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»Nein«, sagte Boots, »wir werden es eine Zeitlang von unserer Route streichen.«

»Gut«, meinte Andronicus.

»Es ist ihr Verlust«, sagte Boots.

Lecchio nickte. »Genau.«

»Ich nehme an, euch allen geht es gut, und ihr werdet bald aufbrechen.«

»Ja. Bloß fürchte ich, daß wir einen neuen mutigen Burschen aufspüren müssen, einen Kerl von großer Kraft und bescheidenem Talent, der uns hilft, die Bühne und die Zelte aufzubauen«, sagte Boots.

Ich lächelte. »Das fürchte ich auch.«

»Vielleicht übernehme ich die Messerwerfernummer«, sagte Boots.

Rowena und Telitsia wurden bleich.

»Aber wer zahlt schon, nur um zu sehen, wie man Messer auf Sklavinnen wirft?« meinte Chino.

»Das ist wahr«, meinte Boots.

Die Sklavinnen atmeten auf.

»Wir werden dich vermissen«, sagte Andronicus.

»Ich werde euch auch vermissen«, erwiderte ich. »Euch alle.«

»Zweifellos werden wir uns auch einen neuen Spieler suchen müssen«, sagte Boots.

»Ja«, lächelte Scormus aus Ar. »Ich kehre nach Ar zurück.«

»Und eine Bina auch«, stöhnte der Theaterdirektor.

»Ja, Herr«, sagte Bina, die neben Scormus kniete.

»Rowena, Telitsia!« sagte Boots.

Die beiden Sklavinnen knieten sofort nieder.

Ich sah sie an, Rowena mit ihren langen blonden Zöpfen und die dunkelhaarige Telitsia, die einst eine Schriftgelehrte gewesen war.

»Sind sie nicht wunderschön?« meinte Boots.

»Ja«, sagte ich.

»Rowena hat das Zeug zu einer wunderbaren schönen Kurtisane, und Telitsia wird bestimmt die beste Brigella, die ich je hatte.«

»Vielen Dank, Herr«, sagte Rowena.

»Vielen Dank, Herr«, sagte Telitsia.

»Diese Sklavin da«, sagte Boots und zeigte auf Telitsia, »diese wohlgeformte Brünette, hat um die Erlaubnis gebeten, unsere Stücke niederzuschreiben. Ist das nicht lächerlich?«

»Warum sollte das lächerlich sein?« fragte ich.

»Weil sich die Stücke ständig verändern, ständig verbessert und verfeinert werden und weil sie ständig anderen Auftrittsorten angepaßt werden«, meinte er.

»Davon abgesehen – wie sollte eine Niederschrift den Geist des lebendigen Dramas einfangen können?«

»Davon abgesehen sind es die Stücke nicht wert, daß man sie niederschreibt«, sagte Lecchio.

»Ich weiß, daß du meine Meinung in solchen Angelegenheiten nicht schätzt«, sagte ich zu dem Theaterdirektor. »Aber ich muß Lecchio widersprechen.«

»Also neigst du eher dazu, mir zuzustimmen?« fragte Boots.

»Ja.«

»Deine Meinung ist nicht ohne Wert.«

»Selbst wenn es sich bei den Stücken um keine klassischen Dramen von der Art handelt, von der vielleicht Andronicus träumt, so sind sie doch ein ehrlicher Teil des lebendigen Theaters. Das ist das wahre Theater, ob es an einer Straßenkreuzung stattfindet oder im Haus eines Ubars. In diesem Sinne sind diese Stücke nicht nur Teil seiner Tradition und Geschichte, sondern sind auch zutiefst menschlich, sind trotz ihrer Grobheit und Unflätigkeit kostbar und einzigartig. Es wäre eine Tragödie, wenn sie der Nachwelt nicht aufbewahrt würden, gleichgültig, auf welche Weise auch immer.«

»Es ist unmöglich, daß sie in Vergessenheit geraten könnten«, meinte Boots.

»Ich kenne eine Welt, auf der genau das passiert ist.«

»Wie dem auch sei«, sagte Boots fort. »Ich habe ihr die Erlaubnis und die nötigen Utensilien gegeben, um wenigstens ein paar Dinge niederschreiben zu können.«

»Ausgezeichnet!« sagte ich. »Es ist eine gute Idee.« Ich sah auf Telitsia hinunter, die neben Rowena kniete. »Warum willst du das tun?«

»Ich habe gelernt, die Stücke zu lieben«, antwortete sie. »Sie sind etwas Kostbares. Ich will nicht, daß sie der Vergessenheit anheimfallen.«

Ich sah sie mir beide noch einmal an, wie sie dort in ihrer ganzen Schönheit knieten.

»Ich werde die Mädchen vermissen, so wie ich euch alle vermissen werde«, sagte ich.

»Wir werden dich auch vermissen«, sagte Chino.

Ich wandte mich an Scormus. »Ich nehme an, Andronicus hat dir die Papiere aus Brundisium gegeben, die Codeschlüssel?«

Er nickte.

»Ich hoffe, sie gehörten zu den anderen Dokumenten, die ich Lady Yanina abgenommen hatte.«

»Das taten sie, wie wir es uns gedacht hatten.« Er reichte mir ein dickes Bündel. »Ich habe dir die entschlüsselten Botschaften aufgeschrieben. Mit den Schlüsseln gab es keine Schwierigkeiten. Ich habe es in der letzten Nacht erledigt. Es ist alles da, die Schlüssel wie auch die Geheimbotschaften.«

Ich nahm die Seiten. »Ich danke dir.« Es waren persönliche Gründe gewesen, die mich nach Brundisium gebracht hatten: Ich hatte herausfinden wollen, wer für den Angriff auf mich in Port Kar verantwortlich war. Es hatte mich wirklich überrascht, daß es weder die Priesterkönige noch die Kurii gewesen waren, sondern Lurius aus Jad, der Ubar von Cos. »Und was besagen die Botschaften?«

»Verrat an Ar, Verrat an dem Bündnis«, sagte er. »Cos marschiert mit Hilfe von Tyros gegen Ar. Tausende von Männern, die in Cos und Tyros bis zur Vollkommenheit ausgebildet worden sind, begeben sich auf Schiffe. Die Invasionsflotte soll in Brundisiums Hafen unbehelligt ankern. Schon seit Monaten wurden in Brundisium heimlich Vorräte und Kriegsmaterial gelagert. Die Stadt soll als Nachschubbasis für die Invasion des Kontinents dienen.«

»Angesichts solcher Überlegungen ist es kein Wunder, daß man in Brundisium so über die Sicherheit besorgt war«, meinte Boots.

»In der Stadt hat es gebrannt«, sagte ich. »Vielleicht wurden die für die Invasion gedachten Vorräte beschädigt oder vernichtet, und es kommt zu einer Verzögerung.«

»Da man annehmen muß, daß solche Dinge in der Nähe des Hafens aufbewahrt werden, halte ich das für sehr unwahrscheinlich«, sagte Scormus. »Es gab wohl keine Brände im Hafenviertel, wie ich von Andronicus gehört habe.«

»Das stimmt.«

»Viele Dinge ergeben jetzt einen Sinn«, sagte Scormus.

»Ja. Am bedeutsamsten war wohl die Anwesenheit von Temenides in Brundisium, der offensichtlich in Belnars Gunst stand.«

»Vielleicht war er ein Kurier«, spekulierte Boots. »Spieler dürfen kommen und gehen, wie es ihnen gefällt.«

»Ich vermute, er war mehr als ein einfacher Kurier«, widersprach Scormus. »Solche Männer dürften selten mit einer Eskorte cosischer Speerträger reisen.«

»Du vermutest, daß seine Anwesenheit auf eine Beschleunigung der Ereignisse hindeutet?«

Scormus lächelte. »Ganz genau.«

»Ar hat die mächtigsten Landstreitkräfte von ganz Gor. Cos und Tyros sind verrückt, Ar auf dem Land herauszufordern«, sagte ich.

»Marlenus, der Ubar von Ar, hält sich nicht in der Stadt auf«, sagte Scormus. »Wie ich gehört habe, ist er in der Voltai, auf einer Strafexpedition gegen Treve.«

»Andere werden die Führung übernehmen.«

»Das ist richtig«, sagte Scormus.

»Ich glaube, Ar hat wenig zu befürchten.«

»Es herrscht schon lange Krieg zwischen Cos und Ar«, meinte Scormus. »Nun ist Tyros, ein traditioneller Konkurrent von Cos, was die Seeherrschaft angeht, dazu bereit, cosische Pläne Öffentlich auf dem Land zu unterstützen. Man sollte die vereinigten Streitkräfte dieser beiden Ubarate nicht unterschätzen.«

»Aber du weißt nicht, von wie vielen Männern wir hier sprechen?« fragte ich.

»Nein. Davon stand in den Dokumenten nichts. Doch ich gehe davon aus, daß es ein beträchtliches Heer sein wird.«

»Du mußt handeln«, sagte ich. »Du mußt schnell nach Ar reisen, um den Rat von Brundisiums Verrat zu unterrichten und um die Stadt auf die Invasion vorzubereiten.«

»Ich glaube, Ar wird auch so bald Bescheid wissen.«

»Ich verstehe nicht.«

»Es ist zu spät.«

»Was?«

»Ist heute nicht der Siebzehnte Se’Kara?«

»Ja. Und?«

»Dann sieh einmal aufs Meer.«

Rowena schrie überrascht auf. Die anderen auch. Selbst Petrucchio stand mühsam auf.

Am Horizont waren Segel zu sehen. Wir standen lange Zeit am Rand der Klippe, an deren Fuß sich die Wellen des Thassa, des Meeres, brachen.