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»Hast du noch den Apparat, den ich dir gegeben habe?« fragte Lecchio.

»Ja.«

»Denk daran, du darfst nie auf deine Füße blicken«, erinnerte er mich. »Du mußt in die Richtung blicken, in die du dich bewegst. Du mußt mit deinem ganzen Körper denken, die geringsten Eindrücke ausnutzen.«

»Ich kann mich gut an unsere Übungen erinnern«, versicherte ich ihm.

»Ich auch. Darum dränge ich dich ja dazu, vorsichtig zu sein.«

»Ich verstehe.«

»Wir sollten uns auf den Weg machen«, sagte Andronicus. »Bevor die Menschen Brundisiums wieder zu Bewußtsein kommen.«

Ich wandte mich an Andronicus, »Nimm diese Papiere. Sie sind wichtig. Gib sie Scormus. Er wird wissen, was er damit machen soll. Er hat auch die anderen Dokumente, die er dazu braucht.«

»Wo treffen wir dich?«

»Wenn alles gut geht, am vereinbarten Ort.«

»Ich wünsche dir alles Gute«, sagte Andronicus.

»Ich wünsche dir auch alles Gute, euch allen«, sagte ich.

Andronicus setzte wieder den Helm auf, der seine Gesichtszüge verbarg. Dann richtete er sich majestätisch zu seiner vollen Größe auf. Er war wieder der General.

»Kommt, Männer«, sagte er. »Und bringt den Gefangenen mit, der in Ar gesucht wird.«

Er war wirklich beeindruckend.

»Nicht schlecht, was?«

»Vergeßt mein Schwert nicht«, sagte Petrucchio.

»Wir heben es unterwegs auf«, beruhigte Lecchio ihn.

»Kommt, meine Männer!« sagte Andronicus der General. Er trat herrisch durch die Tür, gefolgt von Chino und Lecchio, die Petrucchio in die Mitte genommen hatten.

»Ich wußte gar nicht, daß Petrucchio in Ar gesucht wird«, sagte Lecchio ganz im Einklang mit seiner Rolle.

»Halt den Mund!« meinte Chino, der das gar nicht witzig fand.

Ich sah ihnen nach, um sicherzugehen, daß sie nicht in Schwierigkeiten gerieten – zumindest soweit ich sie beobachten konnte. Dann ging ich durch die Räume, bis ich zu der Stelle kam, an der wir die Gefangenen sicher aufbewahrt hatten. Wir hatten sie entkleidet und dann mit ausgebreiteten Armen an die Stäbe des erneut heruntergelassenen Gitters gebunden, das mich daran gehindert hatte, Belnar zu verfolgen. Natürlich hatten wir auch ihre Handgelenke an die Stäbe gebunden.

»Töte mich nicht!« rief Flaminius und kämpfte gegen die Fesseln an, als er mich mit gezücktem Schwert näher kommen sah. »Bitte, nein, Herr!« rief Yanina und zerrte hilflos an den Stricken. »Habt Gnade mit einer Sklavin! Bitte tötet mich nicht!« Zweifellos hatten beide verzweifelt gehofft, daß wir alle gegangen waren. Aber ich war zurückgekehrt.

Ich setzte Flaminius die Schwertspitze an die Kehle. Er brach in Schweiß aus. »Töte mich nicht«, flüsterte er. Ich senkte das Schwert ein Stück. »Nein«, flehte er. »Bitte!«

»Zweifellos werden deine Männer bald kommen, um nach dir zu suchen«, sagte ich. »Also sollte ich dich schnell töten und mich dann auf den Weg machen.«

»Es gibt keinen Grund, das zu überstürzen«, rief Flaminius. »Vermutlich wissen sie nicht einmal, daß wir hier sind. Es könnte noch Ahn dauern, bis jemand kommt!«

»Tatsächlich?« Ich hob das Schwert.

Ich stand auf. Es war später Nachmittag. Über Brundisium schwebten nur noch wenige Rauchwolken, vermutlich waren die meisten Brände gelöscht. Niemand hatte Belnars Residenz einen Besuch abgestattet. Ich hatte auch nicht damit gerechnet. Es hatte anderswo einfach zuviel zu tun gegeben. Ich ging davon aus, daß der Stadtkapitän die Macht übernommen hatte, nachdem Belnar tot aufgefunden worden war. Flaminius’ Macht hatte sich hauptsächlich auf seine Nähe zum Ubar und dem Kommando über die vom Ubar geleiteten Sonderaufgaben gestützt. Soweit mir bekannt war, war er kein Mitglied der Verwaltung; er bekleidete auch keinen offiziellen Rang im Heer oder in der Wache. Vermutlich hatte er nur durch Belnar Verbindungen zu Mitgliedern des Hohen Rates gehabt, die zweifellos eng mit dem Ubar bei seinen verschiedenen Planungen zusammengearbeitet hatten. So wie es aussah, war noch kein neuer Ubar ernannt worden. Zumindest waren die Alarmstäbe nicht geschlagen worden, was sicher geschehen wäre, um solch eine Ernennung anzukündigen.

Ich sah auf Yanina hinunter. Sie lag bäuchlings auf ein paar Fellen, die ich vor das Gitter geworfen hatte. Sie hatte mir eine Ahn lang gedient; unter anderem hatte sie mir eine Mahlzeit zubereitet.

Ich warf Flaminius einen Blick zu. Er hockte mittlerweile auf dem Boden, mit dem Rücken am Gitter, die Arme ausgebreitet und mit den Handgelenken an die Eisenstäbe gefesselt. Ich hatte ihn so festgebunden, da ich der Meinung gewesen war, daß es bequem für ihn war.

Mein Gefangener Flaminius sah weg und mied meinen Blick.

Ich trat zur Seite und wickelte eine Schale aus dem Tuch. Der Inhalt – gekochter Vulo und Reis – war noch warm.

»Iß«, sagte ich zu Flaminius und löffelte ihm etwas Vulo und Reis in den Mund.

Dann stellte ich die Schale beiseite und hob die Schwertscheide mit der darin befindlichen Klinge auf.

»Töte mich nicht«, sagte er plötzlich.

»Mittlerweile müßten die Dokumente, die ich gesucht habe und deren Sicherheit du garantieren wolltest, aus der Stadt sein.«

»Das spielt keine Rolle mehr.«

»Vor langer Zeit«, fuhr ich fort, »als du mich der Gnade der Urts überlassen wolltest, habe ich dir ein paar Fragen gestellt. Wenn ich mich recht erinnere, wolltest du sie nicht beantworten.«

Er sah mich furchtsam an.

Ich zog das Schwert aus der Scheide.

»Vielleicht willst du sie ja jetzt beantworten.«

»Ich weiß nur wenig über die Dinge, die zwischen Cos und Brundisium vorgehen«, sagte er. »Es hat etwas mit Ar zu tun. Es haben auch Geheimverhandlungen mit bestimmten Leuten in Ar stattgefunden, Leuten von verräterischer Gesinnung.«

»Leuten wie du?« fragte ich.

»Schon möglich«, sagte er ängstlich. »Aber was geht dich das an? Kommst du aus Ar?«

»Nein. Aber ich respektiere den Heimstein Ars genau wie den anderer Städte auch.«

Er zuckte mit den Schultern.

»Deine Antwort ist nicht zufriedenstellend.« Meine Schwertspitze berührte seinen Hals.

»Du mußt die geheimen Botschaften haben«, sagte er. »Sonst hättest du die Codeschlüssel nicht so hartnäckig gesucht. Lies sie dir durch. Die Antworten, die du suchst, müssen dort stehen.«

»In Port Kar ist ein Anschlag auf mich erfolgt«, sagte ich. »Warst du dafür verantwortlich?«

»Nein«, sagte er. »Wir haben nur Belnars Befehle befolgt.«

»Welches Interesse könnte Belnar gehabt haben, mich zu töten?«

»Keines«, sagte er und zuckte zusammen, als der Stahl wieder seine Haut berührte. »Er hat sich des Willens einer anderen Person unterworfen, einer viel mächtigeren Person.«

»Und wer ist das?«

»Lurius«, sagte er. »Lurius aus Jad, der Ubar von Cos!«

»Lurius?«

»Ja!« rief er. »Töte mich nicht!«

Ich nahm das Schwert fort, und er zitterte in seinen Fesseln, Der abstoßende Lurius aus Jad, der Ubar von Cos, war mir die ganze Zeit über nicht einmal in den Sinn gekommen. Vor langer Zeit hatte ich eine Schatzflotte gekapert, die von Tyros nach Cos segelte und die für Lurius bestimmt war. Damals hatte ich die schöne junge Vivina gefangengenommen und als Zeichen meines Triumphes nackt an den Bug meines Flaggschiffes gekettet. Auch sie war nach Telnus, der Hauptstadt von Cos, unterwegs gewesen, wo sie Lurius’ Gefährtin werden sollte. In Port Kar hatte ich sie zur Sklavin gemacht. Jetzt hieß sie Vina und war die Lieblingssklavin von Kapitän Henrius.

»Warum hat Lurius erst jetzt etwas in dieser Angelegenheit unternommen?« wollte ich wissen.

»Das weiß ich nicht«, sagte Flaminius ängstlich.

Es mußte etwas mit den politischen Abenteuern zu tun haben, in die sich die Städte gestürzt hatten, da war ich mir sicher. Und ich war auch davon überzeugt, daß es dabei nicht allein um mich ging, sondern auch um Port Kar. Lurius hatte offensichtlich ein langes Gedächtnis.

»Ich bin nackt und gefesselt«, sagte Flaminius. »Du kannst mich nicht kaltblütig umbringen.«