach der Qualität zu urteilen, ist es viel zu gut, um einer einfachen Sklavin zu gehören.« Ich griff nach den Bändern an der linken Hüfte.